Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Kündigung wegen Kirchenaustritt durch Mitarbeiter eines Caritasverbandes

Das Bundesarbeitsgericht hat am 25.04.2013 noch einmal in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes entschieden, dass auch einem langjährig beschäftigten Mitarbeiter einer Einrichtung des Caritasverbandes wegen Austritts aus der katholischen Kirche gekündigt werden kann.

 

Sachverhalt:

Der 59 Jahre alte Kläger war seit 19 Jahren bei einem Caritasverband als Sozialpädagoge beschäftigt. Er war zuletzt in einer von der Kommune finanzierten und sogar zur religiösen Neutralität verpflichteten Sozialstation beschäftigt, in welcher Kinder betreut wurden, deren Religionszugehörigkeit ohne Bedeutung war. Religiöse Inhalte wurden den Kindern dort nicht vermittelt.

 

Für das Arbeitsverhältnis galten die Richtlinien für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR), nach welchen dem Kläger ordentlich nicht mehr gekündigt werden konnte.

 

Der Kläger trat im Februar 2011 aus der katholischen Kirche aus. Er informierte darüber ein Vorstandsmitglied des später beklagten Caritasverbandes. In einem Gespräch erläuterte seine Beweggründe und erhielt den Hinweis, dass nach dem Selbstverständnis des Caritasverbandes sich der Kirchenaustritt mit einer weiteren Beschäftigung nicht in Einklang bringen lasse. Der Kläger blieb bei seiner Entscheidung. Der Beklagte kündigte sodann das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis nach Beteiligung der Mitarbeitervertretung außerordentlich mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Monatsende.

 

Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage des Klägers blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Dies auch unter Berücksichtigung der nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) hinzugekommenen Frage, ob eine Diskriminierung des Klägers wegen Ausübung der Religionsfreiheit vorliege.

 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2013; 2 AZR 579/13

 

Das Bundesarbeitsgericht hat – in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung – bekräftigt, dass jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheit innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst regelt. Das Bundesarbeitsgericht hat nochmals und ausdrücklich bestätigt, dass dieses Recht neben den sogenannten verfassten Kirchen auch den ihnen zugeordneten caritativen Einrichtungen zukommt. Den Kirchen und diesen Einrichtungen ist es dadurch ermöglicht, in den Schranken der für alle geltenden Gesetze den kirchlichen Dienst auch im Rahmen von Arbeitsverträgen entsprechend ihrem Selbstverständnis zu regeln. Da nach der demnach zugrunde zu legenden Grundordnung des kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisses der Austritt aus der katholischen Kirche ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß ist, der eine Weiterbeschäftigung nicht zulässt, haben die Arbeitsgerichte bei Kündigungsschutzprozessen der vorliegenden Art zwischen den Grundrechten der Arbeitnehmer auf Glaubens- und Gewissensfreiheit und im Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften abzuwägen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei es nicht zu beanstanden, dass Religionsgemeinschaften einen Kirchenaustritt als schwerwiegenden Verstoß gegen die dem Arbeitnehmer obliegenden Loyalitätsverpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag ansehen. Dieser mache es einer der katholischen Kirche zugeordneten caritativen Einrichtung auch unzumutbar, einen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, wenn dieser nach dem kirchlichen Selbstverständnis unmittelbar Dienst am Menschen leiste und damit am Sendungsauftrag der katholischen Kirche teilnehme. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Arbeitnehmers habe zwar grundsätzlich ein hohes Gewicht, sie müsse jedoch hinter das Selbstbestimmungsrecht des Beklagten zurücktreten. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts fallen im Rahmen der Interessenabwägung langjährige Beschäftigungszeiten und auch ein hohes Lebensalter des Arbeitnehmers nicht ins Gewicht, wenn auf dem Arbeitsmarkt außerhalb der katholischen Kirche noch Beschäftigungsmöglichkeiten existieren, sei es auch nur in geringerem Umfang. Ausdrücklich klargestellt hat das Bundesarbeitsgericht, dass der Kläger durch die Kündigung auch nicht in unzulässiger Weise im Sinne der §§ 1, 7 AGG diskriminiert werde. Denn § 9 Abs. 1, 2 AGG stelle klar, dass das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religionszugehörigkeit nicht das Recht der Kirchen und ihrer Einrichtungen berührt, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses zu verlangen. Dies stehe auch in Übereinstimmung mit dem Europarecht.

 

Bewertung der Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht führt mit seinem Urteil vom 25.04.2013 zum AZ. 2 AZR 579/13 die bisherige Rechtsprechung zur Behandlung des Problems eines Kirchenaustritts bei Mitarbeitern der katholischen Kirche oder den ihnen zugeordneten caritativen Einrichtungen fort. Soweit ersichtlich hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr erstmals auch darüber entschieden, dass eine Kündigung wegen Kirchenaus-tritts auch keine zu beanstandende Diskriminierung im Sinne der §§ 1, 7 AGG darstellt. Das Bundesarbeitsgericht hat noch-mals darauf abgestellt, dass seine bisherige Rechtsprechung gilt für diejenigen Mitarbeiter, die nach dem kirchlichen Selbstverständnis unmittelbar „Dienst am Menschen“ leisten und gerade auch hierdurch am Sen-dungsauftrag der katholischen Kirche teilnehmen.

 

Deutlich ist die Aussage des Bundesarbeitsgerichts dazu, dass wegen des schweren Loyalitätsverstoßes weder ein fortgeschrittenes Lebensalter noch eine langjährige Beschäftigungszeit des Klägers bei der Interessenabwägung zur ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist entscheidend ins Gewicht fallen könne.

 

Praxisfolgen:

Die nochmals bekräftigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betrifft, was gern übersehen wird, eine Vielzahl von Arbeitsverhält-nissen. Denn zahlreiche von der katholischen Kirche unterhaltene caritative Einrichtungen sind in der Regel Mitglied des Deutschen Caritasverbandes und wenden vom Wortlaut her identische Arbeits-verträge an. Arbeitnehmer dieser Einrichtungen sollten sich darüber im Klaren sein, welche Folgen ein Austritt aus der katholischen Kirche haben kann.

 

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich in Folge eines Austritts aus der katholischen Kirche gekündigte Mitarbeiter in derartigen Einrichtungen auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der gleiche Arbeitgeber auch konfessions-lose Mitarbeiter einstellt. Lediglich dann, wenn Kirchenaustritte von Mitarbeitern während des Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit geduldet und gerade nicht sanktioniert wurden, kann im Einzelfall mit Aussicht auf Erfolg dieser Umstand ggf. im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Die vom Bundesarbeitsgericht nochmals in der kommentierten Entscheidung aufgestellten Grundsätze lassen sich unseres Erachtens auf alle Mitarbeiter übertragen, die auch außerhalb der verfassten Kirche in den ihnen zugeordneten caritativen Einrichtungen einen „Dienst am Menschen“ leisten, also beispielsweise Ärzte, Pfleger, Altenpfleger, Erzieher. Ob im Rahmen dieses „Dienstes am Menschen“ Glaubensfragen relevant sind oder werden können, ist nicht zwingend entscheidend.

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