Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

Zulässigkeit einer „vorsorglichen“ Kündigung zum „nächstzulässigen Termin“

Eine „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung drückt den Willen des Arbeitgebers aus, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Sie steht unter einer – zulässigen – auflösenden Rechtsbedingung im Sinne von § 158 Abs. 2 BGB. Auch eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ ist hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist.

 

BAG, Urteil vom 10.04.2014 – 2 AZR 647/13

 

Sachverhalt (vereinfacht):

Die Beklagte betreibt einen Büromarkt. Der 1964 geborene Kläger war bei ihr seit dem 26.07.2000 als Servicetechniker beschäftigt. Außer ihm war bei der Beklagten eine weitere Mitarbeiterin tätig. Im Arbeitsvertrag vom 26.07.2000 war u.a. bestimmt, dass dem Arbeitsvertrag die Bestimmungen des Gehalts- und Lohntarifvertrages und des Manteltarifvertrages des Hessischen Einzelhandels (MTV) zugrunde zu legen sind. Nach § 16 Nr. 5 Abs. 2 MTV betrug die tarifliche Kündigungsfrist nach einer Beschäftigungszeit von zehn Jahren fünf Monate zum Monatsende.

Im Jahre 2007 traten bei der Beklagten wirtschaftliche Probleme auf. In deren Verlauf schlug ihr Geschäftsführer der H-KG (im Folgenden: KG) den Kläger als Mitarbeiter vor. Diese arbeitete im Rahmen des technischen Kundenservice in der Weise mit der Beklagten und anderen Unternehmen zusammen, dass sie die Kundenaufträge annahm, zentral koordinierte und zu ihrer Ausführung ihre eigenen Servicetechniker entsandte, während die Kunden die Rechnung mit einem Briefkopf des für sie zuständigen Service-Unternehmens – etwa der Beklagten – erhielten. Unter dem 25.06.2007 schloss der Kläger mit der KG einen Arbeitsvertrag. Danach war er für diese ab dem 01.07.2007 als Positions-/Servicetechniker tätig.

Der Kläger erhielt einzelne Arbeitsanweisungen weiterhin vom Geschäftsführer der Beklagten. Diese beschäftigte seit Juni 2011 zwei weitere Mitarbeiter. Unter dem 29.06.2011 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Kündigungsschreiben. Darin hieß es:

 „… hiermit kündigen wir vorsorglich zum nächstmöglichen Zeitpunkt den Arbeitsvertrag, obwohl wir der Meinung sind, dass das Arbeitsverhältnis bereits in 2007 beendet wurde.“   

Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil sie kein konkretes Beendigungsdatum enthalte.

 

Entscheidung des BAG:

Ebenso wie die Vorinstanzen hat das BAG die Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Nach Auffassung des BAG enthalte die Kündigung keine Bedingung, die ihrer Wirksamkeit im Wege stünde. Auch eine „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung drücke den Willen des Arbeitgebers aus, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen. Der Zusatz „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ mache deutlich, dass der Arbeitgeber sich in erster Linie auf einen anderen Beendigungstatbestand berufe, auf dessen Rechtswirkungen er nicht verzichten wolle. Die „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung stehe unter einer – zulässigen – auflösenden Rechtsbedingung im Sinne von § 158 Abs. 2 BGB. Ihre Wirkung endige, wenn feststehe, dass das Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgelöst worden sei. Diese Bedingung sei im Streitfall nicht eingetreten, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht bereits durch einen anderen Beendigungstatbestand aufgelöst worden sei. Denn der Abschluss des Arbeitsvertrages mit der KG habe nicht zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geführt, da der Arbeitsvertrag mit der KG keine dem Formerfordernis des § 623 BGB genügende Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien enthalten habe.

Die Kündigung sei entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht deshalb unwirksam, weil im Kündigungsschreiben ein konkretes Beendigungsdatum nicht ausdrücklich genannt worden sei.

Eine Kündigung müsse als empfangsbedürftige Willenserklärung so bestimmt sein, dass der Empfänger Klarheit über die Absicht des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat müsse erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll. Aus der Erklärung oder den Umständen müsse sich deshalb zumindest ergeben, ob eine fristgemäße oder eine fristlose Kündigung gewollt sei. Ob dies hinreichend deutlich werde, richte sich nach den Verhältnissen bei Ausspruch der Kündigung.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung sei nicht allein auf ihren Wortlaut abzustellen. Zu würdigen seien alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt seien und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung gehabt habe.

Das Erfordernis der Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung verlange vom Kündigenden nicht, den Beendigungstermin als konkretes kalendarisches Datum ausdrücklich anzugeben. Es reiche aus, wenn der gewollte Beendigungstermin für den Kündigungsempfänger zweifelfrei bestimmbar sei.

Auch eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ sei hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar gewesen sei. Sie sei typischerweise dahingehend zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen wolle, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergebe. Der vom Erklärenden gewollte Beendigungstermin sei damit objektiv eindeutig bestimmbar. Dies sei jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar sei und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordere.

Gemessen an diesen Grundsätzen sei die Kündigungserklärung der Beklagten vom 29.06.2011 als ordentliche Kündigung zum 30.11.2011 wirksam.

Die Formulierung, es werde „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ gekündigt, lasse grundsätzlich nicht erkennen, die Kündigung solle als außerordentliche (fristlose) Kündigung erklärt werden. Die Anwendung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ spreche dafür, dass die Kündigung zu einem erst in der Zukunft liegenden, sich aus der zutreffenden Kündigungsfrist ergebenden Termin erwirken solle.

Auch der angestrebte Beendigungstermin sei für den Kläger im zu entscheidenden Fall zweifelfrei bestimmbar gewesen. Er errechne sich aus der maßgeblichen, vom Arbeitsvertrag in Bezug genommenen tariflichen Frist von fünf Monaten zum Monatsende. Unerheblich sei auch, ob den Kläger die Tarifverträge, auf die in seinem Arbeitsvertrag Bezug genommen worden ist, ausgehändigt waren. Es sei ausreichend, dass er ihren Inhalt problemlos hätte in Erfahrung bringen können.

 

Bewertung der Entscheidung:

Die Entscheidung des BAG vom 10.04.2014 ist zu begrüßen. Es kommt in der Praxis häufig vor, dass bereits Beendigungstatbestände im Raum stehen und der Arbeitgeber (zur Sicherheit) weitere Beendigungstatbestände schaffen möchte, um so ein bestehendes Arbeitsverhältnis sicher beenden zu können. In einem solchen Fall ist es üblich, seinem Willen, an bereits gegebenen Beendigungstatbeständen festzuhalten zu wollen, durch die Aufnahme des Wortes „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ Ausdruck zu verleihen. Damit ist nichts weiter gemeint, als dass die Kündigung nur für den Fall gelten soll, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits durch Ausspruch einer vorherigen Kündigung beendet worden ist.

Ebenso ist auch die Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ in der Praxis üblich. Dies wurde nunmehr vom BAG noch einmal deutlich festgestellt. Arbeitgeber sollten jedoch in diesem Zusammenhang vermeiden, in die Kündigungserklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufzunehmen, da eine solche Kündigung nicht hinreichend bestimmt wäre. Nicht hinreichend bestimmt sind Kündigungen auch dann, wenn für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Kündigungstermin nun gelten soll.

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