Gesellschaftsrecht

Sie wollen mehr zum Fachbereich "Gesellschaftsrecht" erfahren?
» mehr erfahren

Gesellschaftsrecht

Zur aktienrechtlichen Differenzhaftung und einer vergleichsweisen Einigung darüber

BGH, Urteil vom 06.12.2011, II ZR 149/10

 

Sachverhalt

Die B. AG hatte im Jahr 1999 eine Sachkapitalerhöhung durchgeführt, in deren Rahmen die P. AG sämtliche Geschäftsanteile an zwei Tochtergesellschaften sowie Aktien an einer weiteren Gesellschaft als Sacheinlage für rund 3,5 Millionen B.-Aktien einbrachte.
In einer Vereinbarung vom 28.06.2000 erklärte die B. AG u.a., aus dem Kapitalerhöhungsvorgang keine Ansprüche mehr gegen die P. AG geltend zu machen. Im September 2000 vereinbarten die B. und die P., dass die Zahlungsverpflichtung der B. für die zweite Tranche insgesamt durch Verrechnung mit dem Ertragszuschuss in Höhe von 325 Millionen DM als mit Wirkung zum 28.06.2000 erfüllt anzusehen sei.

 

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter der B. AG die Beklagte, die Rechtsnachfolgerin der P. AG, auf eine Differenzhaftung in Höhe von über 170 Millionen Euro in Anspruch. Der Wert der von der P. AG eingebrachten Vermögensgegenstände sei geringer gewesen als die vereinbarte Einlage.

 

Entscheidung

Der BGH geht davon aus, dass die bei der Kapitalerhöhung eingebrachten Gesellschaftsanteile überbewertet und damit nicht den versprochenen Sachwert erreichten. Der sich aus §§ 36a Abs. 2 iVm §§ 183, 188 Abs. 2 S. 1 AktG und § 9 Abs. 1 AktG analog ergebende Differenzhaftungsanspruch bestehe bei einer Überbewertung von Sacheinlage als Differenz zwischen dem Wert der Sacheinlage und dem geringsten Ausgabebetrag. Ein solcher Anspruch bestehe aber – und insoweit abweichend vom Agio bei der GmbH – auch, soweit der Wert der Sacheinlage zwar den geringsten Ausgabebetrag, aber nicht das Aufgeld deckt. Das Aufgeld sei bei der AG nach § 9 Abs. 2 AktG nämlich Teil des Ausgabebetrags und der mitgliedschaftlichen Leistungspflicht der Aktionäre nach § 54 Abs. 1 AktG, von der sie nach § 66 Abs. 1 AktG grundsätzlich nicht befreit werden können. Insoweit unterscheide es sich vom Agio bei der GmbH, auf das sich der Differenzhaftungsanspruch nach § 9 Abs. 1 S. 2 AktG nicht erstrecke.
Unerheblich sei hierbei, dass das Aufgeld nicht im gezeichneten Kapital, sondern in der Kapitalrücklage auszuweisen ist, § 272 Abs. 1 Nr. 1 HBG. Denn dem Schutz der Gläubiger diene nicht nur das verlautbare Eigenkapital (gezeichnetes, nicht ausschüttungsfähiges Kapital), sondern auch die Ausschüttungsgrenze für die Rücklage in § 150 AktG.

 

Über diesen Differenzhaftungsanspruch können sich, wie der BGH entschieden hat, die Aktiengesellschaft und der Aktionär auch ohne Zustimmung der Hauptversammlung vergleichen. Obwohl der Aktionär von seiner Verpflichtung zur Leistung der Einlagen nicht befreit werden könne, sei ein solcher Vergleich nach § 66 Abs. 1 AktG zulässig, wenn eine tatsächliche oder rechtliche Ungewissheit über den Bestand oder Umfang des Anspruchs besteht. Grundsätzlich sei ein Vergleich, durch den die Ungewissheit darüber, was der Gesetzeslage entspricht, durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird, trotz eines Widerspruchs zum zwingenden Recht wirksam, wenn der Vergleichsinhalt den bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaften Bereich nicht verlässt.
Für das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung fehle es an der für die Analogie zu §§ 50 S. 1, 93 Abs. 4 S. 3, 117 Abs. 4 AktG erforderlichen Regelungslücke.

Anschrift

Hafenweg 8, 48155 Münster
Postfach 3410, 48019 Münster
Parkmöglichkeiten in hauseigener Tiefgarage

Kontakt