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Medizinrecht

Zur Verjährungsfrist ärztlicher Behandlungsfehler

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 26.05.2020 (VI ZR 186/17) grundlegende Ausführungen zu der Frage gemacht, in welcher Frist Ansprüche eines Patienten gegen einen Arzt oder ein Krankenhaus aufgrund eines Behandlungsfehlers verjähren.

Die regelmäßige Verjährungsfrist in diesen Fällen beträgt nach § 195 BGB drei Jahre und beginnt erst, wenn der Patient Kenntnis von dem Behandlungsfehler hat.

Der Bundesgerichtshof hatte nun die Frage zu entscheiden, ob einer solchen Kenntnis von einem Behandlungsfehler auch gleichsteht, wenn der Patient es unterlassen hat, Krankenhausunterlagen auf ärztliche Behandlungsfehler hin zu überprüfen.

 

Zum Sachverhalt:

Der am 22.11.2003 geborene Kläger machte in dem Verfahren Ansprüche aus einem Geburtsschaden gegen das Geburtskrankenhaus und die dort tätigen Ärzte und das medizinische Personal geltend.

Das Krankenhaus hatte am 22.09.2006 die 91-seitige Behandlungsdokumentation an die Mutter des dortigen Klägers übersandt. Die Krankenunterlagen waren jedoch unverständlich, die vollständigen Krankenunterlagen wurden erst am 05.05.2008 an den Prozessbevollmächtigten der Mutter übersandt.

Das Landgericht hat die beklagten Ärzte und das Krankenhaus zum Schadensersatz und Schmerzensgeld von 40.000,00 € verurteilt.

Im Berufungsverfahren hat das zuständige Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage wegen Verjährung der Ansprüche zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht hatte diese Entscheidung damit begründet, dass die Mutter des Klägers bereits seit 2006 Kenntnis von dem Behandlungsfehler gehabt habe, denn sie habe ja die Krankenunterlagen durchsehen können. Bei sorgfältigem Studium der Krankenunterlagen hätte ihr oder ihrem Prozessbevollmächtigten auffallen müssen, dass es dort Unstimmigkeiten gab. Aus den Krankenunterlagen sei ersichtlich gewesen, dass aufgrund des hohen Geburtsgewichts des dortigen Klägers ein erhöhtes Risiko bestanden habe, das die Ärzte nicht ausreichend beachtet hätten.

Mit Ablauf des Jahres 2009 seien deshalb die Ansprüche des Klägers verjährt gewesen.

Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof nun mit Urteil vom 26.05.2020 auf-gehoben. Die hinsichtlich ärztlicher Behandlungsfehler erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen könne nicht schon dann angenommen werden, wenn dem gesetzlichen Vertreter der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Man muss dazu nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch medizinische Zusammenhänge erkennen, die in der Regel nur einem Arzt vorliegen.

Erst wenn Kenntnisse von Tatsachen vorhanden sind, die ein schuldhaftes ärztliches Fehlverhalten als naheliegend erscheinen lassen, könne man von einer Kenntnis ausgehen.

Die Vermutung der Mutter, dass ein Behandlungsfehler vorliege, reicht demnach nicht aus, dies entspricht keiner „Kenntnis“.

Auch konnte der Bundesgerichtshof keine grobe Fahrlässigkeit feststellen, soweit es die Lektüre der Behandlungsunterlagen betraf. Nur wenn für den Patienten konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs offensichtlich sind und sich ihm der Verdacht einer Schädigung aufdrängt, kann von einer Kenntnis ausgegangen werden.

Daraus kann man den Schluss ziehen, dass Patienten und deren Anwälte nicht verpflichtet sind, sich medizinisches Fachwissen anzueignen.

Weder von einem Patienten noch von seinem Rechtsanwalt kann nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs verlangt werden, dass Krankenhausunterlagen auf ärztliche Behandlungsfehler überprüft werden, es sei denn, der Behandlungsfehler ist offensichtlich und erschließt sich jedem Leser.

Dies dürfte aber bei medizinischen Krankenunterlagen nur in seltensten Ausnahmefällen der Fall sein, denn medizinische Laien können anhand der Krankenunterlagen häufig nicht medizinische Zusammenhänge erkennen.

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