– Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 22.01.2019. 9 AZR 45/16 und 9 AZR 328/16 –
Das Bundesarbeitsgericht hat mit zwei Urteilen vom 22.01.2019 nach einer entsprechenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2018 ( EuGH C 2018:871 Bauer und Willmeroth) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Es hat entschieden, dass in richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz den Erben eines im laufenden Arbeitsverhältnis verstorbenen Arbeitnehmers ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubes gegen den Arbeitgeber des verstorbenen Arbeitnehmers zusteht.
Sachverhalt
In beiden entschiedenen Fällen war der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis verstorben. Beide Arbeitnehmer verfügten im Zeitpunkt ihres Todes noch über offene Urlaubsansprüche. Ein Arbeitsverhältnis eines zudem schwerbehinderten Arbeitnehmers war tarifgebunden, der TVöD fand Anwendung. In einem Arbeitsverhältnis war der Urlaubsanspruch individuell im Arbeitsvertrag geregelt.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hatte in der Vergangenheit einen Urlaubsabgeltungsanspruch zugunsten der Erben eines im laufenden Arbeitsverhältnis verstorbenen Arbeitnehmers aufgrund der Regelungen des deutschen Erbrechts abgelehnt. In den besprochenen Entscheidungen hat es nunmehr eine Kehrtwende vollzogen, nachdem der Europäische Gerichtshof in seiner genannten Entscheidung jedenfalls für den Mindesturlaub nach der Urlaubsrichtline 2003/88/EG eine Vererblichkeit angenommen hatte, die einer anderslautenden nationalen Regelung entgegensteht. Das Bundesarbeitsgericht geht nunmehr in richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz davon aus, dass jedenfalls der im Todeszeitpunkt des Arbeitnehmers noch bestehende Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz (von 24 Tagen in der 6-Tage-Woche/ 20 Tagen in der 5-Tage-Woche) gegenüber den Erben eines im laufenden Arbeitsverhältnis verstorbenen Arbeitnehmers abzugelten ist.
Dies soll auch für den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 Absatz 1 SGB IX gelten, da auf diesen die Regelungen für die Entstehung, Übertragung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubes anzuwenden sind.
Für Urlaubsregelungen in Tarifverträgen ist entscheidend, ob für einen tariflichen Mehrurlaub, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht, von den Tarifvertragsparteien ein vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes, eigenständiges Verständnis über den Urlaubsbegriff zugrunde gelegt und insoweit die Vererbbarkeit des tariflichen Mehrurlaubes ausgeschlossen bzw. das Erlöschen des Mehrurlaubsanspruches bei Tod des Arbeitnehmers angeordnet worden ist. Dies wurde vom Bundesarbeitsgericht für die Regelungen des TVöD verneint. Für arbeitsvertragliche Regelungen hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass durchaus ein über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehender Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers so ausgestaltet werden kann, dass bei Tod des Arbeitnehmers ein Abgeltungsanspruch hinsichtlich des übergesetzlichen Urlaubes nicht in die Erbmasse fällt. Dafür muss jedoch ein deutlicher Regelungswille im Vertrag zum Ausdruck kommen, der sich auf die Frage zu beziehen hat, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen den Erben unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Abgeltung vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs zusteht.
Praktische Auswirkungen
Eine lang umstrittene Frage ist mit den ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes geklärt, ob sie nun für zutreffend gehalten werden oder nicht. Der Urlaubsabgeltungsanspruch, der mit dem Tod des Arbeitnehmers ja erst entsteht, ist vererblich. Die Tarifvertragsparteien werden insoweit hinsichtlich der übergesetzlichen Urlaubsansprüche in zukünftigen Tarifverträgen Regelungen gegebenenfalls aufnehmen.
Im Rahmen der Gestaltung von Arbeitsverträgen wurde die Frage der Vererblichkeit von Urlaubsansprüchen bisher nicht geregelt, da sich das Problem nicht stellte. Die jetzt vorliegenden Entscheidungen geben allerdings Anlass, die Frage der Vererblichkeit von übergesetzlichen Urlaubsansprüchen zukünftig zu regeln. Insoweit sind die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ein erneuter Anlass zur Überarbeitung vertraglicher Urlaubsregelungen, nachdem das Bundesarbeitsgericht in den vergangenen Jahren auf Veranlassung des Europäischen Gerichtshofes seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht grundlegend geändert hat. Die Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubsansprüchen wird immer wichtiger.
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