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Arbeitsrecht

„Was verdienen meine Kollegen?“ – Der Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz

Am 06.07.2017 ist das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist es, den immer noch bestehenden Unterschied bei den Löhnen und Gehältern von Männern und Frauen zu beseitigen. Prunkstück dieses neuen Gesetzes ist der individuelle Auskunftsanspruch. Mit diesem kann – vereinfacht ausgedrückt – fortan jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten vom Arbeitgeber verlangen, zu erfahren, wie viel die Kollegen bzw. Kolleginnen des anderen Geschlechts für die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verdienen. Die mit dem Auskunftsanspruch erfragten Angaben können wiederum zur Grundlage einer Vergütungsanpassungs- und Schadensersatzklage gemacht werden.

 

Der Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG kann von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erstmals ab dem 01.02.2018[1] geltend gemacht werden, dann nämlich ist die den Arbeitgebern vom Gesetzgeber zur Vorbereitung eingeräumte Übergangssfrist von sechs Monaten abgelaufen. In diesem Beitrag soll skizziert werden, wer alles auskunftsberechtigt ist, was genau alles mit dem Auskunftsanspruch erfragt werden kann und wie ein solcher Auskunftsanspruch überhaupt geltend gemacht werden kann.

 

Wer ist auskunftsberechtigt?

Der Auskunftsanspruch besteht nur in Betrieben (nicht zwingend gleichbedeutend mit dem Unternehmen, denn ein Unternehmen kann durchaus über mehrere Betriebe verfügen) mit i.d.R. mehr als 200 Beschäftigten. Beschäftigte im Betrieb, die einem anderen Unternehmen angehören (etwa Leiharbeitnehmer), sind bei der Berechnung dieses Schwellenwerts jedoch nicht miteinzubeziehen. Umgekehrt können Leiharbeitnehmer mit dem Auskunftsanspruch des EntgTranspG auch nicht das Entgelt der Beschäftigten des Entleihunternehmens erfragen, sondern ausschließlich das Vergleichsentgelt ihres Verleihunternehmens.

 

Der Auskunftsanspruch besteht nicht nur in Betrieben der Privatwirtschaft, sondern auch im öffentlichen Dienst und sogar in Behörden; dann ist darauf abzustellen, ob die jeweilige Dienststelle über mehr als 200 Beschäftigte verfügt. Auch kirchliche Arbeitgeber werden vom EntgTranspG erfasst.

 

Zudem sind nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – zu denen nach dem Gesetz auch leitende Angestellte gehören –, sondern auch Auszubildende, Richter/innen und Beamt/innen (bislang allerdings nur solche des Bundes), Soldat/innen und in Heimarbeit Beschäftigte auskunftsberechtigt; jedoch ist ihr Auskunftsanspruch darauf beschränkt, nur das Entgelt der anderen Auszubildenden, Beamt/innen usw. zu erfragen. Ein Auszubildender kann mit dem Auskunftsanspruch daher etwa nicht das Vergleichsentgelt von Arbeitnehmer/innen oder im Betrieb beschäftigten Beamt/innen in Erfahrung bringen, sondern nur das der anderen Auszubildenden des jeweils anderen Geschlechts. Dies gilt auch andersherum.

 

Was kann ich mit dem Auskunftsanspruch erfragen?

Mit dem im EntgTranspG verankerten Auskunftsanspruch kann das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt der Beschäftigten des anderen Geschlechts erfragt werden, welche die gleiche oder eine gleichwertige Tätigkeit ausüben wie man selbst. Entgegen landläufiger Meinung kann man mit dem Auskunftsanspruch jedoch nicht direkt das Entgelt des Kollegen am anderen Schreibtisch erfragen, sondern man erhält nur den statistischen Median (aka. Zentralwert, nicht zu verwechseln mit dem Durchschnittswert) der Vergleichsgruppe insgesamt.

 

Beispiel: Gibt es sieben männliche Mitarbeiter, die im Betrieb die gleiche Tätigkeit ausüben wie die auskunftsverlangende Antragstellerin, und verdienen diese sieben männlichen Mitarbeiter unterschiedlich viel, so wird nur das Entgelt von Mitarbeiter Nr. 4, also der Zentralwert, mitgeteilt (selbstverständlich anonymisiert).

 

Weiterhin hat der Arbeitgeber die Kriterien und das Verfahren der Entgeltfindung zu erläutern, d.h. er muss mitteilen, wie sich das Entgelt des Antragstellers selbst sowie das Entgelt der Vergleichsgruppe im Einzelnen zusammensetzt und konkret errechnet.

 

Der Antragsteller hat zudem die Möglichkeit, gezielt nach einzelnen Entgeltbestandteilen – jedoch max. zwei – zu fragen, bei denen er eine Entgeltdiskriminierung vermutet. So kann etwa erfragt werden, wie hoch die Leistungs- oder Erschwerniszulage der Vergleichsgruppe ist und wie sich diese konkret errechnet (interessant ist etwa die Berechnung von Provisionen).

 

Zu beachten ist allerdings, dass man das Bruttoentgelt sowie die einzelnen Entgeltbestandteile nur dann erfragen kann, wenn die gleiche (oder eine gleichwertige) Tätigkeit von mindestens sechs Mitarbeitern des anderen Geschlechts ausgeübt wird. Anderenfalls hat der Arbeitgeber das Recht – und sogar die Pflicht –, die Auskunftserteilung aus Datenschutzgründen zu verweigern.

 

Der Auskunftsanspruch kann im Übrigen vom Arbeitgeber weder arbeitsvertraglich noch tarifvertraglich ausgeschlossen oder beschränkt werden.

 

Wie stelle ich einen Auskunftsantrag?

Der Auskunftsantrag bedarf der sog. Textform (§ 126b BGB), d.h. er muss schriftlich, per Fax oder E-Mail gestellt werden. Die antragstellende Person muss aus dem Antrag ersichtlich sein, anonyme Eingaben genügen nicht. In dem Antrag muss der Anspruchsteller zudem in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (sog. Vergleichstätigkeit) benennen.

 

Beispiel: Eine weibliche Reinigungskraft etwa kann nach dem Entgelt der männlichen Reinigungskräfte im Betrieb fragen (gleiche Tätigkeit). Sie könnte aber (zusätzlich) auch nach dem Entgelt der männlichen Hausmeister im Betrieb fragen (gleichwertige Tätigkeit), auch das ist nach dem EntgTranspG möglich (wobei hier jedoch schnell ein Streit mit dem Arbeitgeber um die Vergleichbarkeit der genannten Tätigkeiten entbrennen dürfte; der tariffreie Arbeitgeber muss in einem solchen Fall die Auskunft dann auf eine seines Erachtens nach gleiche oder gleichwertige Tätigkeit beziehen). Handelt es sich um einen tarifgebundenen oder tarifanwendenden Betrieb, so genügt es wiederum, im Antrag die eigene Tätigkeit und Entgeltgruppe darzulegen und auszudrücken, dass man Auskunft zum Vergleichsentgelt der in der gleichen Entgeltgruppe beschäftigten Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer verlangt.

 

Will der Antragsteller neben dem Bruttoentgelt der Vergleichsgruppe auch Auskunft zu einzelnen Entgeltbestandteilen im Besonderen (etwa zur Leistungszulage, Erschwerniszulage etc., siehe oben), so muss er diese ausdrücklich in seinem Antrag benennen.

 

Gegenüber wem der Antrag einzureichen ist, hängt wiederum davon ab, ob es sich um einen tarifgebundenen/-anwendenden oder einen tariffreien Betrieb handelt und ob im Betrieb ein Betriebsrat besteht:

  • tarifgebundener oder -anwendender Betrieb mit Betriebsrat à der Antrag ist grundsätzlich an den Betriebsrat zu richten; jedoch kann der Arbeitgeber die Beantwortung aller oder auch nur einzelner Auskunftsverlangen an sich ziehen; dies muss den Beschäftigten dann mitgeteilt werden
  • tarifgebundener oder -anwendender Betrieb ohne Betriebsrat à der Antrag ist grundsätzlich an den Arbeitgeber (also regelmäßig an die Personalabteilung) zu richten; der Arbeitgeber kann die Beantwortung der Auskunftsverlangen aber auch Vertreter/innen der zuständigen Tarifvertragsparteien überantworten (was in der Praxis jedoch nur äußerst selten der Fall sein dürfte)
  • nicht tarifgebundener oder -anwendender Betrieb mit Betriebsrat à der Antrag ist wie im erstgenannten Fall grundsätzlich an den Betriebsrat zu richten; wie dort kann aber auch hier der Arbeitgeber die Beantwortung der Auskunftsverlangen an sich ziehen
  • nicht tarifgebundener oder -anwendender Betrieb ohne Betriebsrat à der Antrag kann nur beim Arbeitgeber gestellt werden.

 

Ob ein Betrieb tarifgebunden oder tarifanwendend ist, kann übrigens beim Arbeitgeber selbst oder bei dem Betriebsrat erfragt werden. Leitende Angestellte haben ihre Auskunftsanträge stets beim Arbeitgeber selbst einzureichen.

 

Zu beachten ist, dass der Auskunftsanspruch grundsätzlich nur einmal alle zwei Jahre gestellt werden kann. Übergangsweise, nämlich für Anträge, die bis zum 06.01.2021 gestellt werden, gilt abweichend jedoch eine Wartefrist von sogar drei Jahren. Diese gesetzliche Bestimmung dient der Entlastung der Personalabteilung des Arbeitgebers. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn es vor Ablauf von zwei bzw. drei Jahren zu wesentlichen Änderungen im Arbeitsverhältnis (etwa ein Stellenwechsel, ein Wechsel des Tarifverbandes etc.) gekommen ist.

 

Der Arbeitgeber erteilt mir keine Auskunft – was nun?

Für nicht tarifgebundene oder -anwendende Arbeitgeber ist im Gesetz ausdrücklich bestimmt, dass sie das Auskunftsverlangen binnen drei Monaten in Textform zu bescheiden haben. Tut der Arbeitgeber dies nicht, kann unmittelbar Klage auf Vergütungsanpassung sowie Schadensersatz (dazu sogleich) erhoben werden; es tritt dann eine Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers ein: Im Prozess hat dann nicht mehr der Arbeitnehmer zu beweisen, dass eine Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts vorliegt, sondern vielmehr muss nun der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass keine geschlechtsbezogene Entgeltdiskriminierung vorliegt. Dies gilt auch, wenn der Betriebsrat, der je nach Konstellation ja für die Beantwortung der Auskunftsverlangen zuständig sein kann (siehe oben), eine Auskunft nicht erteilen kann aus Gründen, die der Arbeitgeber zu vertreten hat.

 

Für tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber fehlt eine solche gesetzliche Bestimmung. Das liegt daran, weil nach Ansicht des Gesetzgebers das Diskriminierungspotential bei tariflichen Entgeltregelungen regelmäßig geringer ausfalle. Indes dürfte auch bei tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgebern das Auskunftsverlangen binnen einer Frist von drei Monaten zu beantworten sein – zumal in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen die Ermittlung der Vergleichsgruppe (nämlich die Arbeitnehmer/innen der gleichen Entgeltgruppe) und die Erläuterung der Entgeltberechnung ohnehin deutlich leichter und somit zügiger ausfallen dürfte –, nach deren Ablauf der Anspruchsteller unmittelbar Auskunftsklage vor dem Arbeitsgericht erheben kann.

 

Was kann ich mit den erhaltenen Informationen anfangen?

Die mit dem Auskunftsanspruch erfragten Informationen können Indizien dafür liefern, dass eine Diskriminierung bezüglich des Entgelts wegen des Geschlechts vorliegt. Legt der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin in einem Prozess vor dem Arbeitsgericht solche Indizien dar, tritt eine Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers ein, d.h. der Arbeitgeber muss sodann vor dem Gericht darlegen und beweisen, dass keine Entgeltdiskriminierung vorliegt. Gelingt diesem es nicht, einen solchen Beweis des Gegenteils zu führen, hat der Arbeitnehmer (die Arbeitnehmerin) einen Anspruch auf Vergütungsanpassung. Es kann sogar rückwirkend – bis zur Grenze der Verjährung! (ggf. können jedoch arbeitsvertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen entgegenstehen) – Nachzahlung des zu Unrecht enthaltenen Entgelts verlangt werden. Zusätzlich kann materieller und immaterieller Schadensersatz (mithin ein „Schmerzensgeld“ für die erlittene Diskriminierung) verlangt werden.

 

Ob die erlangten Informationen aber auch tatsächlich Indizien für eine geschlechtsbezogene Entgeltdiskriminierung liefern, bedarf einer genauen Prüfung. Nicht in allen Fällen, in denen die erfragten Informationen auf den ersten Blick auf eine Diskriminierung schließen lassen, liegt auch tatsächlich eine Diskriminierung vor. Gerade der statistische Median (dazu oben; das Durchschnittsentgelt der Vergleichsgruppe kann mit dem Auskunftsanspruch leider nicht erfragt werden) birgt eine Gefahr für zahlreiche Fehlinterpretationen (dazu anschaulich etwa der Aufsatz von Thüsing, Betriebs-Berater 2017, S. 565 ff.). Ohne eingehende anwaltliche Beratung vor Klageeinreichung besteht daher die Gefahr des Prozessverlustes. Denn zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass, wenngleich der Gesetzgeber mit dem EntgTranspG dem einzelnen Arbeitnehmer (der Arbeitnehmerin) eigentlich die Durchsetzung seines Entgeltgleichheitsanspruchs erleichtern wollte, die gesetzliche Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs leider handwerklich ziemlich missraten und vom juristischen Laien aufgrund der Komplexität des EntgTranspG kaum zu durchschauen ist.

 

Drohen mir Nachteile durch die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs?

Der auskunftsverlangende Arbeitnehmer braucht keine Repressalien seines Arbeitgebers wegen der Geltendmachung seines Auskunftsanspruchs zu befürchten. Das EntgTranspG statuiert ein Maßregelungsverbot. Etwaige Benachteiligungen durch den Arbeitgeber, die in sachlich-zeitlichem Zusammenhang mit der Geltendmachung seines Auskunftsanspruchs stehen (etwa eine Kündigung oder Versetzung), sind regelmäßig unzulässig und unwirksam.

 

Zu beachten ist allerdings, dass die Nutzung der mit dem Auskunftsanspruch erlangten Informationen auf die Geltendmachung von Rechten im Sinne des EntgTranspG beschränkt ist. Die Veröffentlichung personenbezogener Gehaltsangaben und die Weitergabe an Dritte sind unzulässig.

 

Anmerkung: Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei nur um eine oberflächliche, mithin ausdrücklich nicht vollständige Behandlung des Themas individueller Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG handelt. Eine anwaltliche Beratung wird angesichts der Komplexität des Gesetzes und der noch weitgehend offenen Rechtsprechungslage dringend empfohlen. Unsere Kanzlei hat die Entwicklung des Entgelttransparenzgesetzes intensiv mitverfolgt. Wir beraten Sie daher gerne zu diesem Thema, egal ob aus Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberperspektive.

 

[1] Nach anderer Auffassung kann der Auskunftsanspruch schon ab dem 06.01.2018 geltend gemacht werden. Der Gesetzeswortlaut ist an dieser Stelle leider mehrdeutig.

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