Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Teilnahmeanordnung an einer Besprechung außerhalb der mitbestimmten Arbeitszeit durch den Arbeitgeber (Betriebsratsbeteiligung)

Der Betriebsrat hat auch dann nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungs-recht, wenn die vom Arbeitgeber beabsichtigte Maßnahme individualrechtlich nicht zulässig ist. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer mit der beabsichtigten Maßnahme des Arbeitgebers von vorneherein einverstanden ist.

BAG, Beschluss vom 30.06.2015 – 1 ABR 71/13 –

Sachverhalt und Entscheidung:

Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Fragen des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen.

Der an dem Verfahren beteiligte Arbeitgeber hatte den bei ihm gebildeten Betriebsrat um die Zustimmung zu einem Dienstplan für den Monat Juli 2011 gebeten. Dieser Dienstplan sah für den 20. des Monats neben den zu verrichtenden Arbeiten eine verpflichtende Dienstbesprechung für die betroffenen Mitarbeiter vor. Nachdem der Betriebsrat diesem Dienstplan nicht zugestimmt hatte, enthielt der ihm vorgelegte geänderte Dienstplan für den 20. des Monats keine Dienstbesprechung mehr. Diesem Dienstplan stimmte der Betriebsrat zu.

Kurze Zeit später wandte sich der Arbeitgeber an die betroffenen Mitarbeiter und lud sie für den 20. des Monats zu einem Dienstgespräch ein. In dem Einladungsschreiben wies der Arbeitgeber darauf hin, dass die Mitarbeiter verpflichtet seien, im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Regelung an diesem Termin teilzunehmen.

Der Betriebsrat hat daraufhin in dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren verlangt, dass es dem Arbeitgeber untersagt werde, anzuordnen, dass seine Arbeitnehmer außerhalb dem im Dienstplan vorgesehenen Dienste an einem Besprechungstermin teilnehmen müssen, ohne dass der Betriebsrat seine Zustimmung erteilt habe oder die Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzt wurde. Der Arbeitgeber hat zur Begründung seines Abweisungsantrages ausgeführt, für die Annahme eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BetrVG fehle es bereits an einem kollektiven Tatbestand. Ein etwaiges Beteiligungsrecht sei zudem nach § 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG ausgeschlossen.

Nachdem das Arbeitsgericht den Anträgen des Betriebsrats zunächst entsprochen hatte, hat das LAG sie auf die Beschwerde des Arbeitgebers abgewiesen. Mit der vom BR eingelegten Beschwerde hat das BAG den Anträgen des BR entsprochen.

Zunächst führt das BAG aus, dass der BR nicht nur die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands verlangen, sondern sich gegen zu erwartende weitere Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruches wehren könne, zuletzt BAG, 25.09.2012 – 1 ABR 49/11 – juris, Rn. 19.

Hier habe der Arbeitgeber mit seinem Einladungsschreiben zum 20. des Monats das Mitbestimmungsrecht des BR aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verletzt.

Der Zweck dieses Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG liege darin, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen.

Das Mitbestimmungsrecht betreffe dementsprechend die Lage der Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit, zuletzt BAG, 25.02.2015 – 1 AZR 642/13 – juris, Rn. 19. Arbeitszeit i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sei die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen habe. Dies umfasse jegliche Tätigkeit, die einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllten, zuletzt BAG, 12.11.2013 – 1 ABR 59/12 – juris, Rn. 20, 57.

Die hier vom Arbeitgeber im Einladungsschreiben vom 05.07.2011 getroffene Anordnung habe die Art und Weise der Ausübung der Arbeitsleistung der betroffenen Mitarbeiter und daher eine fremdnützige Tätigkeit zum Gegenstand gehabt. Auch wenn die Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmer mit der Durchführung dieses Gespräches einverstanden gewesen sei, hebe ein solches Einverständnis die Zuordnung von Anordnungen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Art und Weise der zu erbringenden Arbeitsleistung zu den fremdnützigen Tätigkeiten nicht auf.

Für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates sei auch die individualrechtliche Zulässigkeit der vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen ohne Bedeutung. Der Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sei bereits erfüllt, wenn der Arbeitgeber tatsächliche Maßnahmen in Bezug auf die Festlegung der Arbeitszeit treffe und ein kollektiver Tatbestand bestehe.

Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers fehle es auch nicht an dem nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erforderlichen kollektiven Tatbestand. Ein solcher liege bereits vor, wenn sich eine Regelungsfrage stelle, die über eine ausschließlich einzelfallbezogene Rechtausübung hinausgehe und kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berühre, zuletzt BAG, 07.02.2012 – 1 ABR 63/10 – juris, Rn. 18. Das in Rede stehende Einladungsschreiben sei an eine nach abstrakten Kriterien definierte Gruppe von Arbeitnehmern gerichtet. Es habe sich dabei nicht um eine Maßnahme gehandelt, die durch besondere, nur einen einzelnen Arbeitnehmer betreffende Umstände veranlasst oder inhaltlich bestimmt gewesen sei.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sei schließlich auch nicht nach § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG ausgeschlossen gewesen. Nach dieser Vorschrift finden die Vorschriften des BetrVG u.a. auf solche Unternehmen und Betriebe, welche unmittelbar und überwiegend künstlerischen Bestimmungen dienen, keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes dem entgegensteht. Das sei der Fall, wenn es sich um tendenzbezogene Maßnahmen handele und wenn die Ausübung des Beteiligungsrechtes die Tendenzverwirklichung ernstlich beeinträchtigen kann. Hierfür reiche es aber nicht aus, dass von dieser Tendenz Träger erfasst werden. Die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betreffe in der Regel Angelegenheiten, die vornehmlich den wert- und tendenzneutralen betrieblichen Arbeitsablauf zuzuordnen seien, zuletzt BAG, 11.02.1992 – 1 ABR 49/91 – zu B II 3 c) der Gründe.

Bewertung der Entscheidung:

Die Entscheidung bestätigt die frühere Rechtsprechung zum weitreichenden Umfang der Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Arbeitszeitfragen, vgl. BAG, 09.07.2013 – 1 ABR 19/12 -.

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