Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Verfall von Urlaubsansprüchen

Das BAG legt dem europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob europarechtlichen Vorgaben einer nationalen Regelung wie in § 7 BUrlG entgegenstehen, die als Mo-dalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht und den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von der sich aus einseitig die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen, und – wenn ja – ob dies auch dann gilt, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 –

Sachverhalt:

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der dortige Kläger vom 01.08.2001 bis zum 31.12.2013 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Die Ar-beitgeberin forderte den Kläger mit Schreiben vom 23.10.2013 auf, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der Kläger nahm allerdings nur noch 2 Urlaubstage bis zum 31.12.2013 und forderte im Übrigen mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses die finanzielle Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen.

Nachdem die Vorinstanzen der Klage stattgegeben haben, hat das BAG die Ent-scheidung zur Beantwortung rechtserheblicher Fragen dem europäischen Gerichts-hof zur Beantwortung vorgelegt. Nach deutschem Recht, genauer § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG, verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, wenn – wie hier – keine Übertragungs-gründe nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG vorliegen. Nach deutschem Recht ist der Arbeit-geber nicht verpflichtet, den Urlaub ohne einen Antrag oder einen Wunsch des Ar-beitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und somit dem Arbeitnehmer den Urlaub quasi „aufzuzwingen“. Die Frage, ob Unionsrecht dem entgegensteht, ist vom Ge-richtshof der europäischen Union nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts noch nicht so eindeutig beantwortet worden, dass nicht die geringsten Zweifel an ihrer Beantwortung bestehen. Im Schrifttum werde vielmehr aus dem Urteil des Gerichtshofs der europäischen Union vom 30.06.2016 – C 178/15 – [Sobczyszyn] teilweise abgeleitet, der Arbeitgeber sei gemäß Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG verpflichtet, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen. Ein Teil der nationalen Rechtsprechung versteht die Ausführungen des Gerichtshofs der europäischen Union im Urteil vom 12.06.2014 – C 118/13 – [Bollacke] so, dass der Mindestjahresurlaub gem. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG auch dann nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen (vgl. LAG Köln, Urteil vom 22.04.2016 – 4 Sa 1095/15 -), sondern es das Unionsrecht vielmehr gebiete, § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG so auszulegen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Urlaubsanspruch von sich aus auch ohne ein Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers zu erfüllen.

Ferner besteht Klärungsbedarf, ob die vom Gerichtshof der europäischen Union möglicherweise aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC entnommene Verpflichtung zwischen Privatpersonen unmittelbare Wirkung entfaltet.

Bewertung der Entscheidung:

Die nunmehr dem europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorliegende Frage ist von enormer Brisanz, stellt deren Bejahung doch das deutsche Urlaubsrecht auf den Kopf. Sollte der Arbeitgeber tatsächlich verpflichtet sein, von sich aus den Urlaub dem Arbeitnehmer zu gewähren, gäbe es kaum noch einen Anwendungsbereich für den Verfall von Urlaubsansprüchen zum Jahresende. Unterlässt der Arbeitgeber die Gewährung, läuft er Gefahr, noch Jahre später beim Ausscheiden eines Mitarbeiters sich erheblichen Urlaubsabgeltungsforderungen gegenüberzusehen. Da die Beantwortung der Frage durch die Vorlage beim europäischen Gerichtshof bis auf weiteres ungeklärt bleibt, muss die Praxis überlegen, wie sie mit der hieraus resultierenden Rechtsunsicherheit umgeht. Auf Vertrauensschutz wird sich ein Arbeitgeber spätestens seit dem Vorlagebeschluss des BAG nicht mehr berufen können, sodass Arbeitgeber bereits heute darüber nachdenken und entscheiden müssen, ob sie ihre Urlaubsgewährungspraxis ggf. ändern und proaktiv den Urlaub ihren Arbeitnehmern gewähren sollten, um spätere Nachforderungen zu vermeiden. Bei entsprechenden Überlegungen, wie mit dem Beschluss des BAG vom 13.12.2016 und der hieraus resultierenden Rechtsunsicherheit umzugehen ist, unterstützen wir Sie gerne.

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