Gesellschaftsrecht

Stimmrechtsverbot bei Beschlussfassung einer GmbH-Gesellschafterversammlung über eine Sonderprüfung

OLG Brandenburg Urt. v. 18.05.2022 – 7 U 89/21 – (nicht rechtskräftig)

In einer Mehrpersonen-GmbH bekleidete einer der Gesellschafter gleichzeitig auch das Geschäftsführeramt. In dieser Funktion veräußerte er verschiedene Vermögensgegenstände der GmbH unter zweifelhaften Bedingungen an einen außenstehenden Dritten. Einer der übrigen Gesellschafter begehrte daraufhin die Durchführung einer Sonderprüfung dieser Vorgänge. Es fand eine Gesellschafterversammlung der GmbH statt. Der beantragte Beschluss über die Durchführung der Sonderprüfung wurde mit den Stimmen des Gesellschafter-Geschäftsführers abgelehnt.

 

Daraufhin beschritt der Gesellschafter, der die Beschlussfassung über die Sonderprüfung beantragt hatte, den Klageweg. Er machte geltend, dass der geschäftsführende Gesellschafter einem Stimmverbot unterlegen habe, also gar nicht bei der Beschlussfassung mitstimmen durfte. Dem wurde seitens des Gesellschafter-Geschäftsführers eine Bestimmung in der Satzung (Gesellschaftsvertrag) der GmbH entgegengehalten, wonach – wie dies häufig anzutreffen ist – Stimmrechtsausschlüsse (nur) in den gesetzlich geregelten Fällen eingreifen.

 

Diese gesetzlich geregelten Fälle sind in § 47 Abs. 4 GmbH-Gesetz geregelt. Dessen Wortlaut nach betreffen sie folgende Beschlussgegenstände:

  • ein Gesellschafter soll entlastet oder
  • von einer Verbindlichkeit (gegenüber der Gesellschaft) befreit werden oder
  • es geht um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter oder
  • ein Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter soll eingeleitet oder erledigt werden.

 

Keiner dieser Sachverhalte war im vorliegenden Fall einschlägig. Gleichwohl hat der klagende Gesellschafter in beiden Instanzen Recht erhalten. Zur Begründung verwiesen die Gerichte darauf, dass allen ausdrücklich in § 47 Abs. 4 GmbH-Gesetz geregelten Fällen gemein sei, dass es um ein „Richten in eigener Sache“ geht. Von einem solchen Richten in eigener Sache soll ein Gesellschafter, wenn er selbst betroffen ist, ausgeschlossen sein, weil in solchen Fällen typischer Weise ein Interessenkonflikt zwischen dem Gesellschaftsinteresse und dem Eigeninteresse des Gesellschafters besteht. Dies treffe gleichermaßen auch bei der Anordnung einer Sonderprüfung von Vorgängen zu, die dem Gesellschafter-Geschäftsführer zur Last gelegt werden. Die Sonderprüfung bereitet die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer vor. Deshalb liege es nahe, dass dieser sein persönliches Interesse, Haftungsrisiken zu vermeiden und das eigene Ansehen zu schützen, maßgeblich in sein Abstimmungsverhalten einfließen lässt. Genau dieser Interessenkonflikt soll nach § 47 Abs. 4 GmbH-Gesetz, der von den Gerichten insofern analog angewendet wurde, vermieden werden.

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollte der BGH in der Sache noch zur Entscheidung berufen sein, steht zu vermuten, dass dieser die instanzgerichtlichen Urteile bestätigen wird. Sie entsprechen der ganz herrschenden Meinung in der gesellschaftsrechtlichen Literatur. Allerdings hätte das zutreffende Ergebnis auch anders begründet werden können: Das GmbH-Gesetz selbst kennt das Institut der „Sonderprüfung“ nicht. Vielmehr ist es in § 142 AktG für die Aktiengesellschaft geregelt. Es wird allerdings im GmbH-Recht entsprechend angewendet. Deshalb hätte es nahegelegen, auch die in § 142 Abs. 1 AktG explizit geregelten Stimmverbote entsprechend anzuwenden.

 

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