Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass einem Arbeitnehmer, dem zu Unrecht fristlos gekündigt wurde, für die Zeit der Teilnahme an einem Streik nach Ausspruch der Kündigung kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn zusteht. (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juli 2012 – 1 AZR 563/11 -).
Sachverhalt:
Nachdem bei der Beklagten Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrags gescheitert waren, rief die Gewerkschaft die Beschäftigten am 13. April 2010 zu einem unbefristeten Streik auf. Während des Arbeitskampfes wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2010 fristlos gekündigt. Mit Urteil vom 14. Juli 2010 stellte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit dieser Kündigung fest. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Klägerin durchgehend am Streik beteiligt. Mit ihrer Klage verlangt sie Annahmeverzugslohn für die Zeit vom Zugang der Kündigung bis zur Urteilsverkündung. Sie macht geltend, nach Erhalt der Kündigung habe sie nicht mehr im Rechtssinne streiken, sondern sich nur noch mit den streikenden Kollegen solidarisch erklären können.
Das Arbeitsgericht Herford hat die Lohnzahlungsklage der Klägerin abgewiesen. Das LAG Hamm hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin beim höchsten deutschen Arbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
Die Argumentation der Klägerin ließ das Bundesarbeitsgericht nicht gelten. Es ist ebenfalls wie die Vorinstanzen der Auffassung, dass die Klägerin wegen ihrer Streikteilnahme leistungsunwillig iSd. § 297 BGB sei. Das schließe einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB aus.
Bewertung der Entscheidung:
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts überzeugt hinsichtlich des Ergebnisses auf ganzer Linie. Wer Kündigungsschutzklage erhebt, bringt damit zum Ausdruck, weiter Arbeitnehmer beim kündigenden Arbeitnehmer zu sein. Damit bestehen alle Rechte, aber auch Pflichten weiter fort. Hinsichtlich der Begründung der BAG-Entscheidung fragt sich, warum das Bundesarbeitsgericht auf § 297 BGB zurückgegriffen hat. Ein Anspruch aus § 615 BGB schied vorliegend doch schon deshalb aus, weil die Teilnahme an einem Streik die gegenseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert. In diesem Fall können Annahmeverzugsanspruche von vornherein nicht entstehen.
Praxisfolgen:
Nach dieser Entscheidung sollten sich Arbeitnehmer nach fristloser Kündigung genau überlegen, ob sie an einem Streik teilnehmen wollen. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung nicht aufgelöst wurde, besteht kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Der Grundsatz, dass man nicht streiken und gleichzeitig beim Arbeitgeber die Hand aufhalten kann, gilt eben auch nach einer fristlosen Kündigung.