Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf bezahlte Raucherpausen

Auch wenn der Arbeitgeber, der die genaue Häufigkeit und Dauer der von seinen Mitarbeitern seit langem eingelegten Raucherpausen nicht hin, die Vergütung für diese Zeiten weiterzahlt, ist er nicht verpflichtet, diese Zeiten auch zukünftig weiter zu vergüten.

LAG Nürnberg, Urteil vom 05.08.2015, AZ.: 2 Sa 132/15

Sachverhalt und Entscheidung:

In dem Betrieb der beklagten Arbeitgeberin hatte es sich seit langem eingebürgert, dass die Mitarbeiter zum Rauchen ihren Arbeitsplatz verließen, ohne an dem vorhandenen Zeiterfassungsgerät ein- und auszustempeln. Die Arbeitgeberin, die die genaue Häufigkeit und Dauer der von den Mitarbeitern eingelegten Raucherpausen nicht kannte, hatte in der Vergangenheit für die Zeiten der Raucherpausen Vergütung gezahlt.

Im Herbst 2012 erließ die beklagte Arbeitgeberin eine Betriebsanweisung, mit der sie die Belegschaft auf ein ab sofort geltendes generelles Rauchverbot und daraufhin wies, dass das Rauchen nur noch in einer dafür geschaffenen Raucherinsel erlaubt sei. In einer danach mit dem Betriebsrat abgeschlossenen und zum 01.01.2013 in Kraft tretenden Betriebsvereinbarung (BV-Rauchen) wurde u.a. geregelt, dass beim Entfernen vom Arbeitsplatz zum Rauchen jeweils die nächstgelegenen Zeiterfassungsgeräte zum Ein- und Ausstempeln zu benutzen sind.

Dem Kläger zog die Beklagte in den jeweiligen Vergütungsabrechnungen für die Monate Januar, Februar und März 2013 jeweils – in Geld umgerechnete – Zeiten, für die der Kläger Raucherpausen eingelegt hatte, ab.

Mit seiner beim Arbeitsgericht eingereichten Klageschrift verlangt der Kläger diese restliche Vergütung für die jeweiligen Monate Januar, Februar und März 2013 von der Beklagten. Nachdem das Arbeitsgericht die Klagen in erster Instanz abgewiesen hatte, wies das LAG auch die Berufung des Klägers zurück.
Das LAG ist mit dem erstinstanzlichen Arbeitsgericht der Auffassung, dass weder gesetzliche, tarifliche noch vertragliche Anspruchsgrundlagen erfüllt sind.

Insbesondere kommt als Anspruchsgrundlage nach Auffassung des LAG eine betriebliche Übung nicht in Betracht. Unter einer betrieblichen Übung werde die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe schließen könnten, ihnen solle eine Leistung oder Vergütung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, dass von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend gem. § 151 BGB angenommen werde, erwüchsen vertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers auf die üblich gewordenen Leistungen. Eine betriebliche Übung sei für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden könne. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruches sei dabei nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers. Maßgeblich sei vielmehr, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen dürfe. Eine betriebliche Übung könne auch durch Duldung des Arbeitgebers entstehen, so die ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG, 19.03.2014 – 5 AZR 954/12 – m.w.N.; BAG, 11.04.2006 – 9 AZR 500/05 -.

Der Kläger habe unter den gegebenen Umständen aus dem Verhalten der beklagten Arbeitgeberin nicht auf deren Willen schließen dürfen, auch über den 01.01.2013 hinaus an ihn eine Vergütung für Raucherpausen zahlen zu wollen.

Es liege schon keine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen vor. Die Beklagte habe zwar in der Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Häufigkeit und Länge der Pausen die Vergütung weitergezahlt. Dies sei jedoch unabhängig von der jeweiligen Häufigkeit und Länge der Pausen geschehen, sodass jeder Mitarbeiter jeden Tag unterschiedlich von der Fortzahlung des Entgelts für Raucherpausen profitiert habe. Eine gleichförmige Gewährung bezahlter Raucherpausen sei damit also bei der Beklagten in der Vergangenheit nicht verbunden gewesen.

Zudem sei den Mitarbeitern vor Inkrafttreten der BV-Rauchen auch bekannt gewesen, dass die Beklagte keinen genauen Überblick über Häufigkeit und Dauer der von den einzelnen Mitarbeitern genommenen Raucherpausen gehabt habe und daher Einwendungen gegen Dauer und Häufigkeit nur schwer habe erheben können bzw. bei einem Lohneinbehalt kaum habe nachweisen können. Wenn aber ein Arbeitgeber von einer betrieblichen Handhabung keine ausreichende Kenntnis habe und dies dem Arbeitnehmer erkennbar sei, fehle es schon an einem hinreichend bestimmten Angebot einer Leistung durch den Arbeitgeber. Die Situation sei ähnlich wie bei der privaten Nutzung der betrieblichen Telefonanlagen, des E-Mail-Servers oder des Internets. Der Kläger habe daher gerade nicht davon ausgehen können, die Beklagte werde ihm seine Raucherpausen „wie bisher“ weiterhin unter Fortzahlung der Vergütung gestatten. Das gelte insbesondere, wenn eine bestimmte Handhabung nur vom Kläger geduldet worden sei.

Auch angesichts des Umfangs der Raucherpausen von 60-80 min. täglich habe der Kläger nicht darauf vertrauen können, dass hierfür weiterhin Entgelt geleistet werde. Je mehr die vom Arbeitgeber gewährte Vergünstigung als Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Leistung anzusehen sei, desto mehr spreche dies dafür, dass die Arbeitnehmer auf die weiter gewährte Leistung vertrauen könnten. Die Bezahlung der Raucherpausen stehe jedoch in keinem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung. Nach Auffassung des Klägers solle die Nichtarbeit bezahlt werden. Ohne sonstige gesetzliche, tarifliche oder vertragliche Rechtsgrundlage bedürfe es dafür auch ganz besondere Anhaltspunkte, dass die Arbeitnehmer darauf vertrauen dürften, vom Arbeitgeber ohne jede Gegenleistung bezahlt zu werden. Dies gelte erst Recht, wenn – wie vorliegend – die Arbeitnehmer selbst über Häufigkeit und Dauer der Pausen bestimmen durften, soweit betriebliche Belange nicht entgegenstünden. Selbst die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen seien ohne sonstige Rechtsgrundlage unbezahlte Pausen.

Es sei dafür auch unerheblich, dass nach der BV-Rauchen auch weiterhin die Raucherpausen gestattet seien, sodass das Entfernen vom Arbeitsplatz zum Zwecke des Rauchens im streitgegenständlichen Zeitraum keine Verletzung der Hauptpflichten dargestellt habe, soweit betriebliche Belange nicht beeinträchtig worden seien. Jedenfalls vor Inkrafttreten der BV-Rauchen habe die Entfernung vom Arbeitsplatz zum Zwecke des Rauchens jedenfalls in dem vom Kläger geschilderten Umfang eine Verletzung der Hauptleistungspflichten dargestellt, von deren Duldung der Kläger wegen des Umfangs gerade nicht ausgehen durfte, soweit dies während der Arbeitszeit geschehen sei. Ein Arbeitnehmer könne grundsätzlich nicht annehmen, dass der Arbeitgeber ohne genaue Kenntnis über Umfang und Dauer der Raucherpausen täglich auf durchschnittlich 60-80 min. Arbeitsleistungen verzichte, gleichzeitig die Entscheidung über Häufigkeit und Dauer der Pausen dem Arbeitnehmer überlasse und sich für die Zukunft auch noch entsprechend binden wolle. So habe das BAG zur privaten Nutzung des Internets während der Arbeitszeit ausdrücklich entschieden, dass selbst eine Gestattung oder Duldung durch den Arbeitgeber sich ohne weitere Erklärung auf eine private Nutzung im normalen bzw. zeitlich angemessenen Umfang erstrecke und dies bei einer Nutzung an zwei Tagen von jeweils etwas mehr als einer Stunde während der Arbeitszeit eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten sei (BAG, 07.07.2005 – 2 AZR 581/04 – Rn. 30).

Gegen das Entstehen einer betrieblichen Übung spreche auch, dass es bei der Bezahlung von Raucherpausen nicht um materielle Zuwendungen gehe, die die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer verbessern würden. Vielmehr würden die Raucher lediglich mehr freie Zeit erhalten. Bei der Gewährung zusätzlicher freier Tage oder Stunden aus besonderem Anlass sei für die Annahme einer betrieblichen Übung jedoch Zurückhaltung geboten (BAG, 17.09.1970 – 5 AZR 539/69 -). Schließlich sei ein Vertrauen der Raucher auf Beibehaltung der Bezahlung von Raucherpausen schon deshalb nicht anzunehmen, weil dies offensichtlich zu einer Ungleichbehandlung mit den Nichtrauchern führen würde. Diese müssen für das gleiche Geld, nämlich die tarifliche Bezahlung, im Schnitt über 10 % mehr Arbeitsleistung erbringen, als die Raucher. Dies sei auch den rauchenden Mitarbeitern ohne weiteres erkennbar. Dass die Raucher für ihre Raucherpausen ausstempeln müssten, die Nichtraucher für ihre Pausen aber nicht, liege nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten daran, dass sich nur die Raucher während der Arbeitszeit nach ihrem Gutdenken vom Arbeitsplatz zur Raucherpausen entfernen würden, während die Nichtraucher nur ihre unbezahlten Pausen in Anspruch nehmen.

Schließlich sei allgemein bekannt, dass Rauchen der Gesundheit abträglich sei. Den Arbeitgeber treffe eine Verpflichtung, die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen, und auch präventiv Gesundheitsgefahren vorzubeugen. Auch der Betriebsrat habe gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG die Aufgabe des Gesundheitsschutzes für die Mitarbeiter. Dem diene u.a. auch die BV-Rauchen, die im Rahmen des § 5 ArbStättV einen Ausgleich der Belange der Raucher mit den Belangen der Nichtraucher anstrebe. Mit einer Bezahlung der Raucherpausen würde der Arbeitgeber aber gerade nicht i.S.d. Gesundheitsschutzes tätig werden. Im Gegenteil: Er würde Anreize setzen, die Gesundheit der Mitarbeiter zu gefährden um das Risiko von krankheitsbedingten Ausfällen zu erhöhen. Auch aus diesem Grund konnten die Arbeitnehmer und insbesondere auch der Kläger als Stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats auf die Fortsetzung der Bezahlung der Raucherpausen durch die Beklagte nicht vertrauen.

Bewertung der Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg liegt u.E. mit dieser Entscheidung voll auf der Linie der Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG, 19.01.1999, 1 AZR 499/98. Danach gilt im Allgemeinen, dass diejenigen Mitarbeiter, die während der Arbeitszeit private Dinge erledigen und ihre Arbeit aus privaten Gründen unterbrechen, grundsätzlich keinen Anspruch auf Bezahlung dieser Zeiten haben. Darunter zählt – insbesondere wenn es in einer Betriebsvereinbarung so geregelt ist – auch das Aufsuchen einer Raucherpause zwecks Inanspruchnahme einer Raucherpause. Derjenige Mitarbeiter, der eine Raucherzone aufsucht, unterbricht seine Arbeit und erledigt private Dinge.

Fazit:

Der Arbeitgeber sollte in einer Betriebsvereinbarung ausdrücklich regeln, dass Arbeitsunterbrechungen dienstlicher oder privater Natur grundsätzlich durch Geht– und Kommt-Buchungen mittels Zeiterfassungssysteme dokumentiert werden. Gleichzeitig sollte er deutlich machen, dass derjenige Mitarbeiter, der seine Arbeit zur Erledigung privater Angelegenheiten unterbricht, keine Vergütungsansprüche hat. Der Arbeitgeber sollte in der BV ferner festlegen, wann die Unterbrechung der Arbeitszeit beginnt und wann sie endet und wie und wo diese Unterbrechungszeiten vom Arbeitnehmer festgehalten werden müssen.

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