Welche Auswirkungen hat Covid-19 auf das Verwaltungsrecht?

Welche Auswirkungen hat Covid-19 auf das Verwaltungsrecht?

Wie Sie wissen, haben die Ordnungsbehörden durch sogenannte „Allgemeinverfü­gungen“ umfangreiche Beschränkungen für das öffentliche Leben getroffen. Mit die­sen Allgemeinverfügungen werden weite Teile des Wirtschaftslebens und der berufli­chen Tätigkeit geregelt.

Rechtsgrundlage dieser Allgemeinverfügungen ist das Infektionsschutzgesetz des Bundes. Dieses Infektionsschutzgesetz enthält in § 28 eine Generalnorm, die als Rechtsgrundlage für die Maßnahme i. V. m. § 14 Abs. 1 des Ordnungsbehördenge­setzes Nordrhein-Westfalen gilt.

Die Allgemeinverfügungen werden ortsüblich bekannt gemacht, in der Regel in den örtlichen Amtsblättern.

Gegen diese Allgemeinverfügungen kann innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Da darüber hinaus die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist, kann auch gegen diese Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichtliche Hilfe in Anspruch genom­men werden, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist.

Selbstverständlich kann auch mit der zuständigen Ordnungsbehörde Kontakt aufge­nommen werden, um im Einzelfall eine Ausnahme von den Festsetzungen zu erwir­ken, wenn dies aus bestimmten Gründen und ohne Gefährdung der Ziele des Infekti­onsschutzgesetzes im Einzelfall möglich und erforderlich ist.

Das Infektionsschutzgesetz gilt dabei auch als Ermächtigungsgrundlage für die zu­ständigen Gesundheits- und Ordnungsbehörden zum Erlass von Maßnahmen, die die Verhütung übertragbarer Krankheiten verhindern soll.

Zu den einzelnen Maßnahmen:

  1. Schutzmaßnahmen

Die Infektionsschutzbehörde kann Veranstaltungen oder Ansammlungen einer grö­ßeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten, Gemeinschaftseinrichtun­gen oder Teile davon schließen, sie kann Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder bestimmte Orte nicht zu betreten bis Schutz­maßnahmen durchgeführt worden sind. Dies alles erfolgt auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes. Dabei ist es der zuständigen Behörde unter­sagt, eine Person zu einer Heilbehandlung zu zwingen (§ 48 Abs. 1 S. 3 Infektions­schutzgesetz).

Die Behörde kann gemäß § 29 des Infektionsschutzgesetzes Kranke, Krankheitsver­dächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider einer Beobachtung unterziehen. Der Betreffende hat dann die erforderlichen Untersuchungen durch die Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden und den Anforderungen des Gesundheitsamtes Folge zu leisten. Eine Person ist danach verpflichtet, den Beauftragten des Gesund­heitsamtes zum Zwecke der Befragung oder der Untersuchung den Zutritt zur Woh­nung zu gestatten, auf Verlangen ihn über alle seinen Gesundheitszustand betref­fenden Umstände Auskunft zu erteilen, den Wechsel der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes anzuzeigen.

Die zuständige Behörde kann nach § 30 des Informationsschutzgesetzes Personen in ein Krankenhaus einweisen als auch unter Quarantäne stellen. Hierzu hat die Be­hörde auch die Möglichkeit, unmittelbaren Zwang auszuüben und die Person zwangsweise unterzubringen (§ 38 Abs. 2 Informationsschutzgesetz).

Personen, die zwangsweise untergebracht worden sind, haben dabei das Recht, Postsendungen von Rechtsanwälten zu erhalten, diese dürfen weder geöffnet noch zurückgehalten werden.

Schließlich kann die zuständige Behörde ein berufliches Tätigkeitsverbot nach § 31 des Infektionsschutzgesetzes verhängen. Sie kann Betreffenden die Ausübung der beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise untersagen.

Der Verstoß gegen infektionsschutzbehördliche Anordnungen kann auch den Tatbe­stand einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat nach § 75 des Informationsschutzgeset­zes erfüllen!

Zuständige Infektionsschutzbehörde ist das örtliche Gesundheitsamt.

Alle Maßnahmen der Behörden müssen dabei verhältnismäßig sein, allerdings wird man den Behörden gerade vor dem Hintergrund der hohen Gefahr der Verbreitung einen weiten Ermessensspielraum zubilligen müssen, der auch nur beschränkt ge­richtlich überprüfbar ist.

Wer von Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz betroffen ist, und das dürfte gegenwärtig jeder sein, wird sich dabei die Frage stellen, ob Entschädigungsansprü­che bestehen.

Nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes kann derjenige, der an der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit gehindert wird, eine Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschä­digung bemisst sich nach dem Verdienstausfall und wird für die ersten sechs Wo­chen in Höhe des Verdienstausfalls nach § 56 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes gewährt.

Als Verdienstausfall gilt dabei das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträ­ge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung zusteht.

Bei einer Existenzgefährdung können darüber hinaus weitere Entschädigungen be­ansprucht werden, so können auch Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme ruht, für die nicht gedeckten Betriebsausgaben Ersatz nach § 56 Abs. 4 des Infektionsschutzgesetzes erhalten.

Darüber hinaus gilt auch das allgemeine Entschädigungsrecht des allgemeinen Poli­zei- und Ordnungsrechts.

Unabhängig von diesen gesetzlich geregelten Ansprüchen hat die Bundesregierung angekündigt, umfangreiche Hilfen für diejenigen zur Verfügung zu stellen, die von den Maßnahmen, die vom Infektionsschutz ergriffen worden sind, betroffen sind. Die entsprechenden Gesetzesvorhaben sind gegenwärtig in der Verabschiedung. 

  1. Fristen

Auch in der gegenwärtigen Situation laufen sämtliche verwaltungsverfahrensrechtli­che und verwaltungsprozessrechtliche Fristen weiter. Die von den Ordnungsbehör­den getroffenen Maßnahmen entbinden nicht von der Verpflichtung, die Rechts­behelfsfristen im Widerspruchsverfahren oder Klageverfahren einzuhalten. Auch wei­terhin muss innerhalb der üblichen Widerspruchsfrist von einem Monat der Wider­spruch bei der Behörde eingehen, die Klage innerhalb einer Frist von einem Monat bei dem zuständigen Verwaltungsgericht. Hierbei muss beachtet werden, dass die Schriftform eingehalten wird, d. h. eine Einlegung per E-Mail wahrt nicht die Frist! Der jeweilige Rechtsbehelf muss entweder durch ein Schriftstück oder nach den gesetzli­chen Regelungen des elektronischen Rechtsverkehrs innerhalb der Frist bei der Be­hörde bzw. dem Gericht eingehen.

Gleiches gilt für Genehmigungsfristen, auch diese Fristen laufen selbstverständlich gegenwärtig weiter. So müssen Baugenehmigungen verlängert werden, wenn wegen der aktuellen Situation mit der Baumaßnahme nicht begonnen werden kann. Hier muss innerhalb der Laufzeit der Baugenehmigung bei der zuständigen unteren Bau­aufsichtsbehörde ein – formloser – Verlängerungsantrag gestellt werden, damit die Baugenehmigung nicht verfällt.

Gleiches gilt für andere behördliche Genehmigungen beispielsweise nach dem Im­missionsschutzrecht, Gewerberecht etc. Auch hier muss der Verlängerungsantrag fristgemäß bei der Behörde eingehen.

Es muss deshalb durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass diese Fristen kontrolliert und auch eingehalten werden, wenn einzelne hierfür zu­ständige Mitarbeiter des Unternehmens ihren Arbeitsplatz gegenwärtig nicht aufsu­chen können.

Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat nunmehr mit Beschluss vom 30.03.2020 ent­schieden, dass eine vom Landkreis Aurich anlässlich der Verbreitung des Coronavi­rus erlassene Allgemeinverfügung, welche die Nutzung von Nebenwohnungen im Landkreis untersagt und deren Nutzern die Rückreise aufgegeben wird, offensichtlich rechtmäßig und sofort vollziehbar ist (VG Oldenburg, Az. 7 B 721/20).

Das Verwaltungsgericht Minden hat am 30.03.2020 die Schließung eines Eiscafés zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus als voraussichtlich rechtmäßig beurteilt und einen dagegen gerichteten Eilantrag zurückgewiesen (VG Minden, Az. 7 L 246/20).

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat am 30.03.2020 die für Bayern geltende Ausgangsbeschränkung nicht außer Vollzug gesetzt und als vorläufig rechtmäßig beurteilt (VGH München, Az. 20 NE 20.632).

Der Deutsche Bundestag hat inzwischen das Infektionsschutzgesetz geändert, es wird ab 01.04.2020 eine neue Fassung erhalten. Ein wesentlicher Teil betrifft die Än­derung des § 56 IfSG, der die Entschädigung zum Inhalt hat.

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