Der Kläger absolvierte bei der Beklagten seit dem 01.08.2010 eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann. Nachdem er am 20.06.2011 das Geld der sich im Nachttresor befindlichen Kassette zu zählen hatte, wurde im Anschluss daran ein Kassenfehlbestand von 500,00 € festgestellt. Obwohl er in einem anschließend geführten Personalgespräch von der Beklagten nur auf eine „unbezifferte Kassendifferenz“ angesprochen worden war, nannte er von sich aus die Höhe des Fehlbetrages. Daraufhin hat die beklagte Arbeitgeberin das Berufsausbildungsverhältnis wegen des durch die Offenbarung vom Täterwissen begründeten Verdachts der Entwendung des Fehlbetrages gekündigt. In der gegen diese Kündigung erhobenen Klage hielt der Kläger die Kündigung mit der Begründung für unwirksam, ein Berufsausbildungsverhältnis könne nicht durch eine Verdachtskündigung beendet werden. Es fehle in diesem Zusammenhang auch an einer ordnungsgemäßen Anhörung, weil ihm vor dem fraglichen Personalgespräch nicht mitgeteilt worden sei, dass er mit einer Kassendifferenz konfrontiert werden solle. Auch sei er in diesem Zusammenhang von der Beklagten nicht auf die Möglichkeit der Einschaltung einer Vertrauensperson hingewiesen worden.
Entscheidung des BAG:
Ebenso wie die Vorinstanzen hat auch das BAG die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Nach Auffassung des BAG ist das Ausbildungsverhältnis durch die Verdachtskündigung beendet worden. Auch im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses könne der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden einen wichtigen Grund zur Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen, wenn der Verdacht auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar mache. Die Vorinstanzen hätten die Umstände des Falles zutreffend gewürdigt und insbesondere die Anhörung des Klägers zu Recht als fehlerfrei angesehen. Auch im Berufungsausbildungsverhältnis sei die vorherige Anhörung des Auszubildenden Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Das Anhörungserfordernis vor Ausspruch einer Verdachtskündigung solle auch hier sicherstellen, dass auch der betroffene Auszubildende die Möglichkeit erhalte, zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf Stellung zu nehmen und die Verdachtsgründe zu entkräften bzw. Entlastungstatsachen anzuführen. Diese Möglichkeit sei dem Kläger in dem Personal- / Anhörungsgespräch in ausreichender Weise eingeräumt worden und er habe hiervon auch Gebrauch gemacht, ohne dass er um ein weiteres Gespräch bzw. um die Hinzuziehung einer Vertrauensperson nachgesucht habe. Daraus habe die Beklagte folgern dürfen, dass der Kläger abschließend zum Kündigungsvorwurf bzw. den Verdachtsmomenten Stellung genommen habe. Im Hinblick darauf, dass der maßgebliche Verdachtsgrund erst im Rahmen seiner Anhörung durch die von ihm selbst genannte Höhe des fehlenden Geldbetrages aufgetreten sei, durfte die Beklagte den Kläger sogleich zu diesem neuen, von ihm selbst gelieferten Verdachtsmoment anhören. Unter den genannten Umständen seien die vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren geforderten verfahrensrechtlichen Anforderungen („ordnungsgemäße“ Einladung zu einem – erneuten – Anhörungsgespräch unter Angabe des Gesprächsthemas und unter Hinweis auf die Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson) überspannt und im Interesse der Sachverhaltsaufklärung auch nicht geboten. Für den Kläger sei auch von Anfang an eine Bestandsgefährdung seines Ausbildungsverhältnisses erkennbar geworden. Der Kläger habe nämlich auf die ihm gestellte Frage, ob er sich vorstellen könne, wie der Fehlbetrag zu Stande gekommen sei, selbst die Rückfrage gestellt, ob sie ihm unterstellen wollten, dass er Geld gestohlen habe. Nachdem der Kläger den Fehlbetrag selbst genannt hatte, wurde ihm vorgehalten, dass der Betrag vorher nicht genannt worden sei bzw. woher er denn den genauen Betrag kennen würde. Dabei habe der Kläger betont, dass er das Geld nicht entnommen habe. Also sei dem Kläger auch bewusst gewesen, dass jedenfalls ein entsprechender Verdacht im Raum stand und dies ggf. Folgen für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses haben könne. Das sei ausreichend.
Entgegen der Ansicht des Klägers habe die Beklagte in diesem Zusammenhang auch keine ihr obliegenden Aufklärungspflichten verletzt. Allein aufgrund des Umstandes, dass theoretisch auch andere Mitarbeiter auf das fehlende Geld hätten Zugriff nehmen können, waren der Beklagten keine weitergehenden Aufklärungsmaßnahmen zumutbar, zumal gerade der mit der Zählung des Geldes beauftragte Kläger den – zuvor weder vor noch bei dem Anhörungsgespräch beitragsmäßig nicht angesprochenen – fehlenden Betrag selbst beziffern konnte und hierfür keine andere plausible Erklärung als eine darin liegende Offenbarung vom Täterwissen erkennbar geworden sei.
Einer vorherigen Abmahnung habe es auch nicht bedurft, weil es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen sei. Die Ausschlussfrist des § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG sei eingehalten, weil die bei den Aufklärungsmaßnahmen der Beklagten eingetretenen Verzögerungen nicht auf ein Verschulden der Beklagten beruhten.
Bewertung der Entscheidung:
Der Entscheidung des BAG vom 12.02.2015 ist zuzustimmen. Es kommt in der Praxis häufig vor, dass der Arbeitnehmer im Rahmen der Anhörung Erklärungen abgibt, die als Offenbarung von Täterwissen den bestehenden Verdacht erhärten. Es wäre reine Förmelei, von der beklagten Arbeitgeberin in der konkreten Situation zu verlangen, zu einem weiteren Anhörungsgespräch einzuladen, weil sich erst aufgrund der Erklärungen des angehörten Arbeitnehmers ein nunmehr als dringend einzustufender Tatverdacht ergeben habe. In diesem Zusammenhang hat das BAG die lesenswerten Ausführungen in der vorausgehenden Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 18.04.2013 – 2 Sa 490/12 – zu Recht vollständig akzeptiert.