Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Anforderung an eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit

Beinhaltet eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit nicht mindestens Regelungen über Beginn und Dauer der Kurzarbeit, Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie der Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer, ist sie unwirksam und schränkt die Arbeitspflicht der von einer Anordnung der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer nicht ein.

BAG, Urteil vom 18.11.2015 – 5 AZR 491/14 –

Sachverhalt und Entscheidung:

In dem Rechtsstreit ging es um einen Streit über die Vergütung wegen Annahmeverzugs für Zeiten der Kurzarbeit. Nachdem die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit“ – im Folgenden: BV Kurzarbeit – geschlossen hatte, ordnete sie in der Zeit vom 11.03. bis zum 21.12.2012 u.a. für den Kläger Kurzarbeit an mit der Folge, dass für den Kläger dadurch insgesamt 385 Arbeitsstunden entfielen. Die BV Kurzarbeit hatte nachstehenden Inhalt:

„Präambel

Ziel der Einführung von Kurzarbeit ist es, Entlassungen zu vermeiden. Die Geschäftsleitung wird die Produktion so verteilen, dass der Zweck der Kurzarbeit, nämlich die Reduzierung der Produktionsmenge an den verringerten Absatz, nicht gefährdet wird.

§ 1 Beginn und Dauer

In der Zeit vom 11.03.2011 bis zum 31.12.2011 wird Kurzarbeit im ganzen Betrieb eingeführt.

§ 2 Geltungsbereich

Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Von der Kurzarbeit ausgenommen werden:

  1. Auszubildende und Studierende in dualen Studiengängen
  2.  Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis während des Kurzarbeitszeitraums aufgrund Kündigung oder Aufhebungsvertrag endet
  3. Schwangere Frauen und werdende Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen werden, …
  4. Geringfügig Beschäftigte
  5. Arbeitnehmer, bei denen die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht vorliegen …
  6. Die Beschäftigten, die von der Geschäftsführung aufgrund ihrer Aufgabenstellung ausgenommen werden müssen.

 § 3 Ausfallzeiten

  1. Die Kurzarbeit erfolgt flexibel und wird an den Arbeitsanfall in den jeweiligen Arbeitsbereichen angepasst. Die Planung erfolgt in den Abteilungen mit dem Vorgesetzten.
  2. Die Kurzarbeitertage der Mitarbeiter werden von den Vorgesetzten in die Urlaubsplanungsdatei mindestens eine Woche im Voraus eingetragen, so dass Geschäftsleitung und Betriebsrat zeitnah Einsicht nehmen können.“

Durch die auf der Grundlage dieser BV Kurzarbeit vom Arbeitgeber angeordnete Kurzarbeit minderte das dem Kläger für den Zeitraum der Kurzarbeit zustehende Bruttoentgelt um insgesamt 7.618,93 €. Der Kläger bezog für diesen Zeitraum Kurzarbeitergeld in Höhe von 2.814,37 € netto. Nachdem der Betriebsrat die Betriebsvereinbarung am 12.10.2011 fristlos gekündigt hatte, bot der Kläger der Beklagten seine Arbeitsleistung mit Schreiben vom 18.10.2011 „vollumfänglich per sofort“ an. Außerdem forderte der Kläger Nachzahlung der Differenz zwischen der vereinbarten und der tatsächlich bezogenen Vergütung unter Anrechnung des Kurzarbeitergeldes. Die Beklagte habe sich nämlich in Annahmeverzug befunden, weil die Betriebsvereinbarung unwirksam sei. Der Geltendmachung des Annahmeverzuges stehe nicht entgegen, dass der Kläger seine Arbeitsleistung der Beklagten nicht angeboten habe, da ein tatsächliches oder wörtliches Angebot entbehrlich gewesen sei. Jedenfalls aber habe er seine Arbeitsleistung mit Schreiben vom 18.11.2011 ausreichend angeboten. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.618,93 € brutto abzüglich 2.814,37 € netto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert, die Klage für den Zeitraum vom 11.03.-17.10.2011 abgewiesen und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Die Parteien haben ihre Anträge mit den zugelassenen Revisionen vergeblich weiterverfolgt. Der Kläger könne auch für den Zeitraum der Kurzarbeit von der Beklagten nach § 615 S. 1 BGB die Zahlung des vereinbarten Lohns verlangen. Die arbeitsvertraglich festgelegte Arbeitszeit bestimme den zeitlichen Umfang, in welchem der Arbeitnehmer berechtigt sei, Arbeitsleistungen zu erbringen und der Arbeitgeber verpflichtet sei, die Arbeitsleistung anzunehmen. Der Umfang der Arbeitspflicht des Klägers sei hier nämlich durch die BV Kurzarbeit nicht eingeschränkt worden, weil diese mangels Konkretisierung nicht wirksam sei. Allein das Direktionsrecht des Arbeitgebers sei kein geeignetes Instrument, die vertragliche Vergütungspflicht einzuschränken. Allerdings könne aufgrund der Regelung in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG Kurzarbeit durch eine Betriebsvereinbarung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für die einzelnen Arbeitnehmer eingeführt werden. Diese müsse aber die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten für den einzelnen Arbeitnehmer so deutlich regeln, dass sie für den Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen seien. Erforderlich seien mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer. Die BV Kurzarbeit genüge diesen Anforderungen nicht, weil der Arbeitgeber nach § 2 S. 2 Nr. 6 BV Kurzarbeit allein darüber entscheiden könne, welche Arbeitnehmer über die in § 2 S. 2 Nr. 1-5 BV Kurzarbeit hinaus wegen ihrer „Aufgabenstellung“ von der Kurzarbeit ausgenommen würden. Die Unbestimmtheit folge des Weiteren auch aus § 3 Abs. 2 BV Kurzarbeit, wonach die Vorgesetzten über die Anordnung der Kurzarbeit durch Aufnahme in die Urlaubsdatei der betroffenen Personen bestimmen können.

Die Beklagte sei für den Zeitraum 11.03.-17.10.2011 nur deshalb nicht in Annahmeverzug geraten, weil der Kläger seine Arbeitsleistung vor dem 18.10.2011 weder tatsächlich noch wörtlich angeboten habe, sondern der Arbeit nur widerspruchslos fern geblieben sei. Der Kläger hätte zumindest gegen die Anordnung der Kurzarbeit protestieren und damit seine Arbeitsleistung anbieten müssen, zuletzt BAG, 18.11.2015 – 5 AZR 814/14 – Rn. 51. Anders sei jedoch die Rechtslage für den Zeitraum vom 18.10.-31.12.2011. Durch die Einteilung des Klägers zur Kurzarbeit habe die Beklagte zu erkennen gegeben, in diesem Zeitraum jede weitere Arbeitsleistung des Klägers nicht annehmen zu wollen. Das wörtliche Angebot des Klägers mit seinem Schreiben vom 18.10.2011 sei deshalb ausreichend gewesen. Grundsätzlich komme der Arbeitgeber gem. § 293 BGB in Annahmeverzug, wenn er sie in einem erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht annehme. Dazu müsse der Arbeitnehmer in einem unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis die Arbeitsleistung gem. § 294 BGB tatsächlich anbieten. Ein wörtliches Angebot genüge gem. § 295 BGB, wenn der Arbeitgeber ihm erkläre, er werde die Leistung nicht annehmen oder sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen.

Würden die Parteien allerdings über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses streiten, genüge ein wörtliches Angebot, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung protestiere und/oder Bestandsschutzklage einreiche. Im Fall einer unwirksamen Kündigung sei ein Angebot regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich. Das sei ausnahmsweise auch dann der Fall, wenn offenkundig sei, dass der Arbeitgeber auf seine Weigerung, die geschuldete Arbeitsleistung anzunehmen, beharre, insbesondere wenn er durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet habe, zuletzt BAG, 18.11.2015 – 5 AZR 491/14 – Rn. 50 m.w.N..

Fazit:

Die Entscheidung des BAG zeigt, wie akribisch bei dem Entwurf einer BV Kurzarbeit vorgegangen werden muss. Die Erkenntnisse des BAG sind u.E. auch auf eine individuelle Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit zu übertragen. Insgesamt ist auch hier u.E. äußerste Vorsicht und präzises Vorgehen unter Zuhilfenahme anwaltlicher Beratung geboten.

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