Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Erholungsurlaub bei unbezahltem Sonderurlaub

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass gesetzliche Urlaubsansprüche auch dann entstehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien unbezahlten Sonderurlaub vereinbart haben, aufgrund dessen die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert sind.

 

BAG, Urteil vom 06.05.2014, 9 AZR 678/12

 

Sachverhalt 

Die Klägerin war bei der Beklagten, einer Universitätsklinik, als Krankenschwester beschäftigt. Auf Antrag der Klägerin gewährte die Beklagte ihr aufgrund des Tarifvertrages für die Charité (TV-Charité) Sonderurlaub unter Fortfall des Entgelts vom 01.01.2011 bis 30.09.2011.

In § 26 Abs. 2 lit. c) TV-Charité war geregelt: „Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um 1/12.“

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 30.09.2011. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Abgeltung ihres gesetzlichen Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2011.

Das BAG hat entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung gem. § 7 Abs. 4 BUrlG zusteht.

Auch wenn zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien während des Sonderurlaubs ruhte, sei der gesetzliche Urlaubsanspruch der Klägerin am 01.01.2011 entstanden. Für das Entstehen des Urlaubsanspruches sei nach dem BUrlG allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG stehe nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht habe. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses führe deshalb nicht dazu, dass der Anspruch auf Urlaub nicht entstehe bzw. zu kürzen sei.

Weder enthalte § 1 BUrlG, nachdem jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub habe, eine Ausnahmeregelung für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses, noch nehme § 2 S. 1 BUrlG Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis kraft Abrede der Arbeitsvertragsparteien oder aufgrund tariflicher Anordnung ruhe, vom Geltungsbereich des BUrlG aus. Zudem sehe § 5 BUrlG keine Quotelung des Urlaubsanspruchs für Zeiten eines Kalenderjahres vor, in denen das Arbeitsverhältnis ruhe.

Unzutreffend sei die Ansicht der Beklagten, ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses stehe einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit einer Arbeitspflicht von „Null Tagen“ in der Woche gleich, sodass nach der bei Teilzeitbeschäftigungen üblichen Umrechnungsformel der Urlaubsanspruch „Null Tage“ betrage. Vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, begründeten sie kein Teilzeitarbeitsverhältnis i. S. d. § 2 Abs. 1 TzBfG. Der Arbeitnehmer sei in einem solchen Fall nicht mit einer Wochenarbeitszeit beschäftigt, die kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Denn im ruhenden Arbeitsverhältnis werde der Arbeitnehmer gar nicht beschäftigt. Ebenso wie beim bezahlten Erholungsurlaub sei der Arbeitnehmer für die Zeit des Sonderurlaubs von seiner Arbeitspflicht befreit. Im Unterschied zum Erholungsurlaub entfalle in aller Regel aber der Vergütungsanspruch. Eine Befreiung von der Arbeitspflicht setze begrifflich voraus, dass die Arbeitspflicht „an sich“ fortbestehe. Sie müsse vom Arbeitnehmer allerdings wegen der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllt werden. Würde eine Sonderurlaubsabrede als Vereinbarung einer Arbeitszeit „Null“ verstanden, würde die Arbeitspflicht aufgehoben. Das sei etwas anderes, als die Freistellung von einer grundsätzlich weiterbestehenden vertraglichen Arbeitspflicht.

Schließlich, so das BAG, sei der am 01.01.2011 entstandene Jahresurlaub der Klägerin auch nicht für jeden vollen Monat des Sonderurlaubs um 1/12 zu mindern. Da nach § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG in Tarifverträgen nicht von den §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG abgewichen werden könne, habe sich trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses der Parteien von Januar bis September 2011 der gesetzliche Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2011 nicht gem. § 26 Abs. 2 lit. c) TV-Charité vermindert. Die Tarifvorschrift sei insoweit unwirksam. Auch könne die Beklagte den am 01.01.2011 entstandenen Jahresurlaub der Klägerin trotz des Sonderurlaubs nicht in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 BEEG und § 4 Abs. 1 ArbPlSchG kürzen. Die in diesen Normen vorgesehenen Kürzungsmöglichkeiten seien nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens und damit nicht auf alle Fälle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses analog anwendbar.

 

Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung reiht sich nahtlos in die jüngste (umstrittene) Rechtsprechung des BAG ein. Schon mit Urteil vom 07.08.2012 (Az. 9 AZR 353/10) hatte das BAG entschieden, dass Urlaubsansprüche auch dann entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis ruht, weil der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllen kann.

Die Entscheidung wirft viele Fragen auf. Insbesondere bleibt das BAG eine verständliche Begründung schuldig, warum der Urlaubsanspruch im Falle eines unbezahlten Sonderurlaubs nicht entsprechend der Regelungen bei Teilzeitbeschäftigten gekürzt werden kann. Es ist nicht einzusehen, warum bei einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund eines vereinbarten Sonderurlaubs ruht, eine Kürzung des Urlaubsanspruchs nicht möglich sein soll, wohingegen bei einem Teilzeitbeschäftigten, der z. B. nur an zwei von fünf Tagen in der Woche arbeitet, anerkanntermaßen nur ein Urlaubsanspruch von 2/5 im Vergleich zu einem vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer entsteht.

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