BGH, Urteil v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10
Auch die drohende Zahlungsunfähigkeit kann ein starkes Beweisanzeichen für eine vorsätzliche Benachteiligung der Gläubiger durch den Schuldner sein. Trotz Prolongation eines Darlehens kann dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit drohen, wenn die in dieser Zeit geführten Umschuldungsverhandlungen keine sichere Erfolgsaussicht bieten.
Der Kläger verlangte als Insolvenzverwalter der A. GmbH (Schuldnerin) von der beklagten Sparkasse Erstattung von drei geleisteten Zahlungen, weil diese der Insolvenzanfechtung unterfielen. Die Beklagte hatte der Schuldnerin ein Ende 2002 fälliges Darlehen über ca. 5,3 Mio. DM gewährt. Außerdem führte die Beklagte einen Kontokorrentkredit für die Schuldnerin mit einer vereinbarten Kreditlinie über ca. 1,75 Mio. DM. Nach Kreditgesprächen im Dezember 2002 prolongierte die Beklagte die zur Rückzahlung fälligen Kredite um drei Monate. Die Schuldnerin zahlte 100.000 € Ende März 2003, 38.000 € Ende April 2003 sowie 25.000 € Mitte Mai 2003 an die Beklagte. Anfang Dezember 2003 wurde über das Vermögen der Schuldnerin auf Eigenantrag vom September 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nach § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Benachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt vor, wenn dieser die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kann nach ständiger Rechtsprechung aus der Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Auch schon die dem Schuldner bekannte drohende Zahlungsunfähigkeit stelle ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz dar, so der BGH. Der Schuldner handele nur dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände mit der baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Gemäß § 18 Abs. 2 InsO droht die Zahlungsunfähigkeit, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.
Ein Einfordern der fälligen Ansprüche nach Ablauf der Prolongation ist grundsätzlich nicht erforderlich, um von Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Die Vorinstanz hatte jedoch angenommen, dass die Beklagte die Darlehen weiter stundete und damit keine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gegeben war. Hierfür sprach insbesondere der Umstand, dass sie statt Verzugszinsen nur die Vertragszinsen einforderte und es für die Beklagte auf der Hand lag, dass die Schuldnerin die Rückzahlung der Darlehen nicht aus eigenen Mitteln bewerkstelligen konnte, sondern auf eine Umschuldung angewiesen war. Allerdings kam es nach dem BGH darauf nicht entscheidend an. Denn die mögliche Stundung des Darlehensrückzahlungsanspruchs war durch den Zeitraum der Verhandlungen mit der anderen Bank über eine Umschuldung begrenzt. Da es für eine Stundungsvereinbarung über den Zeitpunkt des Scheiterns dieser Ablöseverhandlungen hinaus keine Anhaltspunkte gebe, sei erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sein würde, sobald die Verhandlungen scheiterten. Diese in dem Zeitraum schon drohende Zahlungsunfähigkeit sei ein ebenso wie eine festgestellte Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz.