Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen nach Verschiebung der Arbeitszeit

Ein Betriebsratsmitglied, das außerhalb der Nachtstunden seiner Betriebsratstätigkeit nachgeht, hat auch dann nach § 37 Abs. 2 BetrVG keinen Anspruch auf Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen, wenn er vor Aufnahme der Betriebsratstätigkeit Nachtarbeit geleistet hat und sein Arbeitsbeginn anlässlich der Amtsübernahme einvernehmlich auf den Zeitraum außerhalb der festgelegten Nachtarbeitsstunden verschoben wurde.

BAG, Urteil vom 18.05.2016 – 7 AZR 401/14 – juris.

Sachverhalt und Entscheidung

Der Kläger war bei der Beklagten als Mitarbeiter in deren Logistikabteilung in Vollzeit beschäftigt. Nach dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses galt der Zeitraum von 19.30 Uhr bis 06.00 Uhr als zuschlagspflichtige Nachtarbeitszeit. Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers in der Logistikabteilung begann um 04.00 Uhr, sodass der Kläger für den Zeitraum von jeweils 04.00 Uhr bis 06.00 Uhr täglich Anspruch auf Nachtzuschlag hatte. Nachdem der Kläger zum Betriebsratsvorsitzenden bei der Beklagten gewählt wurde, vereinbarten die Betriebspartner, dass der Kläger täglich 3,5 Stunden in der Zeit von 11.00 Uhr bis 14.30 Uhr von seiner beruflichen Tätigkeit zur Durchführung von Betriebsratstätigkeit freigestellt wurde. Gleichzeitig wurde der Arbeitsbeginn des Klägers mit seinem Einverständnis auf 06.00 Uhr verschoben, um den Mitarbeitern eine bessere Kontaktaufnahmemöglichkeit zum Kläger während dessen Arbeitszeit zu ermöglichen.

 

Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte sei zur Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen für jeweils 2 Stunden pro Arbeitstag verpflichtet, weil die durch die Betriebsratstätigkeit bedingte Verlagerung seiner Arbeitszeit nicht zur Minderung seines Arbeitsentgelts führen dürfe. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, änderte das vom Kläger angerufene Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung teilweise ab und verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen an den Kläger. Auf die von der Beklagten eingelegte Revision hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt.

 

§ 37 Abs. 2 BetrVG verpflichtet zwar den Arbeitgeber, die Mitglieder des Betriebsrates von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich sei. § 37 Abs. 2 BetrVG begründe aber keinen eigenständigen Vergütungsanspruch sondern sichere den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitglieds aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag sowie dem ggf. anzuwendenden Tarifvertrag lediglich ab, in dem er dem Arbeitgeber den Einwand des nicht erfüllten Vertrags nehme. Das gesetzliche Verbot der Entgeltminderung für Betriebsratstätigkeit solle die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Übernahme eines Betriebsratsamts fördern, in dem es ihm die Befürchtung nehme, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung eines Ehrenamts zu erleiden. Diese für alle Betriebsratsmitglieder unabhängig von einer etwaigen Freistellung nach § 38 BetrVG geltende Vorschrift konkretisiere hinsichtlich der Vergütung das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG. Dieses Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts bedeute aber lediglich, dass dem Betriebsratsmitglied das Arbeitsentgelt weiter zu zahlen sei, das er verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte. Zum Arbeitsentgelt i.S.v. § 37 Abs. 2 BetrVG gehörten alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz. Zu dem Arbeitsentgelt zählten neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit; diese Arbeitsentgelte würden für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten gewährt. Sie dient nicht dem Ersatz von tatsächlichen Mehraufwendungen, die dem Arbeitnehmer bei der Erbringung der Arbeitsleistung entstünden.

 

Deshalb stünde dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen für die Zeiträume zu, in denen er der Betriebsratsarbeit nachgegangen sei. Zwar zähle der Nachtarbeitszuschlag zum Arbeitsentgelt i.S.v. § 37 Abs. 2 BetrVG. Allerdings wäre ein solcher Nachtarbeitszuschlag bei dem Kläger in der Zeit seiner Arbeitsbefreiung nicht angefallen. Er hätte keine Nachtarbeitszuschläge erhalten, wenn er nicht von seiner beruflichen Tätigkeit zur Durchführung von Betriebsratsaufgaben freigestellt gewesen wäre, sondern gearbeitet hätte. Zwar rege § 37 Abs. 4 S. 1 und S. 2 BetrVG an, dass das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden dürfte als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Allerdings stelle § 37 Abs. 4 BetrVG keine Bemessungsvorschrift für den Anspruch aus § 37 Abs. 2 BetrVG dar. Die Bestimmung des § 37 Abs. 4 BetrVG regele einen anderen Sachverhalt als § 37 Abs. 2 BetrVG. Während § 37 Abs. 4 BetrVG einem Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Erhöhung seines Entgelts in dem Umfang gewähre, in dem das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung steige, regele § 37 Abs. 2 BetrVG die Fortzahlung des – vereinbarten – Arbeitsentgelts für die Dauer der Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben.

 

Die Nichtgewährung der begehrten Nachtarbeitszuschläge verstoße auch nicht gegen § 78 S. 2 BetrVG, weil die Beklagte den Kläger nicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern der Abteilung Logistik benachteiligt habe. Sie gewähre dem Kläger zwar – anders als den anderen Arbeitnehmern dieser Abteilung – in dem Zeitraum seiner Betriebsratstätigkeit keine Nachtarbeitszuschläge. Diese Schlechterstellung sei jedoch dadurch gerechtfertigt, dass der Kläger in Folge der einvernehmlichen Verschiebung seiner Arbeitszeit in der Zeit seiner Betriebsratstätigkeit keine Nachtarbeit leiste. Insofern war der Kläger mit den anderen Arbeitnehmern der Abteilung Logistik nur nicht vergleichbar. Er war – anders als seine Kollegen in der Logistikabteilung – nicht den Erschwernissen unterworfen, welche durch die Gewährung der Nachtarbeitszuschläge kompensiert werden sollen. Vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder erhielten Nachtarbeitszuschläge, solange sie ohne ihre Freistellung Nachtarbeit zu leisten hätten.

Bewertung der Entscheidung:

Die Entscheidung des BAG gilt nicht nur für Nachtarbeitszuschläge sondern – wie das BAG ausdrücklich hervorhebt – auch für die Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeiten. Geht danach ein Betriebsratsmitglied außerhalb der Nacht-, Sonn- und/oder Feiertagsarbeitsstunden seiner Betriebsratstätigkeit nach, hat es nach § 37 Abs. 2 auch dann keinen Anspruch auf Gewährung dieser Zuschläge, wenn sein Arbeitsbeginn anlässlich der Amtsübernahme einvernehmlich auf einen Zeitraum außerhalb der festgelegten Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeitsstunden verschoben wurde. Kommt es in Folge der Amtsübernahme des Arbeitnehmers dazu, dass Mehr – bzw. Überarbeit nicht mehr anfällt, besteht auch hinsichtlich dieser Zuschläge kein Anspruch nach § 37 Abs. 2 BetrVG.

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