IV./2021 Newsletter Arbeitsrecht

Aus einer arbeitgeberseitigen Äußerung im Vorstellungsgespräch oder bei Arbeitsantritt, dass eine Probezeit nur „pro forma“ vereinbart werde oder sei, lässt sich regelmäßig kein Verzicht des Arbeitgebers auf die erleichterten Kündigungsmöglichkeiten während der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes herleiten. Stützt der Arbeitgeber eine Wartezeitkündigung allein auf Werturteile, wie z.B. mangelnde Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten, genügt es, dem Personalrat diese Einschätzung mitzuteilen. Die diesem subjektivem Werturteil evtl. zugrundliegenden Tatsachenelemente muss der Arbeitgeber nicht angeben. Es reicht aus, wenn er dem Personalrat lediglich das Werturteil als Ergebnis seines Entscheidungsprozesses mitteilt.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, 05.10.2021 – 5 Sa 22/21 – juris.

Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund einer staatlich verfügten allgemeinen „Lock Downs“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu zahlen.

BAG, 13.10.2021 – 5 AZR 211 – 21 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 31/21).

Einer Gewerkschaft steht gegen einen Arbeitgeber ein schuldrechtlicher Anspruch auf Durchführung eines zwischen ihnen geschlossenen Haustarifvertrages zu. Der Durchführungsanspruch kann durch Leistungsklage geltend gemacht werden und ist auf die bei dem Arbeitgeber beschäftigten Mitglieder der Gewerkschaft begrenzt. Dem kann im Klageantrag durch eine abstrakte Beschränkung auf „die Mitglieder“ Rechnung getragen werden, deren namentliche Benennung ist nicht erforderlich.

BAG, 13.10.2021 – 4 AZR 403/20 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 32/21)

Die für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände maßgebliche Fassung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD-K) enthält für den Freizeitausgleich und die Vergütung von Studenten, die Teilzeitbeschäftigte ungeplant über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbringen, eigenständige Regelungen, die sich so sehr von den Regelungen zum Entstehen, dem Ausgleich und der Vergütung von Überstunden bei Vollbeschäftigten unterscheiden, dass keine Vergleichbarkeit mehr gegeben ist. Mit dieser Differenzierung haben die Tarifvertragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Deshalb diskriminieren die für Teilzeitbeschäftigte geltenden Regelung diese nicht und sind wirksam. Die sowohl für Voll- als auch Teilzeitbeschäftigte maßgebliche Sonderregelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K zur Entstehung von Überstunden bei Beschäftigten, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, verstößt jedoch gegen das Gebot der Normenklarheit und ist deshalb unwirksam.

BAG, 15.10.2021 – 6 AZR 253/19 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 34/21).

Die Anerkennung von Zeiten förderlicher Tätigkeit nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L setzt nicht als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Bewerber bei seiner Einstellung eine Berücksichtigung solcher Zeiten verlangt.

BAG, 15.10.2021 – 6 AZR 254/20-juris.

Das Lesen einer offensichtlich an einen anderen Adressaten gerichteten E-Mail sowie das Kopieren oder die Weitergabe des E-Mailanhangs (privater Chat-Verlauf) an Dritte kann im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, auch wenn eine Zugriffsberechtigung auf das E-Mailkonto für dienstliche Tätigkeiten vorliegt.

LAG Köln, 02.11.2021 – 4 Sa 290/21 – justiz.nrw.de

Kündigt ein Arbeitnehmer einer Kollegin gegenüber glaubhaft an, er beabsichtige seinen Vorgesetzten aus dem Fenster zu schmeißen und er sei kurz vor einem Amoklauf, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

ArbG Siegburg, 04.11.2021 – 5 Ca 254/21 – juris.

Das BAG hat entschieden, dass Fahrradlieferanten (sogenannte „Rider“), die Speisen und Getränke ausliefern und ihre Aufträge über eine Smartphone-App erhalten, Anspruch darauf haben, dass der Arbeitgeber Ihnen die für die Ausübung ihrer Tätigkeit essenziellen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt. Dazu gehören ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes internetfähiges Mobiltelefon. Von diesem Grundsatz können vertraglich Abweichungen vereinbart werden. Geschieht dies in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers, sind diese nur wirksam, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung zugesagt wird.

BAG, 10.11.2021 – 5 AZR 334/21 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 38/21).

Es kommt für die rechtliche Einordnung eines Vertrages als Arbeitsvertrag grundsätzlich nicht darauf an, wie die Parteien ihr Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbezeichnung nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt einzuordnen ist. Der wirkliche Geschäftsinhalt in den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen.

LAG Köln, 12.11.2021 – 9 Ta 161/21 – juris

Der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, begründet regelmäßig die Vermutung im Sinne von § 22 AGG, dass der/die erfolglose schwerbehinderte Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt wurde. Zu diesen Vorschriften gehört § 165 Satz 1 SGB IX, wonach die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze melden. Um dieser Bestimmung zu genügen, reicht allein die Veröffentlichung der Stellenangebote über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit nicht aus.

BAG, 25.11.2021 – 8 AZR 313/20 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 38/21).

Fallen aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Beschäftigungspflicht : 312 Werktage). Dies gilt entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben. Bei der vertraglichen Drei-Tage-Woche errechnet sich der Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht : 312 Werktage).

BAG, 30.11.2021 – 9 AZR 225/21 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 41/21).

Eine Versorgungsregelung in einer Betriebsvereinbarung, wonach eine Witwen-/Witwerrente entfällt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist oder wenn sie erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde, schließt eine Witwen-/Witwerrente nicht aus, wenn die Ehe zwar nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, aber vor dem Beginn des Altersrentenbezugs geschlossen wurde.

BAG, 02.12.2021 – 3 AZR 212/21 – (BAG-Pressemitteilung Nr. 44/21).

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