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Arbeitsrecht

Vermeidung möglicher Angriffspunkte auch für AGG-Hopper

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin Brandenburg ist das Verlangen eines Entschädigungsanspruches nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz rechtsmissbräuchlich, wenn der Stellenbewerber an der zu besetzenden Stelle nicht ernsthaft interessiert ist, sondern sich nur beworben hat, um eine Entschädigung zu erhalten.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.10.2013 – 21 Sa 1380/13 –

 

Sachverhalt:

Der eine Rechtsanwaltskanzlei betreibende promovierte Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 29.01.2013 bei einer von der beklagten Rechtsanwaltssozietät Anfang 2013 in der Neuen Juristischen Wochenschrift ausgeschriebenen Stelle für die in Berlin zu erbringende Tätigkeit eines Rechtsanwaltes in dem Bereich Handels- und Gesellschaftsrecht. In der Stellenanzeige hieß es auszugsweise wie folgt:

„Wir suchen insbesondere für den Bereich Handels- und Gesellschaftsrecht

    •  einen Rechtsanwalt (m/w) Vollzeit
    • einen Rechtsanwalt (m/w) Teilzeit

als Berufsanfänger oder Kollegen mit 1-3 Jahren Berufserfahrung. Prädikatsexamen und ausbaufähige Englischkenntnisse setzen wir voraus.“

In seinem Bewerbungsschreiben führte der Kläger, der tatsächlich beide juristische Staatsexamen mit befriedigend (7 Punkte) bestanden hatte, aus, dass er zwar seit geraumer Zeit in Regensburg als Rechtsanwalt tätig, jedoch im Prinzip nach wie vor örtlich ungebunden sei. Er verfüge über zwei Prädikatsexamen, wie aus den beigefügten Bewerbungsunterlagen ersichtlich sei.

Mit Schreiben vom 05.02.2013 teilte die beklagte Anwaltskanzlei dem Kläger mit, sie habe sich für eine andere Bewerberin entschieden und sandte ihm die Bewerbungsunterlagen zurück. Daraufhin forderte der Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 11.02.2013 eine angemessene Entschädigung in Höhe von 10.000,00 € und Schadensersatz in Höhe von 50.000,00 € nach § 15 AGG wegen Altersdiskriminierung. Diese Forderung wies die beklagte Rechtsanwaltskanzlei mit Schreiben vom 21.02.2013 zurück und wies darauf hin, dass die ausgeschriebene Stelle bereits zum Zeitpunkt des Eingangs der Bewerbung des Klägers besetzt gewesen sei, weshalb schon aus diesem Grunde eine Benachteiligung schon gar nicht in Betracht komme. Unabhängig davon verfüge die eingestellte Kollegin über zwei vollbefriedigende Examen. Auch verstoße die Ausschreibung sonst nicht gegen die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Darauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 25.02.2013, die Stellenanzeige verstoße sehr wohl gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die besagte Formulierung in der NJW-Stellenausschreibung nehme mittelbar Bezug auf das Lebensalter. Vollbefriedigende Examen seien auch nicht gefordert gewesen, sondern nur Prädikatsexamen.

Mit der am 08.03.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift verlangt der Kläger von der Beklagten Auskunft über die für die ausgeschriebene Rechtsanwaltsstelle vorgesehene und tatsächlich vereinbarte Jahresvergütung sowie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe der Jahresvergütung, die er auf etwa 60.000,00 € schätzte. Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte bereits vor Eingang seiner Bewerbung eine Bewerberin eingestellt habe. Außerdem seien zwei Stellen ausgeschrieben gewesen. Er sei für die Stelle auch objektiv geeignet gewesen. Er habe eingestellt werden müssen, da er promoviert sei und 2 Prädikatsexamen sowie jahrzehntelange Berufungserfahrung habe. Die Beklagte hat sich verteidigt und darauf hingewiesen, noch vor Eingang der Bewerbung des Klägers mit einer anderen Bewerberin einig geworden zu sein. Sie hat außerdem vorgetragen, von vorneherein die Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers bezweifelt zu haben, weil sich dessen bisheriges berufliches Tätigkeitsspektrum erheblich von den Spezialgebieten unterscheide, die in der Kanzlei der Beklagten gefragt seien. Es sei darüber hinaus von vorneherein nicht ersichtlich gewesen, weshalb der Kläger seine Einzelpraxis für die ausgeschriebene Stelle in Berlin habe aufgeben wollen. Abgesehen davon sei die Stellenanzeige altersneutral formuliert und auch so gemeint gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt hat, die Beklagte habe plausibel vorgetragen, dass sie sich noch vor Eingang der Bewerbung des Klägers mit einer anderen Bewerberin einig geworden und dadurch das Stellenausschreibungsverfahren beendet gewesen sei. Darüber hinaus hatte das Arbeitsgericht angesichts der Kürze der klägerischen Einlassung zu seiner Qualifikation Anlass, an der Ernsthaftigkeit seines Bewerbungsschreibens zu zweifeln.

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Klägers hat das LAG Berlin-Brandenburg in der Entscheidung vom 31.10.2014 insgesamt abgewiesen:

1)

Das LAG führt zunächst aus, dass der Kläger mit seinen jeweils mit 7 Punkten bestandenen Staatsexamen nicht über Prädikatsexamen verfüge. Darauf komme es aber auch nicht an.

2)

Ebenso könne dahingestellt bleiben, ob die beklagte Anwaltskanzlei mit der Stellenanzeige eine oder zwei Stellen ausgeschrieben habe, ob sie eine Bewerbungsfrist von mindestens einer Woche ab Veröffentlichung der Printausgabe der Stellenanzeige hätte einhalten müssen und ob bei Eingang der Bewerbung des Klägers das Stellenbesetzungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen sei. Es könne auch unentschieden bleiben, ob der Text der Stellenanzeige ein ausreichendes Indiz für eine mittelbare Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters sei, wie der Kläger meine, oder ob die Anforderung „Berufungsanfänger oder Kollegen mit 1-3 Jahren Berufungserfahrung“ keinen hinreichenden Bezug zu einem bestimmten Lebensalter habe, zumindest aber durch ein legitimes Ziel i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG (organisches Wachstum der Kanzlei) sachlich gerechtfertigt sowie angemessen und erforderlich sei, wie die Beklagte meine. Denn selbst wenn die Beklagte im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens gegen das Altersdiskriminierungsverbot verstoßen hätte, stünde dem Kläger keine Entschädigung zu, weil nach den Gesamtumständen davon auszugehen sei, dass der Kläger an der Stelle von vorneherein nicht subjektiv ernsthaft interessiert gewesen sei, sondern sich nur deshalb auf die Stelle in Berlin beworben habe, um eine Entschädigung verlangen zu können.

a)

Für eine mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung spreche schon der kaum aussagefähige Inhalt des Bewerbungsschreibens. Darin gehe der Kläger mit überwiegend formelhaften, nichtssagenden Wendungen nur scheinbar konkret auf die Stellenanzeige und die in Aussicht gestellte Tätigkeit nebst deren Anforderungsprofil ein. Er teile mit, er habe zwei Prädikatsexamen und ausbaufähige Englischkenntnisse seien selbstverständlich. Das Wirtschaftsrecht kenne er umfänglich aus einer langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt und im Verlagswesen sei er sogar einige Jahre bei einer Tageszeitung tätig gewesen. Er äußere sich jedoch nicht dazu, welche Erfahrungen und Qualifikationen er im Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechts habe, in welchem die ausgeschriebene Stelle angesiedelt sei, oder aus welchen anderen Gründen er sich für die Tätigkeit für qualifiziert halte. Dem Bewerbungsschreiben sei auch in keiner Weise zu entnehmen, was ihn gerade an der ausgeschriebenen Tätigkeit interessiere und weshalb er, nachdem er seit 25 Jahren als selbstständiger Rechtsanwalt tätig sei, Interesse an einer Festanstellung habe. Zwar sei dem Kläger darin zuzustimmen, dass auch ein ernsthafter Bewerber in einem Bewerbungsschreiben keine näheren Angaben etwa zu seiner wirtschaftlichen Situation machen würde, da er nicht sicher davon ausgehen könne, dass das Bewerbungsschreiben vertraulich behandelt werde. Jedoch wäre vom Kläger zu erwarten gewesen, dass er, sofern sein Interesse an der Stelle mit seiner wirtschaftlichen Situation im Zusammenhang stehe, in das Bewerbungsschreiben einen Satz aufnehme wie, „meine Gründe, weshalb ich nach langjähriger selbstständiger Tätigkeit in ein Angestelltenverhältnis wechseln möchte, erläutere ich Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch“. Denn ohne einen Hinweis darauf, dass es gute Gründe für einen Wechsel in ein Angestelltenverhältnis gebe, sei die Bewerbung für einen potenziellen Arbeitgeber nicht nachvollziehbar und werde schon aus diesem Grund nicht weiter in Betracht gezogen. Ferner habe es näherer Erläuterungen bedurft, weshalb der Kläger meine, den Beklagten die in der Stellenanzeige zum Ausdruck kommende unerwünschte längerfristige Perspektive mit dem Ziel einer späteren Aufnahme in die Partnerschaft bieten zu können, gleichwohl er bereits 60 Jahre alt sei und in 5-6 Jahren die Regelaltersgrenze erreicht haben werde.

Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht daraus, dass die eingestellte Mitbewerberin der Beklagten ihre Bewerbung mit einer aus einem Einzeiler bestehenden E-Mail übersandt hatte. Zum einen stehe nicht die Ernsthaftigkeit der Bewertung der Mitbewerberin in Frage. Zum anderen gebe es im Fall des Klägers gleich mehrere Einstellungshindernisse, zumindest aber Umstände, die ein bedenkliches Licht auf seine Bewerbung werfen würde, was bei der Mitbewerberin offensichtlich nicht der Fall war.

b)

Letztlich habe sich der Kläger auch auf eine Stelle beworben, die nicht zu ihm passe und für die er nicht qualifiziert sei. Er verfüge weder über 2 Prädikatsexamen, noch sei ersichtlich, dass er aufgrund seines Tätigkeitsprofils als breitaufgestellter Rechtsanwalt über besondere Expertise im Handels- und Gesellschaftsrecht verfüge. Sofern er angegeben habe, er habe ausbaufähige Englischkenntnisse, erscheine auch dies angesichts des Umstandes, dass er ausweislich des von der Beklagten eingereichten Artikels, dem er nicht entgegengetreten ist, Englisch nach der 11. Klasse abgewählt und mit der Note „ausreichend“ abgeschlossen habe, eher zweifelhaft. Auch das spreche gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung.

c)

Auffällig sei außerdem, dass der Kläger zunächst mit Schreiben vom 11.02.2013 eine Entschädigung in Höhe von 10.000,00 € und Schadensersatz in Höhe von 50.000,00 € und schließlich mit der Klage eine Entschädigung in Höhe von mindestens einem Jahresgehalt bzw. 60.000,00 € verlange, ohne nachvollziehbare Gründe für den Sinneswandel und die Höhe der jeweiligen Forderung anzugeben. Hinweis in der Klageschrift, aufgrund seines Doktortitels, seiner zwei Prädikatsexamen und seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung habe er, wenn das Bewerbungsverfahren diskriminierungsfrei betrieben worden wäre, die Stelle erhalten müssen, entbehrten jeglicher Substanz.

d)

Schließlich spreche gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung der in dem Artikel der Zeitschrift „Juve“ geschilderte Sachverhalt. Danach bewerbe sich der Kläger unabhängig vom Rechtsgebiet, der Kanzlei oder dem Einsatzort stets auf Stellenanzeigen, in denen Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen oder Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit erster Berufserfahrung gesucht werden, und fordere im Fall der Ablehnung 60.000,00 €.

Nach den Recherchen der Zeitschrift habe er bundesweit alleine im Jahr 2013 16 derartige Entschädigungsklagen anhängig gemacht, wobei er zumindest in noch einem weiteren Fall die Anforderung an die ausgeschriebene Stelle offensichtlich nicht erfüllt habe.

e)

Auch wenn allein eine Vielzahl von Entschädigungsklagen kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstelle, stelle sich dies anders dar, wenn sich jemand ausschließlich auf Stellen bewerbe, die unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden seien, vgl. LAG Baden-Württemberg vom 20.03.2009 – 9 Sa 5/09 –, juris Rn. 37; LAG Hamm vom 26.06.2008 – 15 Sa 63/09 -, LAGE § 15 AGG Nr. 5 Rn. 63; ErfK-Schlachter, § 15 AGG, Rn. 12. Davon sei auch vorliegend auszugehen. Denn, dass sich der Kläger entgegen den Angaben in dem Juve-Artikel außer auf Stellenanzeigen, in denen Berufsanfänger und Berufsanfängerinnen oder Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit geringer Berufserfahrung gesucht würden, auch noch auf weitere, keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bietende Stellenanzeigen beworben habe, habe er selbst nicht behauptet.

 

Bewertung der Entscheidung:

Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg ist in vollem Umfang zuzustimmen. Immer häufiger verneinen erstinstanzliche und zweitinstanzliche Urteile von Arbeitsgerichten die Anwendbarkeit des AGG mangels einer „ernsthaften“ Bewerbung des Klägers. Das liegt auf der Linie der vom Bundesarbeitsgericht bereits herausgearbeiteten Vorgaben, wonach unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Umständen davon auszugehen sein kann, dass keine „ernsthafte Bewerbung“ vorliegt und diese nur deshalb erfolgt ist, um einen Entschädigungsanspruch zu erlangen, vgl. BAG vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11 – ; BAG vom 21.06.2012 – 8 AZR 364/11 – und zuletzt ArbG München, Urteil vom 16.09.2014 – 3 Ca 5381/14 -.

Dennoch sollte bei einer Stellenausschreibung grundsätzlich immer besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, mögliche Angriffspunkte (Neutralität der Stellenausschreibung; Aufführung nur von solchen Einstellungsvoraussetzungen bzw. -wünschen, die für die Tätigkeit auch wesentlich und entscheidend sind; keine Aufnahme von Einstellungsvoraussetzungen oder Wünschen, die sich mittelbar benachteiligend auswirken etc.) zu vermeiden, denn es wird nicht immer gelingen, dem anspruchstellenden Bewerber ein rechtsmissbräuchliches Entschädigungsverlangen nachzuweisen.

Auch diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg zeigt zunächst den Ansatz der Rechtsprechung auf, wonach ein Bewerber selbstverständlich alles tun darf, um in seiner Bewerbung ein positives Bild von seinen auf die ausgeschriebene Stelle bezogenen Fähigkeiten und überhaupt von seinem beruflichen Werdegang abzugeben. Die Entscheidung anerkennt auch, dass ein solcher Bewerber alles unterlassen wird, was ein negatives Licht auf seine Bewerbung werfen könnte. Gefordert wird aber in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechung schon, dass sich ein ernsthafter Bewerber in seinem Bewerbungsschreiben zumindest um eine zusammenfassende Darstellung bemüht, warum davon auszugehen ist, dass das Anforderungsprofil aus der Stellenanzeige auf ihn zutrifft. Beschränkt sich der Bewerber allerdings im Wesentlichen auf einen im Einzelfall nicht oder nur formelhaft erläuterten Verweis auf die beigefügten Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse, etc.) und führt er z.B. im Hinblick auf seine Gesundheit bzw. körperliche Verfassung nur ganz vage aus, dass irgendwelche Behinderungen im Arbeitsalltag nicht festgestellt worden seien, handelt es sich also insgesamt um eine Bewerbung, die ohne konkreten Bezug zur ausgeschriebenen Stelle und zum konkreten Arbeitgeber allen möglichen Stellenausschreibern zugeleitet werden könnte, kann es vielleicht gelingen, darzutun, dass es an einer ernsthaften Bewerbung fehlt, der Bewerber also nicht als Bewerber im Rechtssinne nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG angesehen werden kann und bereits deshalb die nach § 15 AGG geltend gemachten Entschädigungsansprüche nicht bestehen.

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