Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Beim Abschluss eines Vergleichs besser zweimal hinschauen!

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO festgestellter Vergleich kein gerichtlicher Vergleich i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ist, der geeignet ist, die Befristung eines Arbeitsvertrags zu rechtfertigen. (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.02.2012, 7 AZR 734/10).

 

Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung am 31. Juli 2009 geendet hat. Die Klägerin war bei dem beklagten Freistaat seit dem 1. August 2002 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft angestellt. Die mit Vertrag vom 7. Mai 2007 vereinbarte (vorletzte) Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008 griff die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Zwickau mit einer Befristungskontrollklage an. Mit Beschluss vom 27.08.2008 stellte das Arbeitsgericht Zwickau fest, dass zwischen den Parteien ein Vergleich des Inhalts zustande gekommen ist, dass die Klägerin ab dem 25.08.2008 befristet bis zum 31.07.2009 (§ 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG) als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft beschäftigt wird. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Befristung unwirksam ist. Sie beruhe nicht i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG auf einem gerichtlichen Vergleich. Insbesondere habe das Arbeitsgericht nicht – wie für den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG gefordert – ordnungsgemäß am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt. Ein vom Arbeitsgericht nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO lediglich protokollierter Vergleichsschluss gebe keinen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ab.

 

Das Arbeitsgericht Zwickau hat die Entfristungsklage der Klägerin abgewiesen. Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin beim höchsten deutschen Arbeitsgericht hatte Erfolg und führte zu der Feststellung, dassdas zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung zum 31. Juli 2009 beendet worden ist.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die an einen gerichtlichen Vergleich i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt seien. Ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO geschlossener Vergleich unterfalle – anders als ein Vergleich gem. § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 ZPO – nicht § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Dabei stellt das BAG maßgeblich auf den hinter 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG stehenden Sinn und Zweck der Regelung ab. Danach sei die Möglichkeit des Gerichts, auf den Inhalt des Vergleichs unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers Einfluss zu nehmen, bei § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO schon durch die Verfahrensgestaltung begrenzt, denn das Gericht habe in dem Fall, in dem die Parteien ihm einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten, dessen Zustandekommen und Inhalt – abgesehen von Verstößen gegen Strafgesetze oder gegen §§ 134, 138 BGB – nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO nur noch festzustellen. Im Rahmen eines Vergleichsschlusses gem. § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO könne das Arbeitsgericht hingegen auf den Vergleichstext Einfluss nehmen und so an dem Vergleichsschluss ordnungsgemäß i.S.v. 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG mitwirken.

 

Auch sah das Bundesarbeitsgericht in der vorliegenden Konstellation keinen Grund, der Klägerin es nach § 242 BGB zu verwehren, sich auf die Unwirksamkeit der Befristung zu berufen. Eine Treuwidrigkeit komme allenfalls in Betracht, wenn die Klägerin in dem Bewusstsein um eine Unwirksamkeit der im Vergleich vereinbarten Befristung den Beklagten zum Vergleichsschluss gedrängt, also etwa darauf bestanden hätte, den Vergleich aus diesem Grund nur im Weg des § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO (und nicht anders) zu schließen. Hierfür habe es jedoch keine Anhaltspunkte gegeben.

 

Bewertung der Entscheidung:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdient Zustimmung, weil sie konsequent mit dem Sinn und Zweck von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG begründet wird.

 

Praxisfolgen:

Die Entscheidung birgt enorme Gefahren für Arbeitgeber und ein hohes Regresspotenzial für Rechtsanwälte, denen die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht bekannt ist. In der Praxis wird häufig nicht zwischen den beiden Alternativen in § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO differenziert. Es kommt hinzu, dass der Erfurter Kommentar als Standardkommentar im Arbeitsrecht in der aktuellen 12. Auflage von 2012 (vgl. § 14 TzBfG Rn. 77) noch die gegenteilige Auffassung vertritt, dass auch ein Vergleichsschluss gem. § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO im Rahmen von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ausreichend sei. Es werden – gerade bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien – die Gerichte ihrer bestehenden Aufklärungspflicht nachzukommen haben.

 

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