BGH, Urt. v. 4.07.2013 – IX ZR 229/12
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH, der späteren Insolvenzschuldnerin, der Gesellschaft während deren Krise fortlaufend Darlehen gewährt. Die GmbH beglich die Darlehensforderungen des Gesellschafters durch Zahlungen von einem debitorischen Konto der Gesellschaft, für welches der Gesellschafter gegenüber der Bank eine Bürgschaft bis 40.000 € übernommen und ein Wertpapierdepot bis zu einer Höhe von 10.000 € verpfändet hatte. Zugleich zahlte der Gesellschafter zur Rückführung der Darlehensrückzahlung Gelder auf dasselbe Konto der GmbH. Sowohl die Darlehenstilgung als auch deren Rückführung fand binnen eines Jahres vor Beantragung bzw. Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt. Der mittlerweile eingesetzte Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH verlangt nunmehr von dem Gesellschafter Erstattung der an ihn erfolgten Darlehensrückzahlungen.
Ein solcher Erstattungsanspruch besteht dem Grunde nach gemäß §§ 135 II, 143 III InsO.
Die Zahlungen des beklagten Gesellschafters auf das im Soll geführte Konto stellten eine Rückführung des Kontokorrentkredites gegenüber der Bank dar. Dies beruhte auf der zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Bank getroffenen Kontokorrentabrede, welche eine Rechtshandlung der Schuldnerin i.S.v. § 135 II InsO darstellt. Hierunter wird jedes von einem Willen getragene Handeln vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches eine rechtliche Wirkung auslöst, verstanden.
Der Anspruch ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Beklagte die Rückzahlungen auf das im Soll geführte Konto aus seinem Vermögen vorgenommen hat. Denn maßgeblich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise:
Zwar darf es einem Gesellschafter, der für die Gesellschaft ein Drittdarlehen (die Überziehung des Kontos) besichert, anfechtungsrechtlich nicht zum Nachteil gereichen, wenn er das Darlehen aus eigenen Mitteln zurückführt (durch die Zahlung auf das debitorische Konto) und damit das im Verhältnis zur Gesellschaft Versprochene erfüllt. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Gesellschafter mit der Rückführung des Drittdarlehens zugleich einen gegen ihn selbst gerichteten Anspruch der Gesellschaft erfüllt.
Ein solcher Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter bestand vorliegend jedoch nicht, da zur Zeit der Tilgungsrückführung an die Gesellschaft das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen noch nicht eröffnet war und daher ein – andernfalls grundsätzlich möglicher – Anspruch aus §§ 135 I Nr. 2, 143 I InsO noch nicht entstanden war.
Dennoch war vorliegend zu beachten, dass die durch die Tilgungsrückgewährung eingetretene Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögenslage und damit der Ausschluss dieses Anfechtungsanspruchs wirtschaftlich derjenigen Situation entspricht, die bestanden hätte, wenn der Gesellschafter den Anfechtungsanspruch (nach seinem Entstehen durch Insolvenzeröffnung) erfüllt hätte. Durch Vornahme der Tilgungsrückführung vor der Insolvenzeröffnung und damit vor Entstehung des Anspruchs der Gesellschaft nach §§ 135 I Nr. 2, 143 I InsO hätte der Gesellschafter jedoch zum einen das Entstehen des Anspruch der Gesellschaft verhindert und zum anderen sich von einer für ein Drittdarlehen bestellten Sicherheit (Bürgschaft und Wertpapierdepot) gleichzeitig befreit.
Der daher trotz bereits erfolgter Rückzahlung bestehende Anspruch aus §§ 135 II, 143 III InsO und die Eintrittspflicht des Gesellschafters sind jedoch unter Weitergeltung der zu § 32b GmbHG a.F. entwickelten Grundsätze der Höhe nach auf das begrenzt, was der Gesellschafter aus der übernommenen Sicherheit geschuldet hätte. Bei nur teilweiser Rückführung des besicherten Drittdarlehens (hier der Bank gegenüber der GmbH) und daher weiterer Möglichkeit der Inanspruchnahme des Gesellschafters durch den Gläubiger der Gesellschaft, darf die Summe aus dem Anspruch aus §§ 135 II, 143 III InsO und der fortbestehenden Verpflichtung des Gesellschafters aus der Sicherheit nicht dasjenige überschreiten, wozu der Gesellschafter ohne die teilweise Rückführung des Darlehens verpflichtet gewesen wäre. Die Höhe des Anspruchs aus §§ 135 II, 143 III InsO bestimmt sich im Falle einer nur teilweisen Rückführung des besicherten Drittdarlehens durch die Gesellschaft und einer der Höhe nach beschränkten Sicherheit (hier also insgesamt 50.000,00 €) somit danach, in welcher Höhe der Gesellschafter dem Gläubiger aus der Sicherheit weiterhin verpflichtet bleibt.