Nach einem Urteil des ArbG München ist die sachgrundlose Befristung von Betriebsratsmitgliedern nach § 14 Abs. 2 TzBfG aufgrund europarechtlicher Vorgaben unzulässig.
Sachverhalt:
Das Arbeitsgericht München hat bereits am 08.10.2010 in einem bislang in der arbeitsrechtlichen Literatur noch weitgehend unbeachtet gebliebenen Urteil entschieden, dass die sachgrundlose Befristung bzw. die sachgrundlose Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG unzulässig ist mit der Folge, dass das betroffene Betriebsratsmitglied ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geltend machen kann. In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte ein Lebensmitteleinzelhändler am 16.06.2008 einen Mitarbeiter zunächst befristet für 6 Monate, dann verlängert um weitere 6 Monate, letztmalig verlängert um ein weiteres Jahr, bis zum 15.06.2010 beschäftigt. Die ursprüngliche Befristung des Arbeitsvertrages sowie die Verlängerungen wurden jeweils sachgrundlos auf § 14 Abs. 2 TzBfG gestützt. Am 22.04.2010, also vor der letzten Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages, wurde der Mitarbeiter zum Betriebsratsmitglied gewählt. Nach Ablauf der vorgesehen Befristung erhob der Mitarbeiter Entfristungsklage und machte ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beim Arbeitsgericht München geltend. Das Arbeitsgericht München gab dem Kläger recht und stützte seine Entscheidung darauf, dass die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bei einem gewählten Betriebsrat nicht auf die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG gestützt werden könne, da diese Ausnahmevorschrift richtlinienkonform nach Artikel 7 der Richtlinie 2002/14/EG nicht als Rechtfertigung für die Befristung herangezogen werden könne, wenn ein Arbeitnehmer zum Betriebsrat gewählt worden sei.
Bewertung der Entscheidung:
Das Arbeitsgericht München lehnt sich mit seiner Entscheidung weit aus dem Fenster. Die Entscheidung ist überraschend, da in der arbeitsrechtlichen Literatur die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 TzBfG auf Betriebsratsmitglieder in der Vergangenheit nicht in Frage gestellt wurde. Inhaltlich ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 7 der Richtlinie 2002/14/EG den Mitgliedsstaaten lediglich allgemein aufgibt, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitnehmervertreter bei der Ausübung ihrer Funktion einen ausreichenden Schutz und ausreichende Sicherheiten genießen, die es ihnen ermöglichen, die ihnen übertragenen Aufgaben in angemessener Weise wahrzunehmen. Nach Rechtsprechung des EuGH verfügen die Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Umsetzung des durch Artikel 7 vorgesehenen Schutzes von Betriebsratsmitgliedern über ein weites Ermessen. So ergebe sich unter anderem nach Rechtsprechung des EuGH weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Artikels 7, dass den darin geforderten Anforderungen nur dann genügt wäre, wenn Arbeitnehmervertretern durch die Mitgliedsstaaten ein verstärkter Kündigungsschutz gewährt würde (vgl. EuGH, Urteil vom 11.02.2002 – C 405/08 -). Diese Rechtsprechung zugrunde gelegt und das weite Ermessen der Bundesrepublik Deutschland bei der Umsetzung des Artikels 7 der Richtlinie 2002/14/EG vor Augen, scheint es uns keineswegs zwingend, dass dem Schutz von Betriebsratsmitgliedern im Befristungsrecht nur durch den Ausschluss der Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung Rechnung getragen werden könnte (ArbG München, Urteil vom 08.10.2010 – 24 Ca 861/10 -).
Praxisfolgen:
Das rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts München bindet andere Arbeitsgerichte zwar nicht, es ist allerdings nicht völlig auszuschließen, dass andere Gerichte sich an dem Vorbild des Arbeitsgerichts München orientieren und ähnlich entscheiden, zumal das Arbeitsgericht München schon einmal durch Vorlage einer Rechtsfrage an den EuGH dafür gesorgt hat, dass mit der dann vom EuGH gefassten sogenannten „Mangoldt-Entscheidung“ die in § 14 Abs. 3 TzBfG aF. vorgesehene sogenannte Altersbefristung „gekippt“ wurde. Es bleibt daher spanend und abzuwarten, wie andere Gericht mit dieser Rechtsfrage umgehen werden. Aus Sicht des sachgrundlos befristet beschäftigten Betriebsratsmitgliedes besteht Anlass, bei einer Nichtverlängerung des befristeten Vertrages die Rechtswirksamkeit gerichtlich überprüfen zu lassen, um ggf. so in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zu gelangen. Für die Unternehmensseite sollte die Entscheidung Anlass sein, zu prüfen, ob es befristet beschäftigte Betriebsratsmitglieder im Unternehmen gibt. Die sachgrundlose Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages, wenn der Mitarbeiter zuvor zum Betriebsratsmitglied gewählt worden ist, sollte in jedem Fall überdacht werden.