Nach einer klarstellenden Entscheidung des nunmehr für Fragen des Annahmeverzuges zuständigen 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts und einer Änderung der Rechtsprechung hat der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer, welcher Vergütung wegen Annahmeverzug fordert, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge. Dieser Auskunftsanspruch kann auch im Wege der Widerklage einer Vergütungsklage des Arbeitnehmers entgegengesetzt werden.
– Vgl.: BAG, Urteil vom 27.05.2020, 5 AZR 387/19 –
Sachverhalt:
Dem besprochenen Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war langjährig bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger seit 2011 mehrere Kündigungen aus, die sämtlichst vom Kläger erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen worden waren. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand fort. Die Beklagte hatte allerdings in Folge der letztlich von den Arbeitsgerichten für unwirksam befundenen Kündigungen an den Kläger mehrere Jahre keine Vergütung gezahlt. Der Kläger erhob Vergütungsklage wegen Annahmeverzuges der Beklagten unter Anrechnung von ihm bezogenen Arbeitslosengeldes bzw. Arbeitslosengeld-II-Bezügen. Die Beklagte erhob in diesem Prozess den Einwand, der Kläger habe es böswillig unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen, was der Kläger bestritt. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte im Wege einer Widerklage vom Kläger Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter im Annahmeverzugszeitraum unterbreiteten Vermittlungsangebote verlangt, um ihren Vortrag dahingehend, der Kläger habe böswillig anderweitigen Verdienst zu erzielen unterlassen, weitergehend konkretisieren zu können. Der Kläger hat Abweisung der Widerklage beantragt.
Die Entscheidung des BAG:
Mit seinem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und ausgeführt, dass der Kläger zu Recht verurteilt worden ist, dem beklagten Arbeitgeber Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge zu erteilen. Das Bundesarbeitsgericht hat ferner bestätigt, dass dieser Auskunftsanspruch der Beklagten vor einer Entscheidung des vom Kläger angestrengten Vergütungsprozesses durch Teilurteil zulässig entschieden worden ist.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich zunächst mit prozessualen Problemen eines Teilurteils, welches auf die Widerklage des Arbeitgebers hin erging, befasst. Das Bundesarbeitsgericht hat zum einen die Widerklage für zulässig, zum anderen auch die Entscheidung hierüber durch Teilurteil für prozessual zulässig gehalten.
Das Bundesarbeitsgericht hat sodann ausgeführt, dass grundsätzlich der Arbeitgeber nach unwirksamer Kündigung dem Arbeitnehmer die vertraglichen Entgeltansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges aus § 615 S. 1 i.V.m. § 611 a Abs. 2 BGB schuldet. Diesem Anspruch konnte die Beklagte im Wege der Einwendung entgegensetzen, dass der Kläger anderweitigen Verdienst erzielt oder die Erzielung anderweitigen Verdienstes böswillig unterlassen hat. In Höhe des anderweitig erzielten oder böswillig unterlassenen Verdienstes erfolgt eine Anrechnung auf den Annahmeverzugslohnanspruch, für welche allerdings die in Anspruch genommene Arbeitgeberin, hier die Beklagte, darlegungs- und beweisbelastet ist. Wenn eine gewissen Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass dem klagenden Arbeitnehmer Vermittlungsvorschläge von der Agentur für Arbeit über das Jobcenter gemacht worden sind, ist er nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen einer vertraglichen Nebenpflicht nach Treu und Glauben verpflichtet, dem Arbeitgeber Auskunft über etwaige Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters zu machen, damit dieser ggf. die Einwendung des böswilligen Unterlassens der Erzielung anderweitigen zumutbaren Verdienstes näher konkretisieren kann. Da im Streitfall der Kläger gezahltes Arbeitslosengeld bereits von den Annahmeverzugslohnansprüchen in Abzug gebracht hatte, lag hier nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts allein aus diesem Grund eine Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass dem Kläger Vermittlungsvorschläge durch die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter unterbreitet worden waren. Dies hat das Bundesarbeitsgericht zutreffend aus den gesetzlichen Verpflichtungen der Agentur für Arbeit und des Jobcenters hergeleitet, welche aufgrund der vom Kläger angegebenen Arbeitslosigkeit bestanden. Da die Beklagte auch nicht auf anderem Wege aufgrund des bestehenden Sozialgeheimnisses Auskunft von der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter erlangen konnte, hat das Bundesarbeitsgericht in Abkehr von früherer Rechtsprechung nunmehr einen Auskunftsanspruch des Arbeitgebers bejaht. Ausdrücklich hat das Bundesarbeitsgericht des Weiteren noch darauf verwiesen, dass nach seiner Auffassung bei einer entsprechenden Behauptung des Arbeitgebers im Annahmeverzugslohnprozess der Arbeitnehmer sich im Wege der sekundären Darlegungslast zutreffend und vollständig über etwaig ihm durch die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter unterbreitete Vermittlungsangebote zu erklären hat.
Bewertung der Entscheidung:
Die weitgehend unbeachtet gebliebene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist für Arbeitgeber, die im Kündigungsschutzprozess unterlegen sind, sehr positiv. Denn durch die Auskunftsverpflichtung des Arbeitnehmers wird unter Umständen dem Arbeitgeber jedenfalls substantiierter Vortrag dahingehend ermöglicht, der Arbeitnehmer habe – bei Vorliegen von Vermittlungsangeboten der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters – diese bewusst nicht angenommen und so die Erzielung zumutbaren anderweitigen Verdienstes böswillig unterlassen. In einem solchen Fall ist der böswillig unterlassene Verdienst auf den Annahmeverzugslohnanspruch anzurechnen. Für Arbeitnehmer dürfte die mitunter zu beobachtende Vorgehensweise, sich mit den Vermittlungsangeboten des Jobcenters oder der Agentur für Arbeit in Erwartung der vollen Entgeltzahlung in Form von Annahmeverzugslohn durch den kündigenden Arbeitgeber nicht ernsthaft zu beschäftigen, gefahrträchtiger werden.
Aus Arbeitgebersicht ist die Entscheidung zu begrüßen.
Folgen für die Praxis:
Für die Praxis sollte die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Anlass sein, das Auskunftsverlangen bei Annahmeverzugslohnstreitigkeiten immer auszubringen. In unglücklich verlaufenden Kündigungsschutzprozessen bei fristlosen Kündigungen oder bei ordentlichen Kündigungen, wenn die Kündigungsfrist abgelaufen ist, sollte taktisch die Frage von Vermittlungsangeboten der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters bereits im laufenden Kündigungsschutzprozess aufgeworfen werden und ggf. Auskunft verlangt werden, um so unter Umständen zu einem wirtschaftlich vernünftigen Vergleich zu kommen.