Arbeitsrecht

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Sonderkündigungsschutz für Ersatzmitglieder des Betriebsrates

Das BAG hat den Sonderkündigungsschutz für Ersatzmitglieder des Betriebsrats gestärkt. Ein Ersatzmitglied rückt danach bei urlaubsbedingter Abwesenheit des ordentlichen Betriebsratsmitglieds automatisch und unabhängig von der Wahrnehmung konkreter Betriebsratsaufgaben in den Betriebsrat nach. Das Ersatzmitglied muss dabei keine Kenntnis von dem Verhinderungsfall haben. Für die Zeit der Verhinderung des Betriebsratsmitglieds genießt das Ersatzmitglied den Sonderkündigungsschutz gem. 15 Abs.1 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG, d.h. der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ist erst nach ggf. gerichtlich ersetzter Zustimmung des Betriebsrates möglich.

 

Sachverhalt:

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung wegen vorsätzlichen Spesenbetrugs. Beim Arbeitgeber ist ein Betriebsrat gewählt und der klagende Arbeitnehmer war erstes Ersatzmitglied und wurde zuletzt am 10.03.2009 zu einer Betriebsratssitzung hinzugezogen. Am 07.04.2009 hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zu einer außerordentlichen Kündigung gem. § 102 BetrVG an. Am 14.04.2009 bewilligte der Arbeitgeber einem ordentlichen Betriebsratsmitglied Erholungsurlaub für den Zeitraum vom 15. bis 20.04.2009.

 

Mit Schreiben vom 15.04.2009, welches am gleichen Tage gegen 10:00 Uhr zuging, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers außerordentlich fristlos. Am gleichen Tag nahm das beurlaubte Betriebsratsmitglied – trotz Urlaub – ab 16:00 Uhr an einer Besprechung des Betriebsrats zur Abstimmung des weiteren Vorgehens des Betriebsrates in diesem Fall teil.

 

Das BAG hat die Kündigung vom 15.04.2009 mangels Vorliegen der erforderlichen Zustimmung des Betriebsrates gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG für unwirksam erklärt. Die Zustimmung war deshalb erforderlich, weil das Ersatzmitglied am 15.04.2009 mit Beginn des Arbeitstages für das urlaubsbedingt verhinderte Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nachgerückt war. Ihm stand damit im Kündigungszeitpunkt der besondere Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG zu, weswegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung der Zustimmung des Betriebsrates bedurfte.

 

Nach § 25 BetrVG rückt ein Ersatzmitglied in den Betriebsrat nach, sofern ein ordentliches Mitglied aus diesem ausscheidet oder zeitweilig verhindert ist. Nach der Entscheidung des BAG führt die Bewilligung von Urlaub nicht nur zum Ruhen der Arbeitsverpflichtung, sondern auch dazu, dass dem Betriebsratsmitglied die Amtsausübung grundsätzlich unzumutbar wird. Das beurlaubte Betriebsratsmitglied gilt danach zumindest so lange als zeitweilig verhindert, bis es seine Bereitschaft, gleichwohl Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, positiv anzeigt. Das Nachrücken des Ersatzmitglieds hängt nicht davon ab, ob das Ersatzmitglied während der Vertretungszeit tatsächlich Betriebstätigkeiten erledigt oder dem Ersatzmitglied die Verhinderung des ordentlichen Mitglieds überhaupt bekannt ist.

 

Bewertung der Entscheidung:

Mit der Entscheidung stärkt das BAG den Kündigungsschutz von Ersatzmitgliedern des Betriebsrates. Diese Entscheidung begründet allerdings erhebliche Probleme für den Arbeitgeber, die Frage des Sonderkündigungsschutzes im Zeitpunkt des Kündigungszugangs zuverlässig zu klären. Wäre die Kündigung am 15.04.2009 kurz nach 16:00 Uhr zugegangen, wäre sie jedenfalls nicht aufgrund mangelnder Zustimmung des Betriebsrates unwirksam gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte nämlich das ordentliche Betriebsratsmitglied durch die Teilnahme an der Besprechung des Betriebsrates seine Bereitschaft, trotz Urlaub Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, positiv anzeigt. Mit der Frage, wie der Arbeitgeber zuverlässig davon Kenntnis erlangen kann, ob und für welchen Zeitraum ein Betriebsratsmitglied trotz Urlaub bereit ist, Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, setzt sich das BAG nicht auseinander.

 

Praxisfolgen:

Vor der Kündigung von Ersatzmitgliedern des Betriebsrates wird zukünftig auf Arbeitgeberseite genau zu prüfen sein, ob ein Verhinderungsfall vorliegt, das Ersatzmitglied für die Zeit der Verhinderung automatisch in den Betriebsrat nachgerückt ist und damit dem Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder unterfällt. Für Betriebsräte dürfte sich vor dem Hintergrund der Entscheidung eine umfassende Dokumentation der zeitweiligen Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern empfehlen.

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