Nach einer Entscheidung des BAG bedarf die Verkürzung der Laufzeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages eines rechtfertigenden Sachgrundes.
BAG, Urteil vom 14.12.2016 zum Aktenzeichen 7 AZR 49/15.
Sachverhalt:
Der Arbeitnehmer schloss mit der Arbeitgeberin, einer Organisation die im wesentlichen Projekte der internationalen Zusammenarbeit für ein Bundesministerium durchführt, einen für die Zeit vom 15.07.2012 bis zum 31.07.2014 befristeten Arbeitsvertrag. Danach übernahm der Arbeitnehmer die Tätigkeit als Head of Departement im Rahmen eines Vorhabens in Saudi – Arabien. In § 4 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten, während der das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende ordentlich gekündigt werden konnte. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die Bestimmung des „Manteltarifvertrages für die bei der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH beschäftigten Mitarbeiter/innen“ anzuwenden. Nach diesem Tarifvertrag können Arbeitsverträge ohne Sachgrund bis zur Dauer von vier Jahren abgeschlossen und dreimalig verlängert werden. Im Dezember 2012 trafen die Parteien unter der Überschrift „Arbeitsvertrag auf Zeit – Änderung der Vertragslaufzeit“ eine Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer lediglich „bis zum 31.07.2013“ beschäftigt wird und alle sonstigen Vertragsbedingungen unverändert bleiben. Mit seiner im Mai 2013 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich der Arbeitnehmer gegen die Befristung des Arbeitsvertrages bis zum 31.07.2013 gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die (verkürzte) Befristung sei unwirksam, weil sie nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt und einer sachgrundlose Befristung wegen der Vorbeschäftigung ausgeschlossen sei. Die Arbeitgeberin war dagegen der Ansicht, dass die vorgenommene Verkürzung der Laufzeit des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages ohne Sachgrund möglich sei, da mit ihr die zulässige Höchstbefristungsdauer nicht überschritten werde
Das Arbeitsgericht hat der Entfristungsklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Arbeitgeberin hin abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen der Revision das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und die Anwendbarkeit deutschen Rechts festgestellt. Sodann hat es die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung dahingehend überprüft, ob es sich – wie von der Arbeitgeberin behauptet – um einen Aufhebungsvertrag oder aber um eine auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Abrede handelt. Das BAG hat in dem Zusammenhang ausgeführt, dass ein Aufhebungsvertrag eine Vereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis darstelle und damit seinem Regelungsgehalt nach auf eine alsbaldige Beendigung des Arbeitsvertrages gerichtet sei. Es verweist auf eine frühere Entscheidung, wonach sich die Parteien eines Aufhebungsvertrages im Hinblick auf den Beendigungszeitpunkt häufig an der jeweiligen Kündigungsfrist orientieren und weitere Vereinbarungen über Rechte und Pflichten aus Anlass der vorzeitigen Vertragsbeendigung zum Ausdruck bringen.
Demgegenüber ist nach der Entscheidung des BAG von einer der Befristungskontrolle unterliegenden, auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Abrede auszugehen, wenn der von den Parteien gewählte Beendigungszeitpunkt die jeweilige Kündigungsfrist um ein vielfaches überschreitet und es an weiteren Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt, wie sie im Aufhebungsvertrag regelmäßig getroffen werden. Dazu gehören insbesondere Freistellung, Urlaubsregelungen, gegebenenfalls auch Abfindungen und Ähnliches. Auch in diesem Zusammenhang stellt das Bundesarbeitsgericht fest, dass der Regelungsgehalt der getroffenen Vereinbarung und nicht die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung entscheidend sei.
Das BAG stellt sodann fest, dass die Parteien in der streitgegenständlichen Vereinbarung lediglich die ursprüngliche Befristungsabrede geändert haben. Mit der im Dezember 2012 vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2013 hätten die Parteien die zu diesem Zeitpunkt einschlägige arbeitgeberseitige Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende um ein vielfaches überschritten. Regelungen, die im Rahmen eines Aufhebungsvertrages typischerweise getroffen werden, enthält die streitgegenständliche Vereinbarung der Parteien nicht. Das BAG kommt danach zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständliche Vereinbarung der Parteien nicht als Aufhebungsvertrag, sondern als eine auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Abrede zu qualifizieren ist.
Das BAG führt weiter aus, dass die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG im Streitfall nicht vorliegen. Zwar werde durch die vereinbarte Vertragslaufzeit vom 15.07.2012 bis zum 31.07.2013 die gesetzlich zulässige zweijährige Höchstbefristungsdauer nicht überschritten. Der Wirksamkeit als sachgrundlose Befristung stehe jedoch § 14 Abs. 2 Satz TzBfG entgegen, weil zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung im Dezember 2012 bereits ein befristetes Arbeitsverhältnis bestand. Die Parteien haben mit der Änderungsvereinbarung nach Ansicht des BAG also eine neue Befristung vereinbart, die der Befristungskontrolle unterliegt und die wegen des zwischen den Parteien bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund nicht zulässig war.
§ 14 Abs. 2 TzBfG erlaube nur bei Neueinstellung eines Arbeitnehmers die Befristung des Arbeitsvertrages ohne Sachgrund bis zur Dauer von zwei Jahren und bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens dreimaligen Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages. Die Verkürzung der Laufzeit eines solchen Vertrages lasse die Regelung des § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Sachgrund gerade nicht zu. Dafür spreche auch der Wortlaut der Vorschrift, die den Abschluss eine befristeten Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund und dessen Verlängerung nenne, nicht hingegen dessen Verkürzung. Das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse nicht nur vorherige Arbeitsverhältnisse, die bereits beendet sind. Vielmehr verbiete die Vorschrift die Vereinbarung einer Befristung ohne Sachgrund auch während eines laufenden Arbeitsverhältnisses. Einzige Ausnahme seien die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Vertragsverlängerungen. Dieses Verständnis stehe auch im Einklang damit, dass nach der Rechtsprechung des BAG die nachträgliche Befristung eines bereits bestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses eines sachlichen Grundes bedürfe. Die sachgrundlose Befristung von Arbeitszeitverträgen soll nach dem Gesetzeszweck einem Arbeitgeber ermöglichen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren; zum anderen solle die befristete Beschäftigung für den Arbeitnehmer eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und eine Brücke zur Dauerbeschäftigung darstellen. Der Verwirklichung dieser Ziele diene die Verkürzung der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages nicht.
Da das BAG aufgrund fehlender Feststellungen des LAG nicht überprüfen konnte, ob vorliegend ein die Befristung rechtfertigender Sachgrund im Zusammenhang mit der Verkürzung der Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrages vorliegt, hat es den Rechtstreit an das LAG zurückverwiesen.
Bewertung der Entscheidung:
Die Entscheidung des BAG ist dogmatisch nachzuvollziehen und entspricht der in Rechtsprechung und Politik seit Längerem zu beobachtenden Entwicklung, prekäre Arbeitsverhältnisse zurückzudrängen und in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Möglichkeiten von Befristungen und Leiharbeit einzuschränken.
Praxisfolgen:
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BAG ist Arbeitsvertragsparteien, welche die Laufzeit einer sachgrundlosen Befristung einvernehmlich verkürzen wollen, zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu raten. Ein Aufhebungsvertrag liegt nach der Rechtsprechung des BAG jedoch nur dann vor, wenn für einen Aufhebungsvertrag typische Regelungen wie z.B. Freistellungsregelungen, Urlaubsregelungen, Zeugnisregelungen oder Abfindungsregelungen enthalten sind. Die Auslegung einer Vereinbarung als Aufhebungsvertrag könnte nach der Rechtsprechung des BAG dann problematisch sein, wenn dieser zeitlich weit vor dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgt und damit bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die für den Arbeitgeber geltende Kündigungsfrist um ein vielfaches überschritten wird. Aufgrund der aktuellen Änderung der Geschäftsanweisung der Agentur für Arbeit zu Sperrzeiten ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass die zur Vermeidung einer Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages bislang geforderte Mindestabfindung von 0,25 Bruttomonatsentgelten pro Beschäftigungsjahr nunmehr in Wegfall geraten ist.