Arbeitsrecht

Sie wollen mehr zum Fachbereich "Arbeitsrecht" erfahren?
» mehr erfahren

Arbeitsrecht

Zugriff des Arbeitgebers auf das E-Mail-Postfach von Arbeitnehmern

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2012, Az.: 4 Sa 2132/10

 

Das LAG Berlin-Brandenburg hat den Zugriff eines Arbeitgebers auf das auch privat genutzte E-Mail-Postfach einer Arbeitnehmerin bei deren Abwesenheit zur Abwehr wesentlicher geschäftlicher Nachteile als gerechtfertigt angesehen, wenn das E-Mail-Postfach manuell geöffnet, die E-Mails lediglich anhand von Absender und Betreff sortiert und sodann ausschließlich die dienstlichen E-Mails geöffnet werden.

 

Sachverhalt:

Die klagende Arbeitnehmerin ist in einem Betrieb der Automobilindustrie als Verkaufsberaterin beschäftigt. Nach einer in dem Betrieb geltenden Regelung dürfen die Mitarbeiter den dienstlichen E-Mail-Account auch für private externe Kommunikation nutzen. Die Klägerin nutze ihren dienstlichen E-Mail-Account auch für private E-Mails.

 

Wegen ihrer geplanten Abwesenheit in der Zeit vom 28.11.2008 bis zum 02.12.2008 richtete die Klägerin einen Abwesenheitsassistenten ein, der über ihre Abwesenheit während des vorgenannten Zeitraums informierte. Ab dem 28.11.2008 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Ihr Stellvertreter hatte keinen Zugriff auf den E-Mail-Account der Klägerin. Er versuchte deshalb im Dezember 2008 und Januar 2009 mehrfach, mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen, um Zugriff auf etwaige dienstliche E-Mails der Klägerin zu erhalten. Die Klägerin meldete sich jedoch nicht. Am 21.01.2009 wurde schließlich der E-Mail-Account der Klägerin von der IT-Abteilung unter Beteiligung des Betriebsrates und des Datenschutzbeauftragten mit der Begründung geöffnet, es könnten geschäftlich relevante E-Mails aufgelaufen sein, welche beantwortet werden müssen. Die Klägerin verlangt von dem Arbeitgeber, jede Öffnung ihres E-Mail-Postfaches zu unterlassen, weil jede Öffnung dem Arbeitgeber die Möglichkeit gebe, ihre privaten E-Mails zu lesen.

 

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Klage abgewiesen. Es hat zunächst darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber nicht „Dienstanbieter“ nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) sei, weil er weder geschäftsmäßig Telekommunikationsdienstleistungen erbringe, noch an diesen mitwirke. Zudem sei der Anwendungsbereich des Fernmeldegeheimnisses gem. Art. 10 Abs. 1 GG i.V.m. § 88 TKG in dem vorliegenden Fall nicht eröffnet. Das Fernmeldegeheimnis schützte die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs. Der Schutz erstrecke sich jedoch nicht auf die außerhalb eines laufenden Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsempfängers gespeicherten Inhalte und Umstände der Kommunikation. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses ende insoweit mit dem Moment, in dem die E-Mail beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet sei. Nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Empfängers gespeicherten Verbindungsdaten würden deswegen vom Schutz des Fernmeldegeheimnisses nicht umfasst. Gestatte ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern, den Arbeitsplatzrechner auch zum privaten E-Mail-Verkehr zu nutzen und E-Mails im Posteingang oder-ausgang zu belassen und zu speichern, unterliege der Zugriff des Arbeitgebers auf diese Datenbestände also nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses.

 

Der Arbeitgeber habe sich auch darauf beschränkt, allein auf dienstliche E-Mails der Klägerin zuzugreifen. Die Verschaffung eines unbefugten Zugangs zu privaten E-Mails sei deshalb nicht gegeben. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts, zumal das Interesse des Arbeitgebers an einem ungestörten Arbeitsablauf das Interesse der Arbeitnehmerin, einen Zugriff auf das E-Mail-Postfach gänzlich zu unterlassen, überwiege.

 

Bewertung der Entscheidung:

Unternehmen, welche die Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts gestatten, können auf der Grundlage der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg während der Abwesenheit eines Arbeitnehmers zumindest dann auf dienstliche Emails zugreifen, wenn dies zur Abwehr drohender geschäftlicher Nachteile erfolgt und der Eingriff minimal invasiv vorgenommen wird, d.h. die Mails lediglich anhand von Absender und Betreff sortiert und sodann ausschließlich die dienstlichen E-Mails geöffnet werden. Der Zugriff ist umso eher zulässig, je vorsichtiger er erfolgt.

 

Praxisfolgen:

Im Ausgangspunkt obliegt dem Arbeitgeber die Entscheidung darüber, ob Mitarbeiter den dienstlichen E-Mail-Account auch privat nutzen dürfen. Der Arbeitgeber kann und sollte die private Nutzung des E-Mail-Accounts ausdrücklich und insgesamt untersagen und dieses Verbot auch durchsetzen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber zum Beispiel bei Abwesenheit von Arbeitnehmern auf die eingegangenen E-Mails zugreifen, um so auf dienstliche E-Mails zeitnah reagieren zu können.

Anschrift

Hafenweg 8, 48155 Münster
Postfach 3410, 48019 Münster
Parkmöglichkeiten in hauseigener Tiefgarage

Kontakt