Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Verlängerte Kündigungsfristen in allgemeinen Geschäftsbedingungen

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann die beidseitige und damit sowohl für den Arbeitgeber, als auch den Arbeitnehmer geltende Verlängerung der Kündigungsfrist den Arbeitnehmer im Einzelfall unangemessen benachteiligen und damit zur Unwirksamkeit der getroffenen Abrede führen.

BAG, Urteil vom 26.10.2017, 6 AZR 158/16
(bisher nur als Pressemitteilung veröffentlicht)

Sachverhalt:

Der beklagte Arbeitnehmer war seit Dezember 2009 bei der klagenden Arbeitgeberin im Rahmen einer 45-Stunden-Woche zu einer Vergütung in Höhe von 1.400 € brutto als Speditionskaufmann beschäftigt. Im Juni 2012 vereinbarten die Parteien im Rahmen einer Zusatzvereinbarung, dass die bislang geltende gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf 3 Jahre zum Monatsende verlängert und das monatliche Bruttogehalt auf 2.400 € bzw. 2.800 € erhöht wird. Es wurde zudem vereinbart, dass das Entgelt bis zum 30.05.2015 nicht erhöht werden und bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bleiben sollte. Nachdem der klagende Arbeitnehmer festgestellt hatte, dass auf seinem Arbeitsplatz das zur Überwachung von Arbeitnehmern geeignete Programm „PC Agent“ installiert war, kündigte er das Arbeitsverhältnis im Dezember 2014 zum 31.01.2015 und nahm zum 01.02.2015 eine Tätigkeit bei einem Wettbewerber auf. Die klagende Arbeitgeberin wollte festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer bis zum 31.12.2017 fortbesteht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage der Arbeitgeberin stattgegeben, das Landesarbeits-gericht hat auf die Berufung des Arbeitnehmers die Klage abgewiesen. Die dagegen von der Arbeitgeberin eingelegte Revision zum Bundesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht hat in der vorliegenden Pressemitteilung ausgeführt, dass die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist den Arbeitnehmer in der vorliegenden Fallgestaltung entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Zwar verstoße die in der Zusatzvereinbarung geregelte Kündigungsfrist von 3 Jahren zum Monatsende nicht gegen die Vorschrift des § 622 Abs. 6 BGB, weil die verlängerte Kündigungsfrist beidseitig und damit für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer gleichermaßen gelte. Auch ein Verstoß gegen § 15 Abs. 4 TzBfG, welcher Kündigungsmöglichkeiten bei Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses auf Lebenszeit oder für längere Zeit als 5 Jahre vorsehe, sei nicht festzustellen. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfristenregelung, die die gesetzliche Kündigungsfrist wesentlich verlängere, sei allerdings nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit für den Arbeitnehmer darstelle.

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Mög-lichkeit, sich bei arbeitgeberseitiger Kündigung „rechtzeitig“ um einen neuen Arbeitsplatz bemühen zu können, bei einer Bindung von mehr als einem Jahr ein rein theoretischer Vorteil sei. Es gebe keine Stellenanzeigen, in denen ein potentieller neuer Arbeitgeber einen Mitarbeiter für eine Einstellung in 3 Jahren suche. Auch habe ein Arbeitgeber nach Erhalt einer Arbeitnehmerkündigung regelmäßig kein Interesse mehr daran, den Arbeitnehmer noch fortzubilden oder ihm eine Vergütungserhöhung zu gewähren. Art. 12 Abs. 1 GG gebiete es zwar nicht, dem Arbeitnehmer einen jederzeitigen Wechsel des Arbeitsplatzes zu ermöglichen, andererseits dürfe dem Arbeitnehmer ein Wechsel des Arbeitsplatzes aber auch nicht unzumutbar erschwert werden.

Das BAG hat in diesem Zusammenhang die Auffassung des LAG geteilt, wonach die beiderseitige Verlängerung der Kündigungsfrist vorliegend auch nicht durch die in der Zusatzvereinbarung vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen werde, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig eingefroren hätte.

Aufgrund der auch vom BAG angenommenen Unwirksamkeit der Vereinbarung über die verlängerte Kündigungsfrist konnte der Arbeitnehmer vorliegend das Arbeitsverhältnis mit der gesetzlichen Grundkündigungsfrist zum 31.01.2015 ordentlich kündigen.

Bewertung der Entscheidung:

Der Entscheidung des BAG ist sowohl in der Begründung, als auch im Ergebnis zuzustimmen. Die Verlängerung der Kündigungsfrist auf 3 Jahre zum Monatsende dürfte sicherlich ein Extremfall sein. Das BAG selbst hatte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 (Urteil vom 25.09.2008, 8 AZR 717/07) eine beidseitige Verlängerung der Kündigungsfrist auf 2 Monate jeweils zum 31.07. eines Jahrs für angemessen und wirksam befunden. Bei einer Kündigungsfrist von bis zu 12 Monaten dürfte entsprechend der Begründung des LAG der Vorteil, sich langfristig auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses einrichten zu können, den Nachteil der Kündigungsbeschränkung im Regelfall überwiegen. Eine Kompensation einer langen Kündigungsfrist durch zum Beispiel finanzielle Vorteile ist aber wohl grundsätzlich möglich. Es ist im Ergebnis richtig, dass eine Verlängerung der Kündigungsfrist, auch wenn sie für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen gilt, nicht schrankenlos möglich ist.

Praxisfolgen:

Bei der erheblichen Verlängerung der beiderseitigen Kündigungsfristen ist also Vorsicht geboten. Sollte die Verlängerung der Kündigungsfrist wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers rechtsunwirksam sein, so kann zwar der Arbeitnehmer mit der gesetzlichen (Grund-)kündigungsfrist kündigen. Der Arbeitgeber wird sich allerdings nicht auf die Unwirksamkeit der Verlängerung der Kündigungsfrist in allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen können und selbst die unwirksam vereinbarte verlängerte Kündigungsfrist einzuhalten haben.

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