Arbeitsrecht

Verringerung des Urlaubsanspruchs bei „Kurzarbeit 0“

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 03.05.2021 entschieden, dass jedenfalls bei einer vertraglichen Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Durchführung von „Kurzarbeit 0“ eine quotale Reduzierung des Jahresurlaubsanspruchs des Arbeitnehmers eintritt. Ausdrücklich hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im benannten Urteil herausgestellt, dass eine vertragliche Vereinbarung auch im Falle einer wirksamen Betriebsvereinbarung über die Einführung von „Kurzarbeit 0“ vorliegt.

 

Sachverhalt:

Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages beschäftigt, welcher bereits eine Berechtigung der Arbeitgeberin zur Durchführung von Kurzarbeit unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von drei Wochen zum Wochenschluss enthielt. Ferner enthielt der Arbeitsvertrag die Regelung, dass auch die mit dem Betriebsrat getroffene Betriebsvereinbarungen Bestandteil des Arbeitsvertrages sind.

Im Jahr 2020, offensichtlich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, kamen zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat Betriebsvereinbarungen zur Durchführung von Kurzarbeit zustande, im Rahmen derer mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf die Kurzarbeitsphasen von Mitarbeitern zwischen dem Arbeitgeber und Betriebsrat abgestimmt wurden.

Im Jahr 2020 erbrachte der Kläger an insgesamt 79 vollen Arbeitstagen wegen Kurzarbeit keine Arbeitsleistungen. Die beklagte Arbeitgeberin kürzte deshalb den vertraglichen Urlaubsanspruch des Klägers von 30 Arbeitstagen auf 23 Arbeitstage. Sie wandte hierbei die vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 19.03.2019 (9 AZR 315/17) entwickelte Berechnungsformel an, indem sie die Anzahl der vertraglichen Urlaubstage mit der Anzahl der individuellen Tage mit Arbeitspflicht des Klägers multiplizierte und das Ergebnis durch die Anzahl der Arbeitstage des Jahres 2020 dividierte. Auf diesem Berechnungsweg gelangte die Beklagte unter Berücksichtigung von 79 vollen Arbeitstagen mit „Kurzarbeit 0“ zum Ergebnis, dass der Kläger im Jahr 2020 lediglich 23 Urlaubstage zustehen, die auch durch Urlaubsgewährung in natura erfüllt waren.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Feststellung, dass ihm gegenüber der Arbeitgeberin aus dem Kalenderjahr 2020 noch ein Anspruch auf 7 Tage Erholungsurlaub zustehen. Er vertrat die Auffassung, dass der kalenderjährliche Urlaubsanspruch des Jahres 2020 unbeschadet der Kurzarbeit entstanden sei und sich nicht verringert habe.

 

Inhalt der Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit seinem Urteil vom 03.05.2021 zum Aktenzeichen 9 Sa 1/21 eine klageabweisende Entscheidung der ersten Instanz bestätigt. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vertritt die Auffassung, dass dem Kläger für das Jahr 2020 keine weiteren 7 Tage Urlaub zustehen, da die beklagte Arbeitgeberin auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.03.2019 zum Aktenzeichen 9 AZR 315/17 zu-treffend davon ausgegangen sei, dass sich der Jahresurlaubsanspruch des Klägers von 30 Arbeitstagen aus dem ursprünglich bestehenden Vollzeitarbeitsverhältnis proportional um das Verhältnis der für den Kläger individuell maßgeblichen Anzahl von Tagen mit Arbeitspflicht im Verhältnis zur Zahl der Arbeitstage in einem Vollzeitarbeitsverhältnis reduziert habe. Diese Reduzierung sei auch kraft Gesetzes eingetreten.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 03.05.2021 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt, dass dies jedenfalls dann gelte, wenn die Einführung der „Kurzarbeit 0“ auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien erfolgt, also nicht lediglich einseitig vom Arbeitgeber angeordnet worden ist. Zwar habe die beklagte Arbeitgeberin mit dem Kläger selbst eine Vereinbarung nicht getroffen, jedoch sei die vom Kläger durchgeführte „Kurzarbeit 0“ aufgrund einer kollektivrechtlichen Vereinbarung, den abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen, durchgeführt worden. Da in diesem Fall der Kläger durch den die Betriebsvereinbarung abschließenden Betriebsrat vertreten wird, sei die Betriebsvereinbarung einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Einführung von Kurzarbeit gleichzusetzen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn von einer wirksamen Betriebsvereinbarung auszugehen ist. Soweit der Kläger sich darauf berufen habe, dass sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.12.2019 (9 AZR 33/19) ausschließlich mit dem gesetzlichen Urlaubsanspruch befasse und nicht mit dem vertraglichen Urlaubsanspruch des Klägers, sei dies unerheblich. Denn die in § 3 Abs. 1 BUrlG geregelten Grundsätze gelten jedenfalls dann, wenn durch Vertrag oder Tarifvertrag nicht ausdrücklich abgewichen werde, für den gesamten Erholungsurlaub.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom 03.05.2021 sodann noch darauf hingewiesen, dass auch europarechtliche Vorgaben einer Reduzierung des Urlaubsanspruches bei Durchführung von Kurzarbeit 0 nicht entgegenstünden. Auch sei es unerheblich, ob die Tage ohne Arbeitspflicht durch „Kurzarbeit 0“ zeitlich zusammenhängen, in regelmäßigen Abständen wiederkehren oder unregelmäßig und nach Bedarf zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Betriebsrat vereinbart werden.

 

Bewertung der Entscheidung:
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 03.05.2021 ist aus Arbeitgebersicht für Fälle der zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Kurzarbeit zu begrüßen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg liegt mit seiner Entscheidung auf einer Linie mit einer vorangegangenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.03.2021 zum Az. 6 Sa 824/20. Die in der besprochenen Entscheidung angewandte Berechnungsformel für die Kürzung des Urlaubsanspruches entspringt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welcher allerdings für Fälle der einvernehmlichen Veränderung der Anzahl der in der Woche zu leistenden Arbeitstage bzw. für den Fall eines einvernehmlichen und unbezahlten Sonderurlaubes entwickelt worden ist. Interessant ist die Entscheidung insoweit, als das Landesarbeitsgericht ausdrücklich diese Kürzungsformel auch auf eine „gestückelte“ Kurzarbeit 0 anwendet, in Rahmen derer der Arbeitnehmer nicht etwa für ganze Monate, sondern vielmehr für einzelne Tage durch Kurzarbeit von der Arbeitspflicht befreit war, sodass eine „durchgängige“ Kurzarbeit 0 nicht vorlag.

Es wird abzuwarten bleiben, ob die eher arbeitgeberfreundliche Entscheidung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 03.05.2021 Bestand haben wird. Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung die Revision zugelassen. Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage liegt noch nicht vor. Von einzelnen Arbeitsgerichten wird durchaus auch für den Fall der „gestückelten“, also nicht für ganze Monate durchgängigen, Kurzarbeit eine andere Auffassung vertreten. Bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtsfrage durch das Bundesarbeitsgerichts ist Arbeitgebern, die Kurzarbeit durchführen mussten, zu empfehlen, die Kürzung von Urlaubsansprüchen bei durchgeführter Kurzarbeit nach Maßgabe der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Berechnungsformel durchzuführen. Sofern Arbeitgeber sich dazu nicht entschließen, sollte ihnen bewusst sein, dass das Bundesurlaubsgesetz bei zu viel gewährtem Urlaub keine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückgewähr des gezahlten Urlaubsentgeltes vorsieht.

 

Entscheidung: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 03.05.2021, Az. 9 Sa 1/21

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