Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat gem. § 80 Abs. 3 BetrVG

I. Ausgangslage

In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein Betriebsrat auf der Grundlage der Regelung in § 80 Abs. 3 BetrVG erreichen möchte, dass der Arbeitgeber dem Abschluss einer Vereinbarung über die Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch eine Rechtsanwaltskanzlei zustimmt, vgl. BAG, 25.06.2014, 7 ABR 70/12, juris.

1. In diesem Zusammenhang ist auf der Grundlage von Beschlussvorlagen und der konkreten Antragsbegründung des Betriebsrats zunächst immer zu prüfen, ob das Begehren des Betriebsrats (nicht zumindest auch) hilfsweise auf die Freistellung von anwaltlichen Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG gerichtet ist. Ist dabei die Rede davon, dass der Betriebsrat ausdrücklich die Hinzuziehung der häufig auch verfahrensbevollmächtigten Anwaltskanzlei als „sachverständige Beraterin“ „gem. § 80 Abs. 3 BetrVG“ verlangt, ist für ein auf eine Freistellung gerichtetes Verlangen des Betriebsrats regelmäßig kein Raum.

2. Der Betriebsrat muss in diesem Zusammenhang die Bedingungen der abzuschließenden Vereinbarung ausreichend bezeichnen und Angaben zu dem Thema, um dessen Klärung der Sachverständige hinzugezogen werden soll, machen, und die Person des Sachverständigen konkret bezeichnen, vgl. BAG, 16.11.2005, 7 ABR 12/05, Rz. 19, juris.

Besteht Streit über die – Höhe der – Vergütung, muss diese gleichfalls im Antrag aufgenommen werden. Die Angabe einer Stundenvergütung ist ausreichend, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, vgl. BAG, 16.11.2005, 7 ABR 12/05, Rz. 19, juris.

 

II. Hinzuziehungsrechte

Die maßgebliche Anspruchsgrundlage für das Recht des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines Sachverständigen findet sich in § 80 Abs. 3 BetrVG. Danach kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber einen Sachverständigen hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Verweigert der Arbeitgeber eine solche Vereinbarung trotz der Erforderlichkeit der Hinzuziehung des Sachverständigen, so kann der Betriebsrat die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung ersetzen lassen, vgl. BAG, 11.11.2009, 7 ABR 26/08, Rz. 18 m. w. N., juris.

1. Ein Rechtsanwalt kann Sachverständiger i. S. d. § 80 Abs. 3 BetrVG sein. Seine Hinzuziehung setzt voraus, dass er dem Betriebsrat spezielle Rechtskenntnisse vermitteln soll, die in der konkreten Situation, in der der Betriebsrat seine Aufgaben zu erfüllen hat, als erforderlich anzusehen sind. Zur Erteilung seiner Zustimmung nach § 80 Abs. 3 BetrVG darf der Arbeitgeber nur unter dieser Voraussetzung verpflichtet werden, vgl. BAG, 11.11.2009, 7 ABR 26/08, Rz. 19, juris.

2. Da der Betriebsrat aus den Grundsätzen der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Verhältnismäßigkeit verpflichtet ist, zum Erwerb des notwendigen Fachwissens zunächst die innerbetrieblichen Erkenntnisquellen zu erschließen, ehe er die mit Kosten verbundene Beauftragung eines Sachverständigen als erforderlich ansehen kann, ist die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen grundsätzlich nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat die fehlende Sachkunde kostengünstiger als durch die Beauftragung des Sachverständigen z. B. betriebsintern verschaffen kann, vgl. BAG, 16.11.2005, 7 ABR 12/05, Rz. 31 m. w. N., juris.

In diesem Zusammenhang kann dem Betriebsrat nicht entgegengehalten werden, die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen sei nicht erforderlich, weil er seine Mitglieder stattdessen an einer Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG teilnehmen lassen könne, vgl. BAG, 25.06.2014, 7 ABR 70/12, Rz. 27 m. w. N., juris.

Daraus folgt aber nicht, dass der Betriebsrat stets seine Mitglieder auf Schulungen schicken müsste, bevor er bei der Durchführung seiner Aufgaben die Hinzuziehung eines Sachverständigen verlangen kann, vgl. BAG, 25.06.2014, 7 ABR 70/12, Rz. 23, juris.

3. § 80 Abs. 2 BetrVG stellt – mit Ausnahme der Fälle in § 111 Satz 2 BetrVG – die alleinige Rechtsgrundlage für die Heranziehung externer sachkundiger Personen durch den Betriebsrat dar, wenn es nicht um die Vertretung des Betriebsrats in einem Verfahren vor der Einigungsstelle oder vor Gericht geht, sondern um die Beratung des Betriebsrats außerhalb solcher Verfahren, vgl. BAG, 25.06.2014, 7 ABR 70/12, Rz. 27 m. w. N., juris.

4. Die Vorschrift findet aber keine Anwendung, wenn es dem Betriebsrat um die Einleitung und die Durchführung von Einigungsstellen- oder arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geht, mit denen der Betriebsrat ein konkret von ihm in Anspruch genommenes Mitbestimmungsrecht ausüben oder durchsetzen will. In einem solchen Fall hat der Betriebsrat vielmehr gem. § 40 Abs. 1 BetrVG die Möglichkeit, zur Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte einen Rechtsanwalt zu beauftragen, vgl. BAG, 29.07.2009, 7 ABR 95/07, Rz. 16 ff. m. w. N., juris.

Das gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt vom Betriebsrat reklamierte Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber außergerichtlich geltend macht oder im Rahmen eines konkreten Konfliktes erwägt, dies zu tun, vgl. BAG, 15.11.2000, 7 ABR 24/00, juris. Nichts anderes gilt, wenn die Beauftragung des Rechtsanwalts dazu dient, in einem bereits bestehenden konkreten Konflikt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber das Bestehen und den Umfang von Mitbestimmungsrechten zu prüfen sowie ggf. für deren Durchsetzung zu sorgen, auch wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass kein gerichtliches Verfahren oder Einigungsstellenverfahren durchgeführt werden soll.

5. Das bedeutet: Die Bestimmung des § 80 Abs. 3 BetrVG kommt (nur) dann zur Anwendung, wenn es dem Betriebsrat nicht um die Durchsetzung von Rechten, sondern um die Vermittlung zur Interessenwahrnehmung erforderliche Kenntnisse geht, etwa bei der Ausarbeitung des Entwurfs einer komplexen Betriebsvereinbarung oder eines schwierigen Interessenausgleichs, vgl. BAG, 11.11.2009, 7 ABR 26/08, Rz. 20, juris. Schließlich hat sie Bedeutung für die Beauftragung nichtjuristischer Sachverständiger.

 

III. Praktischer Hinweis

Der Betriebsrat kann, ohne dass es hier zu einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber bedürfte, in einem konkreten Konflikt mit dem Arbeitgeber auf der Grundlage der Regelung in § 40 Abs. 1 BetrVG einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung der in Betracht kommenden Mitbestimmungsrechte beauftragen. Er erhält dann alsbald eine rechtliche Beurteilung dieses Rechtsanwalts über das Bestehen und den Umfang von Mitbestimmungsrechten sowie über die Möglichkeiten und Chancen von deren Durchsetzung. Auf dieser Grundlage kann er entscheiden, ob sowie ggf. auf welchem Weg eine Durchsetzung der Rechte sinnvoll und aussichtsreich erscheinen. Vergleichsweise zeitnah kann dann eine zwischen den Betriebsparteien verbindliche gerichtliche Klärung über Bestehen und Umfang der streitigen Mitbestimmungsrechte erfolgen. Diese Vorgehensweise ist nicht nur rasch und effizient, sondern auch vergleichsweise kostenschonend. Die nach § 34 Abs. 1 RVG anfallende Beratungsgebühr ist nach § 34 Abs. 2 RVG auf eine Gebühr für eine etwaige spätere Tätigkeit des Rechtsanwalts – insbesondere in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren – anzurechnen, wobei sie freilich insoweit bestehen bleibt, als die Beratung über dasjenige hinausgeht, was später Gegenstand der weiteren Tätigkeit des Rechtsanwalts ist, vgl. BAG, 25.06.2014, 7 ABR 70/12, Rz. 29 m. w. N., juris.

Zudem ist der Weg über ein gerichtliches Verfahren, das darauf gerichtet ist, den Arbeitgeber zu verpflichten, die von ihm verweigerte Zustimmung zur Hinzuziehung eines Sachverständigen zu erteilen, regelmäßig deutlich zeitaufwendiger, weniger effizient und kostenintensiver.

 

Fazit:

Geht es dem Betriebsrat also in einer konkreten Meinungsverschiedenheit mit dem Arbeitgeber letztlich darum, mögliche Mitbestimmungsrechte durchzusetzen, ist die auf § 40 Abs. 1 BetrVG gestützte Mandatierung eines Rechtsanwalts regelmäßig der deutlich schnellere, effizientere und kostengünstigere Weg gegenüber einem gerichtlichen Verfahren, das darauf gerichtet ist, den Arbeitgeber zu verpflichten, die von ihm verweigerte Zustimmung zur Hinzuziehung eines Sachverständigen zu erteilen. Soweit also im Zusammenhang mit von der Arbeitgeberin erteilten Auskünften weitere Rechtsunsicherheiten des Betriebsrats bestehen, erfordert dies eine anwaltliche Beratung, nicht aber die Einholung eines anwaltlichen Gutachtens.

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