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Arbeitsrecht:

Fristlose Kündigungen wegen Hetze in Chatgruppen

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung ausgeführt, dass sich ein Arbeitnehmer nur in Ausnahmefällen auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen könne, wenn er in einer  Chatgruppe stark beleidigende, rassistische, sexistische und zu Gewalt aufstachelnde  Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen macht.

-Bundesarbeitsgericht vom 24.08.2023, Az. 2 AZR 17/23, bislang nur als Pressemitteilung 33/23 veröffentlicht; Vorinstanz LAG Niedersachsen vom 19.12.2022, Az. 15 Sa 284/22-

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Der Kläger war als Gruppenleiter bei einer Arbeitgeberin beschäftigt, welche ein Luftverkehrsunternehmen betreibt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers war nach den anzuwenden tariflichen Regelungen ordentlich unkündbar. Der Kläger gehörte seit 2014 einer privaten Chatgruppe an, welche neben ihm noch fünf weitere Mitarbeiter der Arbeitgeberin umfasste. Für einen befristeten Zeitraum gehörte der Gruppe auch ein weiterer Mitarbeiter der Arbeitgeberin an. Die Mitglieder der Chatgruppe sind untereinander langjährig befreundet und zum Teil auch verwandt. Über den Messenger-Dienst WhatsApp tauschten die Mitglieder der Chatgruppe Nachrichten aus. Im Rahmen von Gesprächen über einen Arbeitsplatzkonflikt zeigte ein Gruppenmitglied der Chatgruppe einem anderen Mitarbeiter den Verlauf des WhatsApp-Chats auf seinem Smartphone. Der Mitarbeiter kopierte den Chatverlauf auf sein eigenes Smartphone. Im weiteren Verlauf teilte sodann der Vorsitzende des bei der Arbeitgeberin bestehenden Betriebsrats dem Personalleiter telefonisch das Bestehen der genannten WhatsApp-Gruppe mit und berichtete über den Inhalt des Chats. Im Nachgang zu diesem Gespräch übersandte der Betriebsratsvorsitzende ein mehrere hundert Seiten umfassendes Word-Dokument mit dem Inhalt des Chatverlaufs. Der Chatverlauf enthielt unter anderem Mitteilungen des Klägers über Vorgesetzte und Arbeitskollegen, welche in beleidigender, rassistischer und menschenverachtender Weise geäußert wurden. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos.

Beide Vorinstanzen gaben der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage unter Annahme einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung des Klägers innerhalb der privaten Chatgruppe statt. Auf die Revision der Arbeitgeberin hin hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat in der zu dieser Entscheidung bislang vorliegenden Pressemitteilung ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußere, gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen könne. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend die ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Dies wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Seien Gegenstand der Nachrichten – wie im vorliegenden Fall – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Kläger vorliegend berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird nunmehr dem Kläger Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Bewertung der Entscheidung:

Solche privaten Chatgruppen unter Arbeitskollegen, in denen auch berufliche Themen besprochen werden, dürften in der betrieblichen Praxis häufig existieren. Dieses Medium wird mitunter auch für beleidigende, rassistische, sexistische und zu Gewalt aufstachelnde Äußerungen genutzt. Der scheinbar vertrauliche Charakter dieser Chat-Gruppen kann täuschen, wie die vorliegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aufzeigt. Das BAG stärkt durch diese Entscheidung nun die Rechtsposition von Unternehmen, die beleidigende, hetzerische oder gar zu Gewalt aufrufenden Äußerungen im beruflichen Umfeld nicht dulden und dagegen vorgehen möchten.

Praxisfolgen:

Arbeitnehmer sollten sich darüber bewusst sein, dass auch privat-berufliche Chatgruppen kein rechtsfreier Raum sind und dass sie jedenfalls bei schwerwiegenden Chat-Äußerungen über Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen ggf. ihr Arbeitsverhältnis „aufs Spiel setzen“, sollten diese Äußerungen dem Arbeitgeber bekannt werden.

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