Familienrecht

Entscheidung über die Corona-Impfung bei einem minderjährigen Kind

Das OLG Frankfurt hatte die Frage zu prüfen, wer die Entscheidung über eine Corona-Schutzimpfung bei einem fast 16-jährigen Kind treffen muss, wenn die Eltern sich hierüber nicht einig sind.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beteiligten waren geschiedene Eltern eines fast 16-jährigen Sohnes. Sie übten die elterliche Sorge für den Sohn gemeinsam aus, der Sohn lebte bei der Kindesmutter. Aufgrund einer Vorerkrankung des Sohnes (Adipositas) lag nach Feststellung seiner Ärztin eine Indikation für eine COVID-19 Impfung vor. Zum Zeitpunkt der Entscheidung lag eine Empfehlung der ständigen Impfkommission (STIKO) für eine Impfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 – 17 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf. Zwischenzeitlich wird die Impfung seitens der STIKO für alle Kinder und Jugendliche von mindestens 12 Jahren befürwortet.

Der Vater des Kindes befürwortete die Impfung, der Sohn selbst wünschte auch, geimpft zu werden. Die Mutter lehnte dem gegenüber die Impfung als „Gentherapie“ ab und verwies auf verschiedene Bedenken und Risiken, die ihrer Meinung nach noch nicht abschließend geklärt seien. Der Vater beantragte, deshalb, ihm die Entscheidung über die Impfung des Sohnes zu übertragen. Die Mutter lehnt dies ab.

Das erstinstanzlich angerufene Amtsgericht übertrug dem Vater im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung des Sohnes. Die Mutter legte Beschwerde ein, über die das OLG Frankfurt zu entscheiden hatte. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde ab.

Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Entscheidung über die Durchführung einer Impfung gegen das Coronavirus eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind sei. Hierüber müssen die Eltern einvernehmlich entscheiden. Wenn sie sich über eine solche Entscheidung nicht einigen können, kann auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung diesem allein übertragen werden, § 1628 S. 1 BGB.

Das Oberlandesgericht stellte fest, dass der fast 16-jährige Sohn für den medizinischen Eingriff selbst Einwilligungsfähig ist (§ 630 d BGB), dass gleichwohl eine Einwilligung der sorgeberechtigte Eltern erforderlich sei.

Als Entscheidungsmaßstab stellte das Oberlandesgericht Frankfurt fest, dass die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil zu übertragen sei, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO befürworte, soweit bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorlägen. Im Hinblick auf die ärztliche Indikation liegen derartige Risiken nicht vor, vielmehr wird ärztlicherseits die Impfung ausdrücklich befürwortet. Dies spreche dafür, dem Vater die Entscheidungskompetenz zu übertragen.

Es sei weiterhin auch der Kindeswille zu beachten (§ 1697 a BGB). Es sei eindeutig, dass der fast 16-jährige Sohn aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung selbst ein der Lage sei, die Nutzen und Risiken der Corona-Schutzimpfung abzuschätzen. In Kenntnis dieser Nutzen und Risiken hatte er sich für die Impfung entschieden. Daher spreche auch die erforderliche Rücksichtnahme auf den Willen des Kindes bei sorgerechtlichen Entscheidungen für die Entscheidungskompetenz des Kindesvater. Im Rahmen der elterlichen Sorge sei auch die wachsende Fähigkeit und das wachesende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigen verantwortungsbewussten Handeln zu berücksichtigten.

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Oberlandesgericht die Entscheidung über die Impfung dem Kindesvater übertragen. Der Sohn wurde dementsprechend zweimal mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech-Pfizer geimpft.

Entscheidung: OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.08.2021, Az.: 6 UF 120/21

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