Insolvenzrecht

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Insolvenzrecht

Insolvenzanfechtung der Bestellung einer Sicherheit für ein Gesellschafterdarlehen bei z.Z. des Insolvenzantrages länger als ein Jahr zurückliegender Verwertung

BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 219/11

 

In dem dem BGH zur Entscheidung vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger, der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, einer GmbH, die Beklagte zu 1) aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung und den Beklagten zu 2) nach § 43 II GmbHG in Anspruch. Die gesellschaftsrechtlichen Strukturen und der zugrundeliegende Sachverhalt stellen sich dabei wie folgt dar: Bei dem Beklagten zu 2) handelt es sich um den Alleingesellschafter und alleinigen Geschäftsführer der Schuldnerin-GmbH. Diese hatte von der Beklagten zu 1), einer GmbH & Co. KG, ein Darlehen erhalten. Gesellschafter deren Komplementär-GmbH waren der Beklagte zu 2) und dessen Bruder. Beide waren auch die Kommanditisten der GmbH & Co. KG und hielten jeweils 50 % der Gesellschaftsanteile. Da die GmbH & Co. KG der GmbH vorgenanntes Darlehen gewährt hatte, trat diese der Darlehensgeberin im Jahr 2004 eine ihr gegen eine weitere GmbH (Drittschuldnerin) zustehende Forderung zur Sicherheit ab. In 2009 stellte die schon seit mindestens 2003 bilanziell überschuldete Schuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Juni 2007 hatte die Drittschuldnerin an die Beklagte zu 1) auf die sicherungsabgetretene Forderung gezahlt.

 

§ 135 Abs.1 Nr.1 InsO begründet hier einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 1).

 

Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht zunächst § 135 Abs.1 Nr.2 InsO nicht im Wege. Einer Literaturauffassung zufolge entfaltet die Nr.2 dieser Vorschrift eine Sperrwirkung gegenüber der Nr.1 für den Fall der Verwertung einer Sicherheit durch den Gesellschafter, da mit der Verwertung zugleich die Befriedigung eintrete, welche in Nr.2 speziell geregelt ist. Der BGH folgt dieser Auffassung jedoch nicht. Nach seiner ständigen Rechtsprechung ist jede Rechtshandlung selbständig darauf zu überprüfen, ob sie gläubigerbenachteiligende Wirkung hat, also ob die konkret angefochtene Maßnahme zu einer Minderung des Aktivvermögens des späteren Insolvenzschuldners führt. Dementsprechend begründet auch jede Rechtshandlung u.U. ein eigenes Rückgewährschuldverhältnis. Ein Grundsatz, dass mehrere von einer Rechtshandlung verursachte Wirkungen nur insgesamt oder gar nicht angefochten werden können, existiert nicht. Nur ausnahmsweise ist die Anfechtung einer Befriedigung mangels Gläubigerbenachteiligung ausgeschlossen, wenn die Bestellung der Sicherheit insolvenzrechtlich unanfechtbar ist, weil diese vor der in § 135 Abs.1 Nr.1 InsO genannten 10-jährigen Frist vor Insolvenzantrag bestellt wurde. Dies gilt jedoch nicht im umgekehrten Fall: Eine Sicherung wird nicht deswegen unanfechtbar, nur weil die aus ihr erlangte Befriedigung unanfechtbar geworden ist. Abgesehen davon sind Sicherung und Befriedigung aber getrennt voneinander nach § 135 Abs.1 Nr.1, respektive § 135 Abs.1 Nr.2 InsO anzufechten.

 

Nach § 135 Abs.1 Nr.1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters aus einem Darlehen oder für eine gleichgestellte Forderung innerhalb der letzten 10 Jahre vor Insolvenzantrag eine Sicherung gewährt hat. Hiervon wird auch eine Sicherungsabtretung erfasst. Relevant ist dabei nur, dass eine Sicherung für eine Forderung bestellt wurde, die im Fall einer späteren Insolvenz als nachrangig zu behandeln wäre. Dass z.Z. des Insolvenzeröffnungsantrages die Sicherheit mittlerweile nicht mehr bestand, ist hingegen unerheblich.

 

Vorliegend ist den Ausführungen des BGH zufolge auch die Beklagte zu 1) als Gesellschafterin der Schuldnerin i.S.v. § 135 Abs.1 Nr.1 InsO anzusehen. Über die gleichgestellten Forderungen wird der persönliche Anwendungsbereich dieser Norm auf den des § 32a Abs.3 S.1 GmbHG a.F. ausgedehnt, sodass die im Rahmen des alten Eigenkapitalersatzrechts entwickelten Grundsätze bei verbundenen Unternehmen herangezogen werden können. Hiernach können Finanzierungshilfen Dritter erfasst werden, wenn diese bei wirtschaftlicher Betrachtung infolge einer horizontalen oder vertikalen Verbindung einem Gesellschafter gleichstehen. Dies ist der Fall, wenn ein Gesellschafter sowohl an der darlehensnehmenden als auch der -gebenden Gesellschaft, und zwar an letzterer maßgeblich, beteiligt ist. Eine maßgebliche Beteiligung liegt im Falle einer GmbH bei einer Beteiligung zu mehr als 50 % oder aber zu jedenfalls 50 % vor, sofern der Gesellschafter im letztgenannten Fall zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist, wie es der Beklagte zu 2) hier war.

 

Der Anspruch nach § 135 Abs.1 Nr.1 InsO ist auf Freigabe der Sicherheit gerichtet. Sofern die als Sicherheit gewährte Forderung eingezogen wurde, ist der darauf gezahlte Betrag im Wege des Wertersatzes zu fordern.

 

Der BGH bejahte zudem eine Vorsatzanfechtung unter dem Gesichtspunkt der Inkongruenz nach § 133 Abs.1 InsO, welche ein Indiz für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Gläubigers von diesem Vorsatz darstellt, sofern die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintreten, in dem Anlass zum Zweifel an der Liquidität des Schuldners bestand.

 

Einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) unter dem Gesichtspunkt einer verbotenen Rückzahlung kapitalersetzender Leistungen hingegen hat der BGH verneint. Dieser hat sich erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 43 Abs.4 GmbHG beginnt mit der Entstehung des Anspruchs, d.h. dem Eintritt des Schadens dem Grunde nach, wofür jede Vermögensverschlechterung, somit also auch eine Forderungsabtretung genügt. Auf die Kenntnis der Gesellschaft oder der Gesellschafter von den anspruchsbegründenden Tatsachen kommt es dabei nicht an.

 

In den Kommentierungen zu dieser Entscheidung wird vor Risiken bei Kontokorrentverhältnissen, insbesondere bei Cash-Pools, gewarnt; nach der BGH-Entscheidung drohe Gesellschaftern, die durch Verrechnungs- oder andere Aufrechnungslagen gesichert sind, dass sie eine erhaltene Befriedigung für ihre Forderungen nicht nur für ein Jahr, sondern für zehn Jahre (zurückgerechnet ab dem Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung) zurückgewähren müssen. Es wird angeregt, anstatt einer Verwertung der Sicherheit möge der Gesellschafter auf diese verzichten; die Verwertung der Sicherheit solle der Gesellschaft selbst überlassen werden, die anschließend den Verwertungserlös an den Gesellschafter auszahlen solle (Befriedigung im Sinne von § 135 Abs.1 Nr. 2 InsO); in diesem Falle komme nur die einjährige Anfechtungsfrist in Betracht. Als sichere Rechtsgestaltung wird dies nicht gelten können. Dem stehen nicht nur Umgehungsgesichtspunkte entgegen sondern vor allem auch eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs.1 InsO.

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