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Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht

Haftung des Steuerberaters für eine fehlerhaft verneinte insolvenzrechtliche Überschuldung einer Gesellschaft

BGH, Urt. v. 6.06.2013 – IX ZR 204/12

 

Ein Steuerberater, der mit der Erstellung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft (hier: GmbH) befasst ist und im Rahmen des Bilanzberichts anmerkt, es bestehe lediglich eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“, haftet, wenn tatsächlich jedoch Insolvenzreife besteht, gemäß § 634 Nr. 4 BGB auf Schadensersatz hinsichtlich des Insolvenzverschleppungsschadens.

 

Zwar ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des nur mit der allgemein steuerlichen Beratung einer GmbH beauftragten Steuerberaters, bei einer möglichen Unterdeckung in der Handelsbilanz die Gesellschaft bzw. deren Geschäftsführer auf die Pflicht zur Überprüfung der Insolvenzreife und zur Stellung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung hinzuweisen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der steuerliche Berater gerade mit der Prüfung der Insolvenzreife betraut wäre. Sofern er dennoch im Rahmen der bloßen Erstellung des Jahresabschlusses fälschlicherweise anmerkt, dass lediglich eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ vorliegt, muss er sich an dieser insolvenzrechtlichen Fehlleistung festhalten lassen. Hierin kann aufgrund der erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung nicht eine bloße Gefälligkeit seitens des Steuerberaters gesehen werden; vielmehr handelt es sich um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die Insolvenzschuldnerin vertrauen darf.

 

Die Höhe des Schadensersatzes bemisst sich anhand der Differenz-hypothese. Der Vermögensschaden, der aus einer verspäteten Insolvenzantragsstellung resultiert, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen Vermögenslage, die ohne dieses Ereignis bestanden hätte. Zentral ist daher der Umstand, dass der Geschäftsführer der GmbH, hätte der Steuerberater die Überschuldung pflichtgemäß erkannt, den Insolvenzantrag früh- bzw. rechtzeitig gestellt hätte und so weitere Vermögensnachteile, d.h. eine Vertiefung der Überschuldung, vermieden worden wären.

 

Eine Haftung für die so tatsächlich eingetretenen weiteren Verluste entfällt mangels Zurechnungszusammenhangs hingegen, aber auch nur, sofern die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruht, also die Grenzen überschritten sind, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, oder das Handeln des Geschäftsführer anderweitig unvertretbar ist.

 

Gemäß § 254 I BGB ist darüber hinaus auch ein Mitverschulden der Geschädigten bei der Entstehung des Schadens zu berücksichtigen und die Schadensersatzpflicht des Schädigers entsprechend zu kürzen. Insofern ist relevant, dass die Aufstellung des Jahresab-schlusses seitens der Gesellschaft gemäß § 322 II 2 HGB in eigener Verantwortung zu erfolgen hat. Daher ist einer GmbH, die ihre Insolvenzreife nicht erkennt, ein – auch nur fahrlässiges – Mitver-schulden anzulasten.

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