Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Anforderungen an die unternehmerische Organisationsentscheidung im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung

Eine betriebsbedingte Kündigung setzt voraus, dass sich die unternehmerisch-organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers konkret und greifbar abzeichnet. Nicht erforderlich ist, dass die unternehmerische Organisationsentscheidung bereits bei Kündigungszugang umgesetzt ist.

BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 512/13

 

Sachverhalt und Entscheidung:

Der Kläger war seit dem 01.04.2007 als Hausmeister in einem von mehreren Pflegeheimen der Beklagten angestellt. Nachdem die Beklagte im März 2011 bei verschiedenen Drittfirmen Angebote über eine selbständige Erledigung der Hausmeisterdienste in dem vom Kläger betreuten Pflegeheim eingeholt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 29.06.2011 zum 31.12.2011. Bereits im September 2011 vergab sie die Tätigkeit an eine der Drittfirmen.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht hatten angenommen, die Beklagte habe ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht schlüssig dargelegt. Dem Vorbringen der Beklagten – so die Vorinstanzen – sei insbesondere nicht zu entnehmen gewesen, dass im maßgebenden Kündigungszeitpunkt eine Entscheidung zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste schon getroffen gewesen sei. Im Kündigungszeitpunkt habe die Entscheidung der Beklagten noch keine „greifbaren Formen“ angenommen.

Das BAG hat nun die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 20.11.2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht – so das BAG – habe an den Rechtsbegriff des „dringenden betrieblichen Erfordernisses“ überzogene Anforderungen gestellt.

Das BAG hat festgestellt, dass „dringende betriebliche Erfordernisse“ i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG auch dann vorliegen, wenn die Umsetzung der unternehmerischen Organisationsentscheidung spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führe. Diese Prognose müsse bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein.

Hänge der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer unternehmerischen Organisationsentscheidung des Arbeitgebers ab, brauche diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genüge insoweit, dass sie sich konkret und greifbar abzeichne. Dazu müssten zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Anderenfalls lasse sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht hinreichend sicher prognostizieren, ob es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen werde. Nicht erforderlich sei, dass die unternehmerische Organisationsentscheidung bereits vor Zugang der Kündigung vollständig umgesetzt sei.

Der Arbeitgeber – so das BAG – habe grundsätzlich diejenigen tatsächlichen Grundlagen vorzutragen und zu beweisen, die seine Prognose, wonach der Beschäftigungsbedarf spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist entfallen werde, rechtfertigen. Dazu gehöre auch der im Zeitpunkt des Kündigungszugangs getroffene endgültige Entschluss zur Durchführung der unternehmerischen Organisationsentscheidung.

 

Bewertung der Entscheidung:

Das BAG hat mit seinem Urteil vom 20.11.2014 seine Rechtsprechung zu dem Rechtsbegriff der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG präzisiert. Damit trägt das BAG der unternehmerischen Wirklichkeit Rechnung, dass Organisationsentscheidungen, die zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen führen, mitunter erst im Laufe der Kündigungsfrist tatsächlich umgesetzt werden. Insbesondere bei langen Kündigungsfristen ist dies häufig der Fall. In einem solchen Fall kann vom Arbeitgeber – wie das BAG zutreffend feststellt – nicht verlangt werden, schon im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Organisationsentscheidung vollständig umgesetzt zu haben.

 

Praxisfolgen:

Arbeitgeber sind grundsätzlich gut beraten, die unternehmerischen Organisationsentscheidungen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen, sorgfältig zu treffen und zu dokumentieren. Bereits im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs muss feststehen, dass der Arbeitsbedarf zukünftig wegfallen wird. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt die jeweilige Maßnahme noch nicht vollständig umgesetzt ist, muss zumindest der Wille und die Absicht des Arbeitgebers schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Dies ist in einem möglichen Arbeitsgerichtsprozess vom Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen.

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