Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Ab- und Rückmeldepflicht von freigestellten Betriebsratsmitgliedern

Auch ein von seiner beruflichen Tätigkeit freigestelltes Betriebsratsmitglied ist nach § 38 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, während seiner vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereit zu halten. Will das freigestellte Betriebsratsmitglied im Zusammenhang mit der Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratsaufgaben den Betrieb verlassen, ist er verpflichtet, sich beim Arbeitgeber unter Angabe der voraussichtlichen Dauer der Abwesenheit abzumelden und bei Rückkehr in den Betrieb wieder zurückzumelden. Eine Verpflichtung, den Arbeitgeber beim Verlassen des Betriebes über den Ort der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit zu informieren, besteht nicht.

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.02.2016 – 7 ABR 20/14)

Sachverhalt und Entscheidung:

Die freigestellten Betriebsratsmitglieder beabsichtigten zur Vorbereitung einer für den 02.03.2012 anberaumten Einigungsstellensitzung ihren Verfahrensbevollmächtigten in dessen Kanzlei aufzusuchen, um sich rechtlich beraten zu lassen, Positionen zu klären und die Taktik zu besprechen. Unter Verwendung der in dem Betrieb der Arbeitsgeberin existierenden Dienstanweisungen über die „Durchführung und Abrechnung von Dienstreisen“ beantragten die freigestellten Betriebsratsmitglieder am 24.02.2012 für den 01.03.2012 eine Fahrt zum Kanzleisitz und zurück und gaben als Grund „Besprechung mit unseren Beratern in Rechtsfragen“ an. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat am 01.03.2012 schriftlich mit, dass sie diese Anträge wegen Fehlens eines sachlichen Grundes nicht befürworten könne und wies in einem weiteren Schreiben vom 19.03.2012 darauf hin, dass der Grund für die Dienstreise genannt werden müsse und der bloße Hinweis auf Betriebsratsarbeit nicht genüge, da sie bei kostenauslösenden Maßnahmen abschätzen können müsse, ob der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz tätig sei oder nicht. Mit Schreiben vom 26.03.2012 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat bei „Durchführung außerbetrieblicher Betriebsratstätigkeit um die Beachtung nachfolgender Ausführungen“:

„… Ich bitte Sie daher, sich zukünftig vor Verlassen des Betriebs innerhalb der Arbeitszeit bei der Geschäftsführung abzumelden und dabei den Ort, sowie die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit anzugeben. Entsprechend der bisherigen betrieblichen Praxis bitten wir darum, die Abmeldung schriftlich, sowie unter Beschreibung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben vorzunehmen, damit die Wahrnehmung der Aufgaben nach BetrVG nachvollzogen werden kann. Die Erstattung der Reisekosten erfolgt ggf. gem. der Dienstanweisung 10/05. Sie erfordert die rechtzeitige Antragstellung in der bekannten Form und eine Genehmigung vor Reiseantritt durch mich.

Bei Ihrer Rückkehr melden Sie sich bitte ebenfalls bei mir zurück. Die An- und Abmeldung bzw. entsprechende Mitteilung soll dabei ausschließlich an mich erfolgen; die Personalabteilung ist nur dann stattdessen zu benachrichtigen, wenn ich dies Ihnen vorher mitgeteilt habe.

… Ein Anspruch auf Erfassung der Reisekosten für außergerichtliche Betriebsratstätigkeit besteht nur dann, wenn die oben beschriebenen Ab- und Anmeldepflichten beachtet worden sind, die entsprechende Erforderlichkeit für die Betriebsratstätigkeit besteht und die Dienstanweisung 10/05 beachtet wurde. …“

Sowohl der Betriebsrat als auch die freigestellten Betriebsratsmitglieder haben beim Arbeitsgericht beantragt, festzustellen, dass die vollständig freigestellten Mitglieder des Betriebsrats nicht verpflichtet sind, sich vor Verlassen des Betriebs innerhalb der Arbeitszeiten abzumelden, den Ort sowie die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit anzugeben und/oder sich bei ihrer Rückmeldung bei der Geschäftsführerin der beteiligten Arbeitgeberin bzw. in der Personalabteilung zurückzumelden. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen, das Landesarbeitsgericht die dagegen von der Arbeitgeberin eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin beim BAG weiterhin die Abweisung der Anträge. Das Bundesarbeitsgericht hat die Beschwerde für überwiegend begründet gehalten und darauf hingewiesen, dass nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats nach § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien seien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber müsse der Arbeitsbefreiung grundsätzlich nicht zustimmen. Ein Betriebsratsmitglied, das seinen Arbeitsplatz verlasse, um Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrzunehmen, habe sich aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beim Arbeitgeber abzumelden. Es sei auch verpflichtet, sich zurückzumelden, sobald es nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit seine Arbeit wieder aufnehme. Insoweit träfen die Betriebsratsmitglieder kollektive Obliegenheiten zu Ab- und Rückmeldung aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG. Gleichermaßen handele es sich um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB. Die Meldepflichten dienten bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern dem Zweck, dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu erleichtern, vor allem den Arbeitsausfall des Arbeitnehmers zu überbrücken. Um diesen Zweck zu erfüllen, genüge es, wenn das Betriebsratsmitglied bei der Abmeldung den Ort und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit angebe. Aufgrund dieser Mindestangaben sei der Arbeitgeber im Stande, die Arbeitsabläufe in geeigneter Weise zu organisieren und Störungen im Betriebsverlauf zu vermeiden, so schon BAG, 29.06.2011, 7 ABR 135/09.

Die Ab- und Rückmeldepflicht sowie die Pflicht zur Information des Arbeitgebers über die voraussichtliche Dauer der Abwesenheit vom Betrieb gehörten auch bei den nach § 38 Abs. 1 BetrVG von der Arbeitspflicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern zu den Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB. Diese Ab- und Rückmeldepflicht sowie die Pflicht zur Information des Arbeitgebers beruhten auch hier auf dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG. Freigestellte Betriebsratsmitglieder unterlägen zwar keiner Arbeitspflicht, so dass der Arbeitgeber deshalb keine Organisationsmaßnahmen für seine Abwesenheit von Arbeitgeber zu treffen habe. Der Arbeitgeber habe jedoch ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob und ggf. wie lange ein freigestelltes Betriebsratsmitglied vom Betrieb abwesend sei. Ein nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied sei nur von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt, nicht aber von seiner Anwesenheitspflicht im Betrieb. An die Stelle der Arbeitspflicht trete die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, während seiner vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehöre, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereit zu halten. Dies sei die gesetzliche Rechtsfolge der Freistellung. Das Betriebsratsmitglied müsse deshalb während seiner Anwesenheit im Betrieb grundsätzlich nicht nachweisen, dass es Betriebsratsarbeit leiste. Zweck des § 38 Abs. 1 BetrVG sei es, Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über den Umfang der notwendigen Arbeitsbefreiung zu vermeiden. Das Gesetz gehe dabei davon aus, dass bei einer bestimmten Betriebsgröße die in § 38 Abs. 1 BetrVG festgelegte Mindestzahl von Freistellung erforderlich sei, damit die Betriebsratstätigkeit ordnungsgemäß durchgeführt werden könne, so zuletzt Bundesarbeitsgericht, 10.07.2013, 7 ABR 22/12 – Rn. 21.

Dieser Zweck entbinde das freigestellte Betriebsratsmitglied aber nicht von der vertraglichen Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB sowie der Pflicht aus § 2 Abs. 1 BetrVG zur Ab- und Rückmeldung, wenn es außerhalb des Betriebs erforderliche Betriebsratsaufgaben nachgehe. Denn insoweit könnten entgegen der Auffassung des LAG auch bei einem freigestellten Betriebsratsmitglied Interessen des Arbeitgebers berührt sein. Dieser habe ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, dass eines oder mehrere seiner freigestellten Betriebsratsmitglieder als Ansprechpartner für mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten vorübergehend nicht im Betrieb zur Verfügung stünden und wie lange mit ihrer Abwesenheit voraussichtlich zu rechnen sei, um sich im Bedarfsfall an andere freigestellte, ggf. auch an nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder binden zu können.

Zwar habe der Senat bereits entschieden, dass sich nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder ausnahmsweise dann nicht von der Betriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz ab- und danach wieder zurückmelden müssten, wenn es wegen der konkreten Umstände ihrer Tätigkeit nicht ernsthaft in Betracht komme, die Arbeitseinteilung umzuorganisieren, etwa weil die Betriebsratsaufgaben von dem Arbeitsplatz aus erledigt werden könnten. Das Bundesarbeitsgericht habe in seiner Entscheidung vom 29.06.2011 – 7 ABR 135/09 – zwar entschieden, dass in einem solchen Fall die Interessen des Arbeitgebers auch dadurch gewahrt würden, dass das Betriebsratsmitglied die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum versehenen Betriebsratstätigkeit nachträglich mitteile. In dem in Rede stehenden Fall gehe es aber nicht um die Erforderlichkeit der Umorganisation einer Arbeitseinteilung, um die Dauer einer Betriebsratstätigkeit zu überbrücken, sondern darum, dass ein Betriebsratsmitglied vorübergehend im Betrieb nicht anwesend sei und deshalb als Ansprechpartner nicht zur Verfügung stehe. Dem Interesse des Arbeitgebers, sich im Voraus auf die Abwesenheit von freigestellten Betriebsratsmitgliedern vom Betrieb einstellen zu können, könne durch eine nachträgliche Mitteilung der Abwesenheitszeiten ebenso wenig Rechnung getragen werden wie dadurch, dass der Vorsitzende des Betriebsrats oder alle freigestellten Mitglieder über ein dienstliches Mobiltelefon verfügen.

Allerdings habe die Arbeitgeberin kein berechtigtes Interesse daran, dass die nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellten Mitglieder des Betriebsrates den Ort der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit vor dem Verlassen des Betriebs bekannt geben. Die Arbeitgeberin benötige diese Information nicht, um während der Abwesenheit der freigestellten Betriebsratsmitglieder Dispositionen treffen zu können. Diese Angabe könne zwar geboten sein, wenn das Betriebsratsmitglied den Arbeitgeber auf die Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit der außerhalb des Betriebs wahrgenommenen Betriebsratstätigkeit in Anspruch nehme, um es dem Arbeitgeber zu ermöglichen, die Erforderlichkeit der außerhalb des Betriebs wahrgenommenen Betriebsratsaufgaben prüfen zu können. Dazu genüge es jedoch, wenn der Arbeitgeber nachträglich über den Ort und ggf. über weitere Einzelheiten der Betriebsratstätigkeit in Kenntnis gesetzt werde.

Bewertung der Entscheidung:

Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Die Entscheidung kann unseres Erachtens weitgehend als Vorlage für die Erstellung einer entsprechenden Dienstanweisung genutzt werden.

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