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Arbeitsrecht

Zurückweisung einer Kündigung gem. § 174 BGB

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm kann eine durch den Personalleiter unterzeichnete Kündigungserklärung gem. § 174 BGB zurückgewiesen werden, wenn der Personalleiter als Prokurist mit dem Zusatz „ppa“ unterzeichnet und nach der Eintra-gung im Handelsregister lediglich über eine Gesamtprokura verfügt.

 

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 16.05.2013, 17 Sa 1708/12

 

(Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt unter dem Akten-zeichen 2 AZR 567/13)

 

Sachverhalt:

Der klagende Arbeitnehmer war (ist) in einem Betrieb der Metall- und Elektroindustrie als Mitarbeiter im Fertigungslager bzw. in der Endmontage beschäftigt. Nach Zustandekommen eines mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleichs mit Namensliste wurde das Arbeitsverhältnis des klagenden Arbeitnehmers, welcher sich auf der Namensliste zum Interessenausgleich befand, arbeitgeberseitig gekündigt. Das Kündigungsschreiben vom 27.04.2012 wurde von dem Personalleiter und Prokuristen der Arbeitgeberin mit dem Zusatz „ppa“ und von einem Personalsachbearbeiter mit dem Zusatz „i.V.“ unterzeichnet. Die Prokura des Personalleiters war ausweislich des Handelsregisters beschränkt. Er verfügt über eine Gesamtprokura und ist gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen vertretungsberechtigt. Mit Telefaxschreiben vom 02.05.2012 wiesen die Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers die Kündigung mangels Nachweises der Vertretungsberechtigung des Unterzeichners des Kündigungsschreibens zurück.

 

Das Arbeitsgericht hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung werde aufgrund der namentlichen Bezeichnung des Arbeitnehmers im Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG vermutet. Diese Vermutung habe der Arbeitnehmer nicht widerlegen können. Die Kündigung sei auch nicht wegen der Zurückweisung gem. § 174 BGB unwirksam. Es könne dahinstehen, ob der Unterzeichner des Kündigungsschreibens Personalleiter der Arbeitgeberin sei und der Arbeitnehmer entsprechende Kenntnis gehabt habe. Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde habe es bereits deshalb nicht bedurft, weil der Unterzeichner Prokurist sei. Die im Handelsregister eingetragene Erteilung der Prokura müsse der Arbeitnehmer gegen sich gelten lassen. Dadurch sei eine Zurückweisung gem. § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Arbeitnehmer so zu behandeln sei, als sei er von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden.

 

Das LAG hat demgegenüber die streitgegenständliche Kündigungs-erklärung aufgrund wirksamer Zurückweisung gem. § 174 BGB für rechtsunwirksam gehalten. Nach dieser Vorschrift ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsur-kunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweist, es sei denn, der Vollmachtgeber hat den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt.

 

Das LAG führt zunächst aus, dass die Zurückweisung einer Kündigung grundsätzlich auch per Telefax erklärt werden kann. Es weist jedoch darauf hin, dass die Zurückweisung der Kündigung per anwaltlichem Telefax als einseitige Willenserklärung von der Arbeitgeberin ebenfalls gem. § 174 BGB hätte zurückgewiesen werden können. In diesem Fall wäre die Entscheidung aller Voraussicht nach anders ausgefallen. Eine solche unverzügliche „Zurückweisung der Zurückweisung“ hatte die Arbeitgeberin jedoch in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation gerade nicht erklärt.

 

Die Zurückweisung der Kündigung sei vorliegend nicht wegen der im Handelsregister eingetragenen Erteilung der Prokura gem. § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Zwar müsse sich ein Dritter grundsätzlich die Publizität des Handelsregisters entgegenhalten lassen, wenn es um eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache gehe. Die vorliegend erteilte Prokura war ausweislich des Handelsregisters jedoch auf eine Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen beschränkt. Das Kündigungsschreiben sei jedoch nicht von einem Geschäftsführer oder einem weiteren Prokuristen unterzeichnet worden.

 

Das LAG weist weiter darauf hin, dass eine Inkenntnissetzung über die Bevollmächtigung gem. § 174 Satz 2 BGB nach der Rechtsprechung des BAG auch darin liegen kann, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Mitarbeiter durch Bestellung zum Leiter der Personalabteilung in eine Stellung beruft, mit der regelmäßig das Kündigungsrecht verbunden zu sein pflegt. Das LAG führt in der Entscheidung weiter aus, dass der Unterzeichner des Kündigungsschreibens als Personalleiter im Innenverhältnis berechtigt gewesen sei, Kündigungserklärungen ohne Beteiligung eines Geschäftsführers oder anderen Prokuristen auszusprechen.

 

Im Hinblick auf den Ausschluss der Zurückweisung gem. § 174 Satz 2 BGB sei jedoch erforderlich, dass der Arbeitnehmer von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt werde. § 174 BGB stehe im Zusammenhang mit dem Verbot vollmachtlosen Handelns bei einseitigen Rechtsgeschäften. § 174 BGB diene dazu, im Hinblick auf die Bevollmächtigung klare Verhältnisse zu schaffen. Der Empfänger sei zur Zurückweisung berechtigt, wenn er keine Gewissheit habe, dass der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist. Das Inkenntnissetzen nach § 174 Satz 2 BGB müsse darum ein gleichwertiger Ersatz für die fehlende Vorlage der Vollmachtsurkunde sein.

 

Zwar habe der Arbeitnehmer vorliegend gewusst, dass die Kündigung von dem Personalleiter der Arbeitgeberin unterzeichnet worden sei. Dieser habe das Kündigungsschreiben jedoch ausdrücklich mit dem Zusatz „ppa“ und damit als Prokurist unterzeichnet. Der Kläger habe dementsprechend davon ausgehen müssen, dass der Unterzeichner in Ausübung der aus der Erteilung der Prokura folgenden Vertretungsmacht gehandelt habe, die – insoweit gelte die Publizität des Handelsregisters – als Gesamtprokura eingeschränkt sei. Dem Arbeitnehmer werde anhand des Kündigungsschreibens nicht deutlich, dass eine (Allein-)Vertretungsmacht resultierend aus der Position des Personalleiters in Anspruch genommen wurde. Die Position des Personalleiters sei auch nur „regelmäßig“ und damit gerade nicht zwangsläufig mit der Vertretungsmacht zum Ausspruch einer Kündigung verbunden.

 

Bewertung der Entscheidung:

Ob die Entscheidung des LAG der Revision durch das BAG stand-halten wird, bleibt abzuwarten. Die Annahme, der Unterzeichner des Kündigungsschreibens habe lediglich als Prokurist und damit erkenn-bar ausschließlich in Ausübung der aus der Prokuraerteilung folgen-den Vertretungsmacht handeln wollen, erscheint zumindest zweifel-haft. Lebensnaher wäre wohl die Annahme gewesen, der Unterzeich-ner handele zumindest auch als Personalleiter. Schließlich ging es vorliegend um die Unterzeichnung einer (arbeitsrechtlichen) Kündi-gungserklärung durch den dafür regelmäßig zuständigen Personal-leiter und nicht um eine Erklärung, welche außerhalb des üblichen Aufgabengebietes eines Personalleiters liegt.

 

Praxisfolgen:

Die Entscheidung des LAG verdeutlicht einmal mehr, dass ein Arbeit-geber beim Ausspruch von Kündigungen gut beraten ist, auch der Einhaltung der Formalien wie zum Beispiel der Unterzeichnung von Kündigungen besondere Bedeutung beizumessen. Die Entscheidung zeigt aber auch, welche Auswirkungen eine Zurückweisung der Kündigung gem. § 174 BGB haben kann. Selbst in Fällen, in denen der Arbeitnehmer aufgrund der Vermutungswirkung eines Interessenausgleichs mit Namensliste materiell kaum Aussicht auf Erfolg hat, eröffnen sich im Hinblick auf die Einhaltung der Formalien zum Beispiel durch eine Zurückweisung der Kündigung oft (ungeahn-te) Möglichkeiten und Verhandlungsspielräume.

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