Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Kürzung des Urlaubs wegen Elternzeit

Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit setzt gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG eine entsprechende rechtsgeschäftliche Erklärung des Arbeitgebers voraus, welche aufgrund der Aufgabe der Surrogatstheorie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr abgegeben werden kann.

(BAG, Urteil vom 19.05.2015, 9 AZR 725/13 )

Sachverhalt:
Die Klägerin war bei der beklagten Arbeitgeberin ab dem 01.04.2007 als Ergotherapeutin beschäftigt. Nach Feststellung einer Schwangerschaft bestand ab dem 01.05.2010 ein Beschäftigungsverbot. Nach der Geburt und nach Ablauf der Mutterschutzfristen befand sich die Klägerin seit dem 16.02.2011 in Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis wurde während der Elternzeit mit Ablauf des 15.05.2012 einvernehmlich beendet. Mit Schreiben vom 24.05.2012 verlangte die Klägerin von der Arbeitgeberin unter anderem die Abgeltung der nicht von Ihr in Anspruch genommenen Urlaubstage aus den Jahren 2011 und 2012. Die Klägerin verfolgte nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung diese Ansprüche gerichtlich. Nach Zustellung der Klage erklärte die beklagte Arbeitgeberin, sie kürze den Erholungsurlaub der Klägerin für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das Landesarbeitsgericht Hamm die Beklagte zur Abgeltung des Urlaubs, welcher während der Elternzeit entstanden war, verurteilt. Mit der Revision verfolgte die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter.

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, voraussetzt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub zum Zeitpunkt der Kürzungserklärung des Arbeitgebers noch besteht. Das ist nicht (mehr) der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits beendet ist und ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung besteht.

Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst darauf hingewiesen, dass der Klägerin zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15.05.2012 noch Urlaubsansprüche auch aus dem Jahr 2011 zustanden. Auch während der Elternzeit, die zu einer Suspendierung der Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses führe, entstünden Urlaubsansprüche. Da die Klägerin bereits länger als 6 Monate beschäftigt war, sei bereits Anfang Januar 2011 und damit vor dem Beginn der Elternzeit im Februar 2011 der volle Urlaubsanspruch entstanden. Dieser volle Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 sei sind nicht gem. § 7 Abs. 3 BurlG am 31.12.2011 verfallen. § 17 Abs. 2 BEEG stelle sicher, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Beginns der Elternzeit noch nicht gewährten Urlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren habe.

Die Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen der Elternzeit erfolgt nicht automatisch. Das Recht des Arbeitgebers, den Erholungsurlaub wegen der Elternzeit gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG zu kürzen, erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zunächst eine entsprechende rechtsgeschäftliche Erklärung des Arbeitgebers, welcher von diesem Recht Gebrauch machen kann aber nicht muss.

Es war in der Rechtsprechung und Literatur bislang umstritten, ob der Arbeitgeber die Kürzungserklärung nur während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses oder auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeben konnte. Dabei wurde die Ansicht, dass eine Kürzungserklärung auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich sei, insbesondere mit der Surrogatstheorie begründet, wonach der Urlaubsanspruch sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umwandelte, welcher auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den weiteren Regularien des Urlaubsanspruchs unterlag. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Surrogatstheorie jedoch mit Urteil vom 19.06.2012 vollständig aufgegeben. Danach sei – so das Bundesarbeitsgericht – auch die Regelung über die Kürzungsmöglichkeit des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG auf den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht anzuwenden. Im Übrigen sei auch ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Kürzungsmöglichkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gegeben

Die Beklagte könne sich im vorliegenden Fall auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil insoweit eine gefestigte Rechtsprechung des BAG zu der Regelung in § 17 Abs. 1 BEEG nicht bestanden habe. Die von der Beklagten genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts bezogen sich allesamt auf die Vorgängervorschrift in § 17 BErzGG. Auch habe die Beklagte seit Beginn der Elternzeit im Jahre 2011 nicht darauf vertrauen können, dass das Bundesarbeitsgericht die Rechtsprechung zu § 17 BErzGG auf § 17 BEEG übertragen werde, weil zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen sei, dass die Surrogatstheorie nicht aufrecht erhalten bleiben konnte.

Bewertung der Entscheidung:
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist die Konsequenz aus der Aufgabe der Surrogatstheorie. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist seitdem gerade kein Ersatz mehr für den Urlaubsanspruch, sondern ein reiner Geldanspruch, welcher den weiteren Regularien des Urlaubsrechts nicht unterworfen ist.

Praxisfolgen:
Arbeitgeber sind gut beraten, von der ihnen zustehenden Kürzungsmöglichkeit des Urlaubs wegen der Elternzeit gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG frühzeitig, jedenfalls vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch zu machen. Die Kürzungserklärung sollte bereits in das in der Praxis üblicherweise an den Arbeitnehmer versandte Bestätigungsschreiben mit aufgenommen werden.

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