Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Bindung des Arbeitgebers bei Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist eine betriebliche Übung bzw. eine konkludente Vereinbarung und damit ein arbeitsvertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung auch dann entstanden, wenn der Arbeitgeber eine als solche bezeichnete Leistung dreimal hintereinander vorbehaltslos zum gleichen Zeitpunkt gewährt, auch wenn die Auszahlung jeweils in unterschiedlicher Höhe erfolgt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.05.2015 zum Aktenzeichen 10 AZR 266/14

Sachverhalt:

Der Kläger war als Bauleiter beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Er erhielt von dem Arbeitgeber mit der am 10. Januar des Folgejahres ausgezahlten Vergütung für den Monat Dezember einen in der jeweiligen Abrechnung als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag, welcher im Jahr 2007 10.000 € brutto und in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 12.500 € brutto betrug. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe aufgrund der dreimaligen vorbehaltslosen Zahlung des Arbeitgebers in den Vorjahren auch für das Jahr 2010 eine Sonderzahlung in Höhe von 12.500 € brutto zu. Einem solchen Anspruch stehe die unterschiedliche Höhe der Zahlungen in den Vorjahren eben so wenig entgegen wie die unterjährige Beendigung des Arbeitsverhältnisses im November 2010.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auch vor dem Landesarbeitsgericht hatte der Kläger keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr festgestellt, dass dem Kläger grundsätzlich ein (nach der Beschäftigungsdauer anteiliger) Anspruch auf Sonderzahlung auch für das Jahr 2010 zusteht und den Rechtsstreit zur Klärung der Höhe des Anspruchs an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass zunächst zu ermitteln sei, ob sich der Arbeitgeber mit seinem Verhalten nur zu der konkreten Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Eine dauerhafte Verpflichtung könne sich dabei insbesondere aus einem Verhalten mit einem entsprechenden Erklärungswert wie bei einer „betrieblichen Übung“ ergeben. Ein arbeitsvertraglicher Anspruch kann sich aber auch, wenn zum Beispiel das kollektive Element für eine betriebliche Übung fehlt, nach den gleichen Voraussetzungen auch aus einem konkludenten Vertragsschluss der Arbeitsvertragsparteien ergeben. Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass allein der Zusatz „freiwillig“ die Entstehung eines Anspruchs für die Zukunft nicht hindere, weil damit lediglich zum Ausdruck gebracht werde, dass der Arbeitgeber nicht bereits aufgrund anderer Rechtsgrundlage zur Zahlung verpflichtet sei.

Weiter sei der mit der Sonderzahlung verfolgte Zweck durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung zu bestimmen. Der Vergütungscharakter sei eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft sei oder die Zahlung einen wesentlichen Teil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmache. Werde die Zahlung ohne weitere Anspruchsvoraussetzungen vereinbart oder hänge die Höhe der Zahlung vom Betriebsergebnis ab, spreche auch dies dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet werde. Wolle der Arbeitgeber andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, müsse sich dies deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. Sei die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, werde dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzahlung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus gezahlt oder eine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmer vereinbart werde, welche bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers vor Ablauf des noch zumutbaren Bindungszeitraums eintreten soll. Solche Stichtagsregelungen und Rückzahlungsklauseln sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht aber bereits dann unzulässig, wenn die Sonderzahlung auch Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung ist und damit die Sonderzahlung nicht ausschließlich zur Honorierung zukünftiger Betreibstreue geleistet wird.

Das Bundesarbeitsgericht ist im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber die Zahlung 3 Mal zum gleichen Zeitpunkt vorbehaltslos und ohne weitere Leistungszweckbestimmung vor-genommen hat.

Trotz der nicht gleichförmigen Höhe der Sonderzahlung in den Jahren 2007 bis 2009 müsse der Kläger nicht den Schluss ziehen, dass der Arbeitgeber sich nicht dauerhaft binden wolle. Es ist nach dem Bundesarbeitsgericht im Gegenteil typisch für vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung, dass deren Höhe schwanken kann. Das Bundesarbeitsgericht hat im Zusammenhang mit einer betrieblichen Übung im Urteil vom 28.02.1996 zum Aktenzeichen 10 AZR 516/95 noch vertreten, bei der Leistung einer Zuwendung in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe fehle es bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen und es komme darin der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck, in jedem Jahr neu „nach Gutdünken“ über die Zuwendung entscheiden zu wollen. Diese Grundsätze gibt das Bundesarbeitsgericht in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich auf.

Dem Anspruch des Klägers steht nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auch nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits im November 2010 geendet hat. Allein der Umstand, dass die Sonderzahlung mit der Entgeltabrechnung für den Monat Dezember zur Auszahlung gelangte, ist bereits nicht als konkludent vereinbarte Stichtagsregelung auszulegen. Der Arbeitgeber hat im Verfahren selbst ausgeführt, dass die Höhe der Sonderzahlung an das Betriebsergebnis gekoppelt war. Das Bundesarbeitsgericht hat daher angenommen, dass die Sonderzahlung zumindest auch eine Vergütung für geleistete Arbeit darstellt. Da der Arbeitgeber also mit der Sonderzahlung zumindest auch die Arbeitsleistung des Klägers zusätzlich vergütet habe, wäre eine Stichtagsklausel die den Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Beispiel am 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres voraussetze, ohnehin wegen unangemessener Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB rechtsunwirksam gewesen.

Danach kommt das Bundesarbeitsgericht im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass der Kläger aufgrund einer konkludent geschlossenen arbeitsvertraglichen Abrede mit dem Arbeitgeber einen Anspruch auf eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr 2010 erworben hat, der mit der Dezemberabrechnung fällig geworden ist und dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu bestimmen hatte. Hinsichtlich der Höhe des anteiligen Anspruchs auf Sonderzahlung für das Jahr 2010 war der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif. Hier wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben, welche konkreten Vereinbarungen die Parteien über die Bemessung der Sonderzahlung getroffen haben. Nach dem Bundesarbeitsgericht hat der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast damit genügt, dass er alle Umstände zur Begründung des Anspruchs dargelegt hat, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen i. S. d. § 315 BGB zu bestimmen hat. Insoweit obliegt dem Arbeitgeber die Darlegungslast dafür, ob und ggf. welche Kriterien er mit dem Kläger vereinbart hat und in welcher Höhe sich bei Anwendung dieser Kriterien ein (anteiliger) Anspruch des Klägers ergibt. Entspricht die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers nicht billigem Ermessen, wird das Landesarbeitsgericht sie gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB selbst vorzunehmen haben.

Bewertung der Entscheidung:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht im Kontext früherer Entscheidungen über Sonderzahlungen, in denen das Bundesarbeitsgericht die Flexibilität des Arbeitgebers bei Sonderzahlungen bereits erheblich eingeschränkt hat. Das Bundesarbeitsgericht geht im Regelfall davon aus, dass eine Sonderzahlung zumindest auch Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung darstellt. Will der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung (ausschließlich) andere Ziele als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss dies deutlich aus der zugrunde liegenden Abrede hervorgehen. Ein schlichter Hinweis zum Bei-spiel „Die Zahlung erfolgt ausschließlich zur Honorierung der Betriebstreue des Arbeitnehmer“ dürfte für sich genommen jedoch nicht genügen. Die Abrede ist vielmehr unter Berücksichtigung aller vertraglichen und tatsächlichen Umstände auszulegen. Mit der Entscheidung gibt das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsansicht auf, wonach bereits die unterschiedliche Höhe der regelmäßig geleisteten Sonderzahlung dem Entstehen eines arbeitsvertraglichen Anspruchs entgegenstehen sollte.

Praxisfolgen:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht einmal mehr, dass die Leistung von Sonderzahlungen für den Arbeitgeber mit erheblichen Risiken verbunden ist und damit eine kluge Ausgestaltung solcher Zahlungen dringend anzuraten ist, um die vom Arbeitgeber regelmäßig gewünschte Flexibilität auch tatsächlich zu erreichen.

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