Arbeitsrecht

Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung und Arbeitsvergütung ohne vorherigen Corona-Test?

Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Offenbach im einstweiligen Verfügungsverfahren hat der Arbeitnehmer in dem entschiedenen Fall keinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, wenn er den vom Arbeitgeber geforderten vorherigen Corona-Test verweigert.

Vgl. Arbeitsgericht Offenbach, Urteil vom 04.02.2021, 4 Ga 1/21 (juris)

Die Entscheidung:

Der Arbeitnehmer ist als Staplerfahrer in der von der Arbeitgeberin betriebenen Gießerei beschäftigt. Er arbeitet in einer Produktionshalle, in welcher über mehrere Tage gesehen jeder Mitarbeiter mit jedem anderen Arbeitskollegen Kontakt hat. Mit E-Mailschreiben teilte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern mit, dass diese nur mit einem negativen Corona-Test Zutritt auf das Firmengelände erhalten und schloss mit dem Betriebsrat eine entsprechende Betriebsvereinbarung über die Einführung von Corona-Schnelltests ab. Nach dieser Betriebsvereinbarung kann die Arbeitgeberin verlangen, dass sich alle oder einzelne Mitarbeiter bei begründetem Verdacht oder bei deutlich erhöhtem Risiko, dass sich die Mitarbeiter im Betrieb anstecken könnten, vor Arbeitsbeginn einem Corona-Schnelltest unterziehen. Nach der Betriebsvereinbarung soll ein solches erhöhtes Risiko beispielsweise vorliegen, wenn in dem Landkreis, in dem der Betrieb liegt, nach den Veröffentlichungen des RKI im Durchschnitt von sieben Kalendertagen mehr als 200 Personen je 100.000 Einwohner dieses Landkreises infiziert wurden.

Der Arbeitnehmer beantragte im einstweiligen Verfügungsverfahren, die Arbeitgeberin zu verurteilen, ihm bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den Zugang zum Werksgelände zu gestatten, ohne dass er zuvor einen negativen Corona-Test vorlegen muss. Das Arbeitsgericht Offenbach hat in erster Instanz diesen Antrag des Arbeitnehmers mangels Vorliegen eines Verfügungsgrundes zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat zunächst ausgeführt, dass die Anordnung der Arbeitgeberin, sich einem Corona-Schnelltest zu unterziehen, die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts darstelle und ein Arbeitnehmer, welcher einen Beschäftigungsanspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren nach einer umstrittenen Ausübung des Direktionsrechts geltend mache, grundsätzlich der Anweisung unter Vorbehalt der Überprüfung zunächst Folge leisten und deren Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren überprüfen lassen könne. Der Arbeitnehmer könne sich aber auch unter Inkaufnahme der Risiken weigern, der Anweisung Folge zu leisten. Zu seiner Absicherung könne der Arbeitnehmer aber keine einstweilige Verfügung erwirken, da eine solche lediglich eine gutachterliche Stellungnahme zur Berechtigung der Arbeitsverweigerung darstelle.

Sodann nimmt das Arbeitsgericht jedoch auch zur Sache Stellung. Die Anordnung der Arbeitgeberin, vor Zutritt zum Werksgelände einen negativen Corona-Test vorzulegen, sei nicht offenkundig rechtswidrig. Der Arbeitgeber habe gem. § 618 Abs. 1 BGB sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leib und Gesundheit soweit geschützt seien, als die Natur der Dienstleistung es gestatte. Die entsprechende öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers ergebe sich aus § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG. Nach dieser Vorschrift müsse der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Umstände, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen. Die genannte Anordnung der Arbeitgeberin diene dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer, weil sie eine Ansteckung der Mitarbeiter im Betrieb vermeiden solle. Die maßgebliche Regelung der Betriebsvereinbarung sei auch nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Die Durchführung von Corona-Schnelltests sei geeignet, um den Nachweis einer Infektion zu erbringen. Die Testung sei auch nicht offensichtlich unangemessen und das Übermaßverbot sei gewahrt, wenn die Regelung bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der rechtfertigenden Gründe für den Betroffenen noch zumutbar sei. Erforderlich sei eine umfassende Abwägung der betroffenen Belange. Die für die Testung angeführten Gründe des Gesundheitsschutzes seien beachtlich. Dagegen seien die Beeinträchtigungen durch den Schnelltest von kurzer Dauer und niederschwelliger Intensität. Es sei nicht eindeutig feststellbar, dass andere Maßnahmen gleich geeignet seien. Erginge die einstweilige Verfügung, könnten durch den dadurch möglichen Zutritt des Klägers ohne negativen Corona-Test auf das Werksgelände hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben der dort tätigen anderen Personen gefährdet werden.

Hinweis für die Praxis:
Zwar enthält die Arbeitsschutzverordnung lediglich die Verpflichtung für Arbeitgeber, den Arbeitnehmern 2 Mal pro Woche einen Corona-Schnelltest anzubieten, aber keine Verpflichtung für die Arbeitnehmer, diese Testangebote auch wahrzunehmen. Aus der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers könnte sich jedoch unter Abwägung der gegenseitigen Interessen und unter Beachtung der konkreten Situation im Einzelfall möglicherweise eine solche Testpflicht für Arbeitnehmer ergeben.

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