Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Nutzung eines für dienstliche Zwecke eingerichteten E-Mail-Accounts durch die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zu Zwecken des Arbeitskampfes zu dulden.
(BAG, Urteil vom 15.10.2013, 1 ABR 31/12, juris)
Sachverhalt:
Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt ein Klinikum mit ca. 870 Arbeitnehmern. Dem Betriebsrat ist von der Arbeitgeberin ein E-Mail-Account nach dem Muster „Betriebsrat@arbeitgeber.de“ zugewiesen. Soweit Beschäftigte der Arbeitgeberin über namensbezogene E-Mail-Accounts verfügen, gestattet die Arbeitgeberin nach einer Anordnung aus September 2010 ausschließlich eine dienstliche Nutzung. Im Rahmen laufender Tarifverhandlungen rief der Landesverband der Gewerkschaft für den 13.04.2011 zu einem Warnstreik im Klinikum der Arbeitgeberin auf. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende verbreitete den Streikaufruf am 11.04.2011 im Klinikum über seinen namenbezogenen E-Mail-Account und rief die Mitarbeiter auf, an dem Streik teilzunehmen. Er signalisierte die Mail mit den Worten: „Für die ver.di-Betriebsgruppe.“. Es folgten dann die Namen des Betriebsratsvorsitzenden und der stellvertretenden Vorsitzenden sowie deren dienstliche Durchwahlnummern und private Mobilfunknummern. Über den namensbezogenen dienstlichen E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden erfolgte kein Streikaufruf.
Die Arbeitgeberin hat beim Arbeitsgericht mit Unterlassungsanträgen verlangt, dem Betriebsratsvorsitzenden sowie dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden aufzugeben, es zu unterlassen, die dem Betriebsrat von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten sachlichen Mittel, insbesondere die Telefonanlage und die E-Mail-Accounts für den Aufruf und die Durchführung eines Streiks von ver.di zu nutzen, insbesondere im Streitkaufruf von ver.di die Durchwahltelefonnummer des Betriebsratsvorsitzenden und die des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden anzugeben.
Der Betriebsrat sowie der stellvertretende Betriebsrat haben Antragsabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei nach Artikel 9 Abs. 3 GG verpflichtet, die Nutzung der Telefonanlage und des E-Mail-Accounts für einen Streikaufruf zu dulden.
Das Arbeitsgericht hat den gegen den Betriebsratsvorsitzenden und stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gerichteten Unterlassungsanträgen der Arbeitgeberin entsprochen, die gegen das Betriebsratsgremium gerichteten Anträge hat es rechtskräftig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden des Betriebsrats und des stellvertretenden Betriebsrats zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen der Betriebsratsvorsitzende sowie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ihre Abweisungsanträge weiter.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerden zum Teil für begründet gehalten:
1.
Das BAG führt zunächst aus, als Anspruchsgrundlage komme § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG nicht in Betracht. Nach dieser Bestimmung seien Maßnahmen des Arbeitskampfs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unzulässig. Die Verletzung dieser Neutralitätspflicht durch Mitglieder des Betriebsrats begründeten jedoch keinen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin.
2.
Als Anspruchsgrundlage komme vielmehr § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht, nach der der Eigentümer einer Sache, wenn sein Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung beeinträchtigt wird, vom Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, kann er nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Unterlassung klagen. Der Anwendung von § 1004 BGB stehe die betriebsverfassungsrechtliche Sektion des § 23 BetrVG, die bei groben Amtspflichtverletzungen des Betriebsrats oder einzelner seiner Mitglieder lediglich die Möglichkeit der gerichtlichen Auflösung des Betriebsrats oder den Ausschluss einzelner seiner Mitglieder kennt, nicht entgegen.
3.
Das Bundesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Bezug auf den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden vorliegen. Es gelte unabhängig davon, ob ihm seitens der Beklagten die Kommunikationstechnik mit E-Mail-Account als Sachmittel nach § 40 Abs. 2 BetrVG oder als Arbeitsmittel unabhängig von seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied zur Verfügung gestellt worden sei.
Handele es sich um ein Sachmittel i. S. v. § 40 Abs. 2 BetrVG, könne der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende den E-Mail-Account der Arbeitgeberin nur für Betriebsratstätigkeiten nutzen. Hierzu zähle aber nicht die Versendung von Streikaufrufen einer Gewerkschaft. Da damit die Mitarbeiter zur Arbeitsniederlegung mobilisiert werden sollen, handele es sich um Maßnahmen des Arbeitskampfes. Solche seien jedoch nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BetrVG gegenüber dem Arbeitgeber unzulässig. Eine derartige Nutzung der bereitgestellten Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsratstätigkeit durch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden beeinträchtige vielmehr das Eigentumsrecht der Arbeitgeberin, auch nachdem diese im September 2010 ausdrücklich angeordnet habe, dass das Internet und E-Mail-System ausschließlich für dienstliche Zwecke genutzt werden dürfen. Hierzu sei sie berechtigt gewesen, weil sie von ihrem Recht aus § 903 BGB Gebrauch gemacht habe, Art und Umfang der Nutzung ihres Eigentums im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung näher zu bestimmen. Da der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende mit der Versendung oder Verbreitung von Streikaufrufen an Mitarbeiter keine im Arbeitgeberinteresse liegenden dienstlichen Zwecke, sondern persönliche koalitionspolitische Ziele verfolgt habe, nutze er in diesen Fällen den bereitgestellten E-Mail-Account bestimmungswidrig und beeinträchtige dadurch das Eigentumsrecht der Arbeitgeberin aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Auch bestehe in Bezug auf den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden die nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Besorgnis weitere Beeinträchtigungen (sog. Wiederholungsgefahr). Solche weitere Beeinträchtigungen seien grundsätzlich dann zu besorgen, wenn die objektive Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung bestehe. Die Wiederholungsgefahr beschränke sich dabei nicht auf die identische Verletzungsform, sondern umfasse alle im Kern gleichgelagerten Verletzungsformen. Dabei wäre die Besorgnis künftiger Rechtsverletzungen durch bereits erfolgte Verletzungshandlungen grundsätzlich indiziert (vgl. BAG, 20.11.2012, 1 AZR 179/11, Rz. 79). Eine Wiederholungsgefahr sei daher nur dann ausgeschlossen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen keine erneute Verletzungshandlung zu erwarten sei (vgl. BAG, 07.02.2012, 1 ABR 77/10, Rz. 15). Hiernach bestehe aufgrund der bereits erfolgten Beeinträchtigung des Eigentums der Arbeitgeberin durch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden die Gefahr, dass dieser auch zukünftig in ihm von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten E-Mail-Account zur Versendung und Verbreitung von Streikaufrufen verwenden werde. Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen werde bereits dadurch bestätigt, dass sich der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende gerichtlich wie außergerichtlich einer entsprechenden Berechtigung weiter berühme.
Die Ansprüche der Arbeitgeberin seien auch nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil sich eine Duldungspflicht der Arbeitgeberin nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebe.
4.
Der gegen den Betriebsratsvorsitzenden gerichteten Antrag sei unbegründet, dieser sei nicht Handlungsstörer. Er habe lediglich sein nachträgliches Einverständnis mit der Verbreitung des Streikaufrufs durch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden erklärt, jedoch nicht selbst daran mitgewirkt. Gegen ihn käme daher nur ein vorbeugender Unterlassungsantrag in Betracht. Dieser stelle jedoch einen anderen Streitgegenstand dar (vgl. BAG, 20.11.2012, 1 AZR 611/11, Rz. 80 f.) ein Unterlassungsbegehren zunächst nur mit einer Wiederholungsgefahren begründet, könne dies in der Rechtsbeschwerde nicht auf eine Erstbegehungsgefahr gestützt werden, weil dort kein neuer Streitgegenstand eingeführt werden könne (vgl. BAG, 20.11.2012, 1 AZR 179/11, Rz. 82).
Bewertung der Entscheidung
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Sie zeigt allerdings deutlich, dass Arbeitgeber sehr genau klären sollten, unter welchen Voraussetzungen und für welche Zwecke ihre Mitarbeiter die IT-Systeme des Unternehmens nutzen dürfen. Die Unternehmen sollten daher unmissverständlich klarstellen, ob ihre Arbeitnehmer E-Mails auch für private Zwecke versenden und / oder empfangen dürfen. Soweit der Arbeitgeber eine solche Privatnutzung erlaubt, sollte er klare Vorgaben zum Umgang mit E-Mails im Betrieb aufstellen. Dabei sollte der Arbeitgeber nicht vergessen, dass solche Regelungen auch angemessene Kontrollen vorsehen und diese transparent beschreiben sollten. Sollte ein einzelner Arbeitnehmer in solche Kontrollen nicht einwilligen, sollte die Erlaubnis zur privaten Nutzung der betrieblichen E-Mail-Systeme diesem Arbeitnehmer gegenüber verweigert werden. Das hat für den widersprechenden Arbeitnehmer zur Folge, von seinem dienstlichen E-Mail-Account nur noch dienstliche Nachrichten schreiben und empfangen zu dürfen.
Im Rahmen von Betriebsvereinbarungen zur IT-Nutzung ist es bei guter Vorbereitung solcher Verhandlungen ohne Weiteres möglich, datenschutzrechtliche Hindernisse zu beseitigen. Nach der Rechtsprechung können angemessene Betriebsvereinbarungen sogar den Umgang mit Arbeitnehmerdaten erlauben.
(BAG, Urteil vom 09.07.2013, 1 ABR 2/13 (A), juris)