Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Neue Möglichkeiten zur Anpassung arbeitsvertraglicher Einheitsregelungen

Die Arbeitsvertragsparteien können im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbaren, dass die darin getroffenen Regelungen einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Eine Betriebsvereinbarungsoffenheit kann bei Vorliegen entsprechender Begleitumstände sogar konkludent vereinbart worden sein. Vom Vorliegen einer solchen konkludent vereinbarten Betriebsvereinbarungsoffenheit in Arbeitsverträgen ist sogar regelmäßig auszugehen, wenn der Vertragsgegenstand in AGB enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Solchen in AGB vereinbarten Öffnungsklauseln steht die Vorschrift des § 307 BGB nicht entgegen.

 

(BAG, Urteil vom 05.03.2013 – 1 AZR 880/11 – juris)

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze. Der Kläger ist der Auffassung, dass sein Arbeitsverhält-nis zur Beklagten nicht durch die im Unternehmen geregelte Altersgrenzenregelung beendet worden ist. Die entsprechende Regelung in einer Gesamtbetriebsvereinbarung führe zu nach dem AGG unzulässigen Benachteiligungen wegen des Alters. Eine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung könne in Betriebsvereinbarungen nicht vereinbart werden. Bei der Einstellung sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache etwaigen Altersgrenzenregelungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung vor.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat sich den klageabweisenden Urteilen des Arbeits- und Landesarbeitsgerichts angeschlossen und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Es hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zudem in der Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze endete.

 

Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greife nicht ein. Die Altersgrenzenregelung verstoße nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG und auch nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG.

 

Hier hätten die Arbeitsvertragsparteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen hinsichtlich einer Altersgrenzenregelung in den von der Beklagten vorgegebenen AGB betriebsvereinbarungsoffen gestaltet. Grundsätzlich seien die Arbeitsvertragsparteien frei darin, ihre vertraglichen Absprachen dahingehend zu gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das könne ausdrücklich oder bei Vorliegen entsprechender Begleitumstände konkludent erfolgen und sei nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen oder Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden. Eine solche konkludente Vereinbarung sei sogar regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sei und einen kollektiven Bezug habe. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen mache der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen wäre nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Der Abschluss von betriebsvereinbarungsfesten Abreden würde zudem den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet seien, könne aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handele, die eine Änderung durch Betriebsvereinbarungen zugänglich seien. Etwas anderes ergebe sich nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbarten, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen.

 

Bewertung der Entscheidung

Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sie liegt konsequent auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung (BAG, Großer Senat, B. v. 16.09.1986, GS 1/82, juris), nach der bereits anerkannt war, dass arbeitsvertragliche Absprachen unter einen Änderungsvorbehalt durch betriebliche Normen gestellt werden konnten.

 

Praxisfolgen

Da Arbeitsverträge in der Praxis fast ausnahmslos AGB sind, ist den Arbeitsvertragsparteien mit dieser Entscheidung ein weitreichendes Instrument zur Anpassung arbeitsvertraglicher Einheitsregelungen an die Hand gegeben.

 

Öffnungsklauseln können sich dabei inhaltlich auf einzelne Arbeitsbedingungen, in ihrer weitesten Form allerdings auch auf den gesamten Inhalt des Arbeitsvertrages beziehen, der so zur Disposition der Kollektivvertragsparteien gestellt wird. Geht man mit dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 07.06.2011, 1 AZR 807/09, juris Rn. 34 f.) von einer sachlich unbeschränkten Regelungszuständigkeit des Betriebsrats aus, so stellt diese Rechtsprechung ein weitreichendes und sehr effektives Instrument zur Anpassung arbeitsvertraglicher Einheitsregelungen dar. Wenngleich das Bundesarbeitsgericht sich in der Entscheidung vom 05.03.2013 nur zur Betriebsvereinbarungsoffenheit geäußert hat, spricht nichts dagegen, wenn die angenommene konkludente Öffnung des Arbeitsverhältnisses auch für die mit höherer Richtigkeitsgewähr versehenen Tarifverträge gilt. Die in der Literatur vereinzelt geäußerte Kritik an diese Rechtsprechung (Preis / Ulber, NZA 2014, 6 f.) wird verhallen.

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