Medizinrecht

Sie wollen mehr zum Fachbereich "Medizinrecht" erfahren?
» mehr erfahren

Medizinrecht

Pauschalabzüge bei Anerkennung von Praxisbesonderheiten rechtswidrig

Mit Beschluss vom 18.08.2011, Az. L 3 KA 29/11 BER, hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen auf die Rechtswidrigkeit von Pauschalabzügen bei Anerkennung von Praxisbesonderheiten entschieden. Wird einem Arzt im Rahmen der Richtgrößenprüfung wegen der häufigen Verordnung fachgruppenfremder Präparate eine Praxisbesonderheit anerkannt, darf bei der Regressfestlegung keine Pauschale in Abzug gebracht werden – es ist vielmehr eine einzelfallbezogene Schätzung vorzunehmen.

 

Sachverhalt

Ein Facharzt für Chirurgie hatte die Richtgrößen für Arzneimittel überschritten. Gegen die Regressfestsetzung setzte der Arzt sich zur Wehr mit der Begründung, aus seiner Qualifikation als Sportmediziner ergebe sich ein besonderer Patientenzuschnitt. Ca. 70 bis 80 % seiner Patienten wiesen Sportverletzungen auf, sodass die Überschreitung des Richtgrößenvolumens weitestgehend durch die Verordnungen von fünf Präparaten bedingt seien. Der Beschwerdeausschuss erkannte diese Besonderheit an, reduzierte den Regress jedoch nur um 50 % der Verordnungskosten für die Präparate, weil deren Verordnung grundsätzlich keine Besonderheit in der Fachgruppe des Arztes darstelle. Der Arzt beantragte daraufhin die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes durch das Sozialgericht.

 

Die Entscheidung

Das Landessozialgericht entschied im einstweiligen Rechtschutzverfahren, der Regressbescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Begründet worden war die lediglich anteilige Anerkennung der Praxisbesonderheit damit, dass die Verordnung der in Rede stehenden Präparate grundsätzlich keine Besonderheit in der Fachgruppe des Arztes darstelle. Das Landessozialgericht hat hierzu ausgeführt, diese Begründung werde undifferenziert in einer Vielzahl von Fällen eingesetzt. Diese Vorgehensweise sei rechtswidrig, weil damit keine einzelfallbezogene Schätzung vorgenommen, sondern ein genereller Grundsatz angewandt werde, wonach die gehäufte Verordnung von nicht fachgruppenfremden Präparaten immer nur zur Hälfte als Praxisbesonderheit anerkannt werden kann. Der Beurteilungsspielraum gestatte es den Prüfgremien aber nicht, eine sachgerechte Aufbereitung des Sach- und Streitstandes und konkrete Tatsachenermittlung durch allgemeine Erwägungen zu ersetzen.

 

Praxisfolgen

Die „50-%-Schätzung“ stellt eine weitverbreitete Praxis der Prüfgremien dar. Gerade die Tatsache, dass diese Schätzung von den Prüfgremien undifferenziert in einer Vielzahl von Fällen eingesetzt wird, hat das Landessozialgericht bemängelt. Es bleibt abzuwarten, ob die Frage im Hauptsacheverfahren durch das Bundessozialgericht geklärt wird. Gleichwohl sollten sich betroffene Ärzte in laufenden und künftigen Verfahren bereits jetzt auf den vorliegenden Beschluss berufen.

Partner

Anwälte

Rechtsgebiete

Anschrift

Hafenweg 8, 48155 Münster
Postfach 3410, 48019 Münster
Parkmöglichkeiten in hauseigener Tiefgarage

Kontakt