Arbeitsrecht

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Altersdiskriminierung bei der Urlaubsdauer

Eine Urlaubsstaffelung, die die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, kann gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam sein, wenn sie sachlich nicht nach §§ 8,10 AGG gerechtfertigt ist. Das kann für die benachteiligten jüngeren Arbeitnehmer zu einer Anpassung des Urlaubsanspruchs „nach oben“ und damit dazu führen, dass die Regelungen für die älteren nicht benachteiligten Arbeitnehmer auch auf die benachteiligten jüngeren Arbeitnehmer anzuwenden sind.

Bundesarbeitsgericht, 15.11.2016, – 9 AZR 534/15 –

Sachverhalt und Entscheidung:

Der seit 2010 im Betrieb der Arbeitgeberin geltende Tarifvertrag sah für die Zeit bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres eine Urlaubsdauer von 28 Arbeitstagen, für die Zeit ab Vollendung des 50. Lebensjahres eine Urlaubsdauer von 30 Arbeitstagen für die Arbeitnehmer vor. Die am 21.09.1983 geborene Klägerin, der in den Jahren 2013 und 2014 jeweils 28 Urlaubstage gewährt worden waren, machte für das Jahr 2014 die Gewährung von 30 Urlaubstagen geltend, was die Arbeitgeberin unter Hinweis auf die Regelungen im Tarifvertrag ablehnte. Die Klägerin begründet ihre begehrte Feststellung, dass ihr über 28 Urlaubstage hinaus jährlich 2 weitere Urlaubstage zustehen damit, dass die tarifliche altersbezogene Urlaubsstaffelung eine unzulässige Diskriminierung wegen Alters gem. §§ 1,7 AGG darstelle.

Die beklagte Arbeitgeberin begründet ihre Klageabweisung damit, die Begünstigung älterer Mitarbeiter sei gerechtfertigt. Diese seien schutzbedürftiger als jüngere Beschäftigte. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Feststellungsklage der Klägerin abgewiesen. Auf die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichtes aufgehoben und festgestellt, dass der Klägerin über 28 Urlaubstage hinaus jährlich 2 weitere Urlaubstage zustehen.

Die tarifliche Urlaubsstaffelung enthalte eine auf dem Merkmal des Alters beruhende unmittelbare Benachteiligung jüngerer Mitarbeiter wegen des Alters, denn sie knüpfe unmittelbar an das Alter an. Die Ungleichbehandlung stelle weder eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderung dar, noch sei sie nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

Da die Urlaubsstaffelung von vorneherein nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung anknüpfe, sondern vielmehr davon unabhängig die Geltung für alle Mitarbeiter beanspruche, scheide von vorneherein eine Bewertung dieser Vorschrift nach § 8 AGG aus.

Die Ungleichbehandlung sei aber auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Es genüge nämlich nicht, wenn ein Arbeitgeber allgemein geltend mache, die nach Alter differenzierende Urlaubsstaffelung diene dem Schutz älterer Menschen. Vielmehr bedürfe es eines substantiierten Sachvortrages, aus dem sich konkret ergebe, dass mit der Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel i.S.d. § 10 AGG erreicht werden solle. Fehle es an einem solchen Vortrag, könne die Diskriminierung der jüngeren Mitarbeiter nur dadurch beseitigt werden, dass für sie ebenfalls die Regelungen gelten, die für die nicht benachteiligten älteren Mitarbeiter Geltung beanspruchen.

Bewertung der Entscheidung:

Bei der Regelung einer nach Alter differenzierenden Urlaubsstaffelung wird zukünftig dargetan werden müssen, aufgrund welcher konkreter Umstände anzunehmen ist, dass bei sämtlichen Arbeitnehmern, die ein bestimmtes Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von ihrer ausgeübten Tätigkeit ein gegenüber anderen Arbeitnehmern erhöhtes Erholungsbedürfnis vorliegen soll, dem durch den höheren Urlaubsanspruch Rechnung getragen werden soll. Allein der Hinweis auf Erfahrungssätze, wonach in Folge einer Abnahme der physischen Belastbarkeit bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, generell von einem erhöhten Urlaubsbedürfnis und einer längeren Regenerationszeit auszugehen ist, existieren auch nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in dieser Allgemeinheit nicht. Die Abnahme körperlicher Fähigkeiten, die auch altersbedingt sein kann, bedeutet nach Auffassung des Gerichts nicht, dass diese unabhängig vom Berufsbild zu einem im bestimmten Umfang erhöhten Erholungsbedürfnis führt, zudem an bestimmten Altersstufen festgemacht werden könnte.

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