Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Wahrung der Klagefrist - nachträgliche Klagezulassung

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 22.03.2012 zur Einhaltung der dreiwöchigen Klagefrist bei der Kündigungsschutzklage Stellung genommen und eine Kündigungsschutzklage als nicht fristgerecht erhoben angesehen, weil der Arbeitnehmer in dem zugrundeliegenden Streit nach Auffassung des Gerichts trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt sehr wohl in der Lage war, die Klage fristgerecht zu erheben.

 

Sachverhalt:

Der Kläger des zugrundeliegenden Rechtsstreits war seit 1983 als OP-Pfleger in einem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus beschäftigt. Während seines Erholungsurlaubs vom 12.06. bis 27.06.2009 hielt er sich im Ausland auf. Als er am 27.06.2009 aus dem Urlaub zurückkehrte, fand er in seinem Briefkasten ein an ihn gerichtetes Kündigungsschreiben seiner Arbeitgeberin vom 25.06.2009 und ein weiteres vom 26.06.2009. Mit dem Schreiben vom 25.06.2009 erklärte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses wegen eines angeblichen „Arbeitszeitbetrugs“ am 02.06.2009, während sie die mit Schreiben vom 26.06.2009 erklärte weitere außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers damit begründete, der Kläger sei am 12.06.2009 unentschuldigt der Arbeit fern geblieben, um seinen Urlaub vorzeitig anzutreten. Mit seiner am 09.07.2009 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26.06.2009 nicht aufgelöst worden sei. Der Kläger versäumte in diesem Zusammenhang, der Antragstelle auch das Kündigungsschreiben vom 25.06.2009 vorzulegen. Dem dann vom Kläger am 13.07.2009 beauftragten Rechtsanwalt zeigte er zwar die Klageschrift vom 09.07.2009 sowie beide Kündigungsschreiben, jedoch entzog der Kläger diesem Anwalt am 16.07.2009 die Vollmacht wieder. Am darauffolgenden Tag, also am 17.07.2009, erhob der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage auch gegen die Kündigung vom 25.06.2009 und führte zur Begründung in der Klageschrift aus, dass ihm das Schreiben vom 25.06.2009 zusammen mit dem zweiten Kündigungsschreiben am 27.06.2009 zugegangen sei. In dem Rechtsstreit behauptete die Beklagte demgegenüber, sie habe das Kündigungsschreiben vom 25.06.2009 noch am selben Tag in den Briefkasten des Klägers eingeworfen. Den vom Kläger gestellten Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wies das angerufene Arbeitsgericht zurück. Das daraufhin angerufene Landesarbeitsgericht kam nach Durchführung der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass das Kündigungsschreiben vom 25.06.2009 am gleichen Tag in von der Arbeitgeberin des Klägers in dessen Briefkasten eingelegt worden sei.

 

Die Klagefrist sei daher mit Ablauf des 16.07.2009 verstrichen. Die erst am 17.07.2009 erhobene Klage gegen die Kündigung vom 25.06.2009 sei daher verspätet. Darauf, dass der Kläger von dieser Kündigung tatsächlich erst nach seiner Urlaubrückkehr am 27.06.2009 Kenntnis erlangt habe, komme es nicht an. Dem Kläger sei es nämlich möglich gewesen, die Klage fristgerecht bis zum 16.07.2009 zu erheben, weshalb die verspätete Klage auch nicht nachträglich zuzulassen sei.

 

Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Auffassung des Landesarbeitsgerichts bestätigt und die Revision zurückgewiesen. Zutreffend sei das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass es dem Kläger nach der Rückkehr aus seinem Urlaub am 27.06.2009 noch ohne Weiteres möglich gewesen wäre, die Klage gegen die mit Schreiben vom 25.06.2009 ausgesprochene Kündigung fristgerecht bis zum 16.07.2009 zu erheben. Gem. § 130 Abs. 1 BGB werde eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugehe. Es genüge in diesem Zusammenhang, dass eine verkörperte Willenserklärung hier in Form der schriftlichen Kündigungserklärung in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelange und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehe, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Es sei in diesem Zusammenhang daher unerheblich, ob und wann der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen habe und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände zeitweise gehindert war. Deshalb könne ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben diesen selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von der urlaubsbedingten Ortsabwesenheit wisse. Gehe die Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig beim Arbeitsgericht ein, sei sie nachträglich daher nur zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben. Dabei werde ihm das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet, vgl. BAG v. 22.03.2012 – 2 AZR 224/11-.

 

Praxishinweis:

Bei der Erhebung der Kündigungsschutzklage hat der Arbeitnehmer bzw. sein Prozessbevollmächtigter darauf zu achten, dass die gesetzliche Klagefrist von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung nach § 4 Satz 1 KSchG in jedem Fall eingehalten wird, soweit dies bei Kenntniserlangung noch möglich ist. Wer hier auf Nummer sicher gehen will, sollte noch am Tag der Kenntniserlangung vom Zugang des Kündigungsschreibens Kündigungsschutzklage einreichen. Zur Fristwahrung genügt es, dass die Klageschrift in einem gemeinsamen Briefkasten mehrerer Gerichte eingeworfen wird oder in den Nachtbriefkasten oder den normalen Briefkasten des Arbeitsgerichts bis 24:00 Uhr. Es ist nicht notwendig, dass ein Bediensteter des Gerichts vom Inhalt der Klageschrift noch Kenntnis nehmen kann. Wird der Brief am letzten Tag der Frist in den normalen Briefkasten eingeworfen, muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass dies bis 24:00 Uhr geschehen ist. Die Klage ist beim Arbeitsgericht einzureichen. Wird sie bei einem dem Rechtsweg nicht zugehörigen Gericht erhoben, hat dieses den Rechtsstreit nach §§ 17 ff. GVG an das Arbeitsgericht zu verweisen. Durch die Regelung in § 48 ArbGG, §§ 17 a Abs. 2, 4, 17 b Abs. 1 Satz 2 GVG bleiben alle Wirkungen der Rechtshängigkeit auch in diesem Fall erhalten. Wird die Klage beim einem örtlich unzuständigen Arbeitsgericht eingereicht, finden nach der zwingenden Vorschrift des § 48 Abs. 1 ArbGG ebenfalls für die örtliche Zuständigkeit die §§ 17 – 17 b GVG entsprechend Anwendung. Das zu Unrecht angerufene Gericht hat seine Unzuständigkeit auszusprechen und den Rechtsstreit förmlich an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen. In einem solchen Fall bleiben nach § 17 b Satz 2 GVG die Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen. Die Klagefrist bleibt also gewahrt, auch wenn die Verweisung nach Ablauf der 3-Wochen-Frist erfolgt.

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