Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Kündigungsfrist - Klagefrist - Annahmeverzug

Eine vom Arbeitgeber mit zu kurzer Kündigungsfrist zu einem bestimmten Datum erklärte ordentliche Kündigung muss mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG angegriffen werden, wenn die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Eine solche mit zu kurzer Kündigungsfrist ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, wenn sie sich nicht im Wege der Auslegung als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. (BAG, Urteil vom 15.05.2013, 5 AZR 130/12, juris).

 

Sachverhalt:

Die beklagte Arbeitgeberin kündigte am 27.06.2009 das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit einem auf den 30.06.2009 vordatierten Kündigungsschreiben „fristgemäß zum 30.09.2009“. Bei Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Kündigungsfrist wäre das Arbeitsverhältnis in der konkreten Situation am 27.06.1999 ordentlich allerdings erst frühestens zum 31.12.2009 kündbar gewesen.

 

Nachdem der Kläger per Telefax am 27.10.2009 Kündigungsschutz-klage erhoben und vorsorglich Wiedereinsetzungsantrag gestellt und glaubhaft gemacht hatte, erklärte er im Verlauf des Verfahrens, es gehe ihm nur noch um die Einhaltung der Kündigungsfrist und den Erhalt der entsprechenden Vergütung. Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsverlangen des Klägers für den Zeitraum bis zum Ablauf der tatsächlich geltenden ordentlichen Kündigungsfrist am 31.12.2009 entsprochen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte auf die Vergütung wegen Annahmeverzug für den Monat Oktober 2009 beschränkte Berufung eingelegt, die vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Beklagten zugelassen und das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben, weil es die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen habe. Der Kläger habe für den Monat Oktober 2009 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzug.

 

Das Bundesarbeitsgericht führt zunächst aus, dass die am 27.06.2009 erklärte Kündigung der Beklagten nicht nach § 7 KSchG zum 30.09.2009 wirksam geworden ist.

 

Die am 27.06.2009 mit zu kurzer Kündigungsfrist erklärte Kündigung habe nicht zu einem früheren Termin ausgesprochen werden sollen, der vor dem letzten Tag des Ablaufs der gesetzlichen ordentlichen Kündigungsfrist liege. Es lägen vielmehr Umstände vor, die hier dem Kündigungsadressaten deutlich gemacht hätten, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren wollte. Es spreche zwar an sich gegen eine Auslegung als Kündigung zum 31.12.2009, dass die Kündigungserklärung ausdrücklich das Datum „30.09.2009“ enthalte. Dieses Datum relativiere sich aber durch den Zusatz „fristgemäß zum“. Dadurch und durch weitere Begleiterklärungen im Zusammenhang mit der Übergabe des Kündigungsschreibens habe die Beklagte vielmehr ausreichend deutlich gemacht, dass sie bei Ausspruch der Kündigung Wert darauf gelegt habe, die maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten.

 

Damit sei das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die am 27.06.2009 erklärte Kündigung nicht zum 30.09.2009, sondern vielmehr erst zum 31.12.2009 beendet worden.

 

Gleichwohl habe sich der Kläger, der ab dem 01.11.2009 ein neues Arbeitsverhältnis begonnen habe, im Monat Oktober 2009 nicht in Annahmeverzug befunden. In Annahmeverzug wäre die Beklagte gem. § 293 BGB nur geraten, wenn sie die vom Kläger angebotene Leistung für den Monat Oktober 2009 nicht angenommen habe. In einem unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis müsse der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung gem. § 149 BGB tatsächlich anbieten. Streiten aber die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genüge gem. § 295 BGB bereits ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt hat, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot könne darin liegen, dass der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und / oder eine Bestandsschutzklage einreiche. Ein solches wörtliches Angebot sei hier aber erst durch die am 31.10.2009 bei der Beklagten zugestellte Kündigungsschutzklage erfolgt, die nicht zurückwirke. Danach stehe fest, dass der Kläger für den gesamten Monat Oktober 2009 die Arbeitsleistung nicht wörtlich angeboten habe.

 

Das Angebot der Arbeitsleistung sei hier auch nicht nach § 296 BGB entbehrlich gewesen.

 

In diesem Zusammenhang komme es nicht darauf an, ob der Kläger für den Monat Oktober 2009 von der Beklagten tatsächlich freige-stellt worden sei. Selbst wenn eine solche Freistellung erfolgt und deshalb ein Angebot der Arbeitsleistung nicht erforderlich sei, sei die Klage hier unbegründet, weil ein Arbeitgeber unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen des Annahmeverzugs nicht in Annahmeverzug gerate, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Unabhängig vom Vorliegen eines Leistungsangebotes und unabhängig davon, ob dieses entbehrlich sei, sei die objektive Leistungsfähigkeit eine unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzuges vorliegen müsse. Die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeute zwar ein Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch müsse der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sei, ein Absehen von den Erfordernissen des  § 297 BGB bedürfe deshalb der aus-drücklichen Vereinbarung der Parteien.

 

Bei einem Streit über die Leistungsfähigkeit habe grundsätzlich der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande sei. Er müsse hierfür Indizien vortragen, aus denen daraus geschlossen werden könne. Davon zu unterscheiden sei der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergäben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden könne. In einem solchen Fall sei die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräume und substantiiert darlege, dass er gleichwohl arbeitsfähig gewesen sei.

 

Bewertung der Entscheidung:

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Nach Ausspruch der Kündigung am 27.06.2009 hat sich der Kläger zunächst über Monate hinweg nicht mehr bei der Beklagten gemeldet. Er hat gegen diese Kündigung weder irgendwie Protest erhoben noch innerhalb der Frist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben. Erstmals mit der bei der Beklagten erst am 31.10.2009 eingehenden Kündigungsschutzklage hat der Kläger Einwände gegen die Kündigung erhoben und seine Arbeitskraft angeboten. Mit Einreichung dieser Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht am 27.10.2009 hat er gleichzeitig einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und unter Beweisantritt vorgetragen, er sei im Anschluss an die Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und weder prozess- noch geschäftsfähig gewesen und erst am 26.10.2009 wieder so weit hergestellt gewesen, dass er habe erkennen können, der Beklagten müsse bei der Kündigungsfrist offenbar ein Irrtum unterlaufen sein. Es ist daher richtig, wenn das Bundesarbeitsgericht vom Kläger in dieser Situation verlangt, dass er näher erläutern muss, aufgrund welcher Tatsachen er gleichwohl ab dem 01.10.2009 für die geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer arbeitsfähig gewesen sein soll. Da dies seitens des Klägers nicht erfolgt ist, war es folgerichtig richtig, ihm für den Monat Oktober 2009 Annahmeverzugslohn zu verwehren.

 

Praxisfolgen:

Der Fall zeigt erneut: Der Arbeitgeber sollte bei der Formulierung eines ordentlichen Kündigungsschreibens sehr sorgfältig vorgehen. Die Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist kann zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führen, wenn sich dem mit zu kurz berechneter Kündigungsfrist versehenen Kündigungsschrei-ben nicht zumindest im Wege der Auslegung entnehmen lässt, dass die Kündigung unter Einhaltung der an sich geltenden ordentlichen Kündigungsfrist ausgesprochen sein soll. Ratsam ist es in solchen Fällen immer, eine Kündigung mit dem Hinweis „ordentlich zum nächst zulässigen Termin, das dürfte der … sein“ zu formulieren. Bestehen aufgrund des Vortrages des den Annahmeverzugslohn begehrenden Arbeitnehmers Zweifel an dessen Leistungsfähigkeit im Annahmeverzugszeitraum, muss dieser näher erläutern, aufgrund welcher Tatsachen er gleichwohl für die geschuldete Tätigkeit im Annahmeverzugszeitraum leistungsfähig war. Das gilt nur dann nicht, wenn die Arbeitsvertragsparteien eine Freistellung des Arbeitnehmers und damit ein Absehen von den Erfordernissen des § 257 BGB ausdrücklich vereinbart haben, BAG, 23.01.2008, 5 AZR 393/07, juris, Rz. 13.

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