OLG München, Urteil vom 19.09.2013 – 23 U 1003/13
Der vom OLG München entschiedene Fall betrifft eine praktisch durchaus häufige Konstellation: Zwei Gesellschafter haben gemeinsam eine GmbH gegründet und haben auch gleichzeitig als deren (alleinige) Geschäftsführer fungiert. Bei ihrer Bestellung zum Geschäftsführer war vereinbart worden, dass beide (nur) gesamtvertretungsberechtigt sein sollten, also nur gemeinsam wirksam für die GmbH handeln konnten. Dies war so auch im Handelsregister der GmbH eingetragen worden. Eine solche Gesamtvertretungsberechtigung wird sehr häufig praktiziert, um „Alleingänge“ einer Person auszuschließen; die Gesamtvertretungsberechtigung dient mithin der wechselseitigen Kontrolle der Gesellschafter-Geschäftsführer durch ein Vier-Augen-Prinzip.
Allerdings hatten sich die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer darauf verständigt, dass der eine von ihnen für das Geschäftsführungs-Ressort des kaufmännischen Bereichs zuständig sein sollte. Auch eine solche Zuständigkeitsaufteilung kommt in der Praxis häufig vor, weil die Gesellschafter-Geschäftsführer hierdurch ihren jeweiligen Neigungen und Stärken Rechnung tragen wollen: So ist es durchaus sinnvoll, wenn der kreative Part sich voll und ganz der Produktentwicklung widmet und sich aus dem kaufmännischen Bereich heraushält – und umgekehrt.
Damit ist allerdings das Risiko verbunden, dass (und zwar ausdrücklich entgegen der vereinbarten und im Handelsregister verlautbarten Gesamtvertretungsbefugnis) der jeweilige Gesellschafter-Geschäftsführer (allerdings beschränkt auf sein Geschäftsführungs-Ressort) als einzelvertretungsbefugt behandelt wird. Das OLG München hat insofern eine formlose Ermächtigung zwischen den beiden Gesellschaftern angenommen.
Damit besteht das Risiko, dass durch die Aufteilung der Geschäftsführung in verschiedene Ressorts die ursprünglich zur wechselseitigen Kontrolle vereinbarte Gesamtvertretung konterkariert wird. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Aufgabenverteilung zwischen den Geschäftsführern von allen Gesellschaftern gebilligt und einvernehmlich praktiziert wird.
Schließlich weist das Gericht auch einen Weg, auf dem solche, sich vielleicht erst im Laufe der Zeit ergebenen Verhältnisse wieder beseitigt und zur Gesamtvertretung zurückgekehrt werden kann: Die wechselseitige Ermächtigung, die mit der Bildung von Geschäftsführungs-Ressorts verbunden sei, könne jederzeit frei widerrufen werden, und zwar durch jeden der Gesellschafter einseitig. In der Praxis empfiehlt es sich, dies schriftlich zu dokumentieren.