Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Anrechnung von Zwischenverdienst während des Annahmeverzugs – Gesamtberechnung

Bei der erforderlichen Gesamtberechnung bezüglich der Anrechnung von Zwischenverdienst während des Annahmeverzuges muss sich der Arbeitnehmer nach § 615 S. 2 BGB nur das anrechnen lassen, was er in der Arbeitszeit erwarb, in der er bei dem Annahmeverzugsschulder verpflichtet gewesen wäre. Die von ihm anderweitig bezogene Vergütung für darüber hinaus erbrachte Arbeitsleistungen ist in die Gesamtabrechnung  nicht einzubeziehen.

BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 5 AZR 425/15 –

Sachverhalt und Entscheidung:

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der bei ihr 12 Stunden wöchentlich beschäftigten Arbeitnehmerin zum 31.12.2011. Nachdem die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben hatte, stellte das BAG das Zustandekommen und den Inhalt eines zwischen den Parteien geschlossenen Vergleiches fest, in dem u.a. geregelt war, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2013 beendet worden war. Die Beklagte verpflichtete sich in diesem Vergleich ferner, das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt nach näherer Maßgabe des Vergleiches abzurechnen. Die Klägerin war seit dem 01.01.2012 in einem anderweitigen Arbeitsverhältnis wöchentlich 17 Stunden beschäftigt. Die Beklagte berechnete den Vergütungsanspruch der Klägerin während Annahmeverzugs für das Jahr 2012 mit 13.846,80 € brutto und für das Jahr 2013 mit 13.839,31 € brutto. Da die Klägerin im neuen Arbeitsverhältnis im Jahre 2012 Vergütung in Höhe von 14.947,57 € brutto und im Jahr 2013 in Höhe von 15.593,63 brutto bezogen hatte, lehnte die Beklagte eine Zahlung unter Hinweis auf die Anrechnung dieser Vergütung nach § 615 S. 2 BGB insgesamt ab. Die Klägerin erhob deshalb Klage und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.127,61 € brutto mit der Begründung zu zahlen, dass der Vergütungsanteil, den sie wegen der neuen längeren Arbeitszeit bezogen habe, nicht anrechnungsfähig sei. Damit war sie in allen 3 Instanzen erfolgreich. Das BAG wies die vom LAG zugelassene Revision mit der Begründung zurück, dass dahinstehen könne, ob eine Auslegung des zwischen den Parteien getroffenen Prozessvergleichs die Anrechnung von Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch gem. § 615 S. 2 BGB ausschließe, weil der in der Revision noch streitige Teil der Forderung unabhängig davon keiner Anrechnung unterliege. Nach § 615 S. 2 sei auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs u.a. das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Dienste verdient habe. Da die Parteien im Streitfall eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2013 durch Prozessvergleich geregelt hätten, fehle es an einer Entscheidung des Gerichts zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 11 KschG, weshalb diese Norm als Anrechnungsvorschrift ausscheidet.

Allerdings müsse sich die Klägerin nach § 615 S. 2 BGB nicht den gesamten von ihr erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen. Anzurechnen sei nur derjenige Zwischenverdienst, den sie während der Arbeitszeit erzielt habe, in der sie im Annahmeverzugszeitraum bei der Beklagten hätte Arbeitsleistung erbringen müssen. Die Gesamtberechnung dürfte sich nicht ausschließlich an der Höhe der Vergütung orientieren, sondern müsse auch die gegenüber der Beklagten geschuldete Arbeitszeit berücksichtigen.

Der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers sei auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen und nicht nur auf die Vergütung für den Zeitabschnitt, in dem der anderweitige Erwerb gemacht wurde. Für die erforderliche Vergleichsberechnung (Gesamtberechnung) sei die Vergütung für die in Folge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dieser Gesamtvergütung sei gegenüber zu stellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig erworben habe. Anzurechnen sei ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwerbe, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Gegenüberzustellen sei damit der Vergütungsanspruch für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren und der Verdienst, den der Arbeitnehmer in dieser Zeit anderweitig erworben habe. Also sei Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspreche. Es sei dann anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde, zuletzt BAG, 06.09.1990 – 2 AZR 165/90 -.

Demnach müsse sich die Klägerin nur das anrechnen lassen, was sie in der Arbeitszeit erworben habe, in der sie bei der Beklagten zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre. Die bezogene Vergütung für darüber hinaus erbrachte Arbeitsleistung sei nicht in die Gesamtberechnung einzubeziehen. Anrechenbar sei somit nicht der anderweitige Verdienst für 17, sondern lediglich für 12 Wochenstunden. Damit verbleibe zu Gunsten der Klägerin der eingeklagte Anspruch.

Bewertung der Entscheidung:

Bei der Frage der Anrechnung von Zwischenverdienst soll der Arbeitnehmer keine Nachteile erleiden. Er soll so gestellt werden, als ob das Arbeitsverhältnis normal weitergeführt worden wäre. Zum Zwecke der dafür erforderlichen Vergleichsberechnung (Gesamtberechnung) ist daher zunächst die Vergütung für die in Folge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dieser Vergütung gegenüberzustellen ist das, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig verdient hat. Relevant ist diese Position dann, wenn der anderweitige Verdienst in einzelnen Zeitabschnitten den Annahmeverzugslohn übersteigt, in anderen Zeitabschnitten aber niedriger oder nicht vorhanden ist. Diese Rechtsprechung will erreichen, dass der sich vertragswidrig verhaltene Arbeitgeber auf keinen Fall einen Vorteil daraus erzielt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zeitweise besser verkauft. Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer in jedem Zeitabschnitt des Verzugs einen höheren Verdienst hat. In diesem Zusammenhang stellt die Entscheidung des BAG u.E zutreffend klar, dass nach § 615 S. 2 BGB Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen ist, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht.

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