Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Schmerzensgeld wegen Mobbing - Zu den Anspruchsvoraussetzungen

Systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren durch Kollegen oder Vorgesetzte (= Mobbing) muss nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.03.2013 grundsätzlich der klagende Arbeitnehmer darlegen und beweisen. Es muss sich aus diesem Vortrag ergeben, dass einzelne unter konkreter Angabe deren zeitlicher Lage bezeichnete Handlungen oder Maßnahmen, aus denen der Arbeitnehmer die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet, nach der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung darauf gerichtet sind, Rechte und Rechtsgüter – im Regelfall das Persönlichkeitsrecht und / oder die Gesundheit des Betroffenen – zu beeinträchtigen. Nur dann ist nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf eine Prüfung darüber möglich, ob die behaupteten Vorgänge für sich allein oder in der Gesamtschau zu einer Rechtsbeeinträchtigung geführt haben.

 

Sachverhalt:

Das Landesarbeitsgericht hat die auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 893.000,00 € gerichtete Klage einer seit 1995 im Revisionsdienst der Beklagten tätigen Mitarbeiterin abgewiesen und damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Solingen bestätigt: Grundsätzlich könne der Arbeitgeber nach der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten – auch durch einen Erfüllungsgehilfen – zur Zahlung von Schmerzensgeld gem. §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 278 BGB i. V. m. §§ 241 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB verpflichtet werden. Es müsse sich dabei aber um Pflichtverletzungen durch solche Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers handeln, auf die der Arbeitgeber die Einhaltung seiner im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschuldeten Fürsorge- und Schutzpflichten übertragen habe und die gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer diese Pflichten konkretisieren bzw. Weisungsrechte hätten. Eine Zurechnung komme daher nicht in Betracht, wenn gleichgestellte Kollegen agieren.

 

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf setzt sich dann in seiner Entscheidung mit den einzelnen von der Klägerin vorgetragene Handlungen bzw. Maßnahmen auseinander, aus denen sie die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet und die sie als Mobbing bewertet.

 

Soweit sie kritisiert, von ihrem Arbeitgeber trotz flexibler Arbeitszeitregelung danach befragt worden zu sein, wo sie sich zu einer ganz bestimmten Dienstzeit aufgehalten habe, sei eine solche Kontrolle durch den Arbeitgeber, die den Grund für die Abwesenheit der Klägerin nachvollziehen wolle, schon grundsätzlich nicht zu beanstanden. Auch stellt nicht jede berechtigte oder überzogene Kritik eine Persönlichkeitsverletzung dar, insbesondere dann nicht, wenn diese im Rahmen einer ohnehin bestehenden Auseinandersetzung über die Erledigung von Aufgaben oder bei krankheitsbedingten Fehlzeiten fielen. Es sei nach Meinung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auch naheliegend und erforderlich, bei Vorliegen von Krankheitszeiten oder sonst Auseinandersetzungen bezüglich der Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers, dessen Arbeits- und Einsatzfähigkeit medizinisch überprüfen zu lassen. Die Durchführung medizinischer Testungen könne insbesondere dann nicht als Persönlichkeitsverletzung bewertet werden, wenn der Arbeitnehmer mit solchen Testungen einverstanden sei. Hinzu komme, dass ein Arbeitnehmer jederzeit selbst darüber entscheiden könne, ob er bzw. welche Untersuchungen er durchführen lässt.

 

Äußerungen von Vorgesetzten, die im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung z. B. über Umstrukturierungsfragen fallen, dürften in diesem Zusammenhang nicht auf die Goldwaage gelegt werden, insbesondere wenn sie sich nicht ständig wiederholten. Ihnen könne im Rahmen der Beurteilung eines andauernden Verhaltens kein Gewicht beigemessen werden. Grundsätzlich seien im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen ohnehin nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen. Das gelte auch für den Fall des Ausspruchs einer unwirksamen Kündigung, jedenfalls wenn der Arbeitgeber mit dem Kündigungsausspruch nicht auch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des gekündigten Arbeitnehmers beabsichtigt habe. Generell handele es sich bei gerichtlichen Auseinandersetzungen in der Regel um im Arbeitsleben normale Konflikte, die unter Zurhilfenahme der Arbeitsgerichte geklärt würden, auch wenn sich nachher die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme herausstellte. Das gelte auch für Formulierungen in Zeugnissen, insbesondere, wenn diese vor dem Hintergrund unterschiedlicher Auffassungen der Arbeitsvertragsparteien bezüglich der Leistungen des Arbeitnehmers erstellt werden. Auch seien die Einzelheiten der Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach ausgeurteiltem Weiterbeschäftigungsanspruch im Einzelnen durch die Vorschriften zum Annahmeverzug und durch die Vorschriften über Vollstreckungsmaßnahmen gesetzlich geregelt, sodass sie schon grundsätzlich bei der Frage des Vorliegens von Persönlichkeitsverletzungen keine Berücksichtigung finden könnten. Auch scheide die Zuweisung bestimmter Arbeitsaufgaben als Mosaikstein für ein Mobbing-Szenario aus, wenn diese Zuweisung vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sei. Selbst vom Direktionsrecht nicht mehr gedeckte Maßnahmen würden als Schikane-Vorwurf ausscheiden, wenn sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zugrunde lägen. Auch die Auslegung eines Abwesenheitsbuches scheide als Mosaikstein eines Mobbing-Szenarios aus, wenn alle Mitarbeiter ihre Abwesenheit dort eintragen müssten. Das gelte auch, wenn die Arbeitgeberin den Büroraum eines Mitarbeiters im Verwaltungsgebäude auflöse, weil sie nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung von dessen Wirksamkeit ausgehe.

 

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf kommt in einer Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im Einzelnen kein Verhalten der beklagten Arbeitgeberin oder ihrer Vorgesetzten vorgetragen habe, aus dem die Systematik und Zielsetzung entnommen werden könne, die Klägerin auf Dauer in ihrer Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Alle von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalte hatten nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf einen nachvollziehbaren Hintergrund, sodass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil aus erster Instanz zurückgewiesen werden musste, vgl. LAG Düsseldorf, 26.03.2013, Az. 17 Sa 602/12, juris.

 

Bemerkung:

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.03.2013 setzt sich sorgfältig mit dem Vortrag der Klägerin zu jedem einzelnen Sachverhalt auseinander und begründet überzeugend, dass die von der Klägerin vorgetragenen beruflich geprägten Sachverhalte die Grenzen von jeweils im Betrieb üblichen Konfliktsituationen nicht überschreiten. Die von der Klägerin in dem Rechtsstreit vorgetragenen Scheinsachverhalte sind deshalb zurecht als sozial-adäquat bewertet worden, die als Schikane-Vorwurf nicht geeignet sind.

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