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Rückzahlungsvereinbarungen von Fortbildungskosten – ein Dauerbrenner -

Eine Rückzahlungsvereinbarung von Fortbildungskosten benachteiligten Arbeitnehmer i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen, wenn der zurückzuzahlende Fortbildungskostenbetrag sein monatliches Bruttoeinkommen übersteigt und die Vereinbarung nur eine grobe Staffelung der Reduzierung der Rückzahlungspflicht enthält.

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.02.2015 – 8 Sa 561/14 –

Sachverhalt und Entscheidung:

Ein monatlich ca. 1.800,00 € brutto verdienender Diplomingenieur war aufgrund eines Weiterbildungsvertrages in der von der Arbeitgeberin betriebenen KFZ-Prüfstelle beschäftigt. Mit dieser vereinbarte er eine 10 Monate dauernde Weiterbildung zum Prüfingenieur. Nach der getroffenen Vereinbarung sollte er die Weiterbildungskosten an die Arbeitgeberin zurückzahlen, wenn er im Anschluss an die absolvierte Weiterbildung nicht mindestens 3 Jahre weiterhin für die Prüfstelle arbeiten würde, wobei die Rückzahlungskosten auf diese 3 Jahre gestaffelt war und sich jährlich um 1/3 reduzierte.

Als der Diplomingenieur nach Abschluss der Ausbildung kündigte, forderte ihn die Arbeitgeberin zur Rückzahlung der von ihr getragenen Weiterbildungskosten auf. Das LAG Rheinland-Pfalz hat die von der Arbeitgeberin erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, der Diplomingenieur werde durch die getroffene Rückzahlungsvereinbarung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB benachteiligt, weil sie lediglich eine jährlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungsverpflichtung vorsehe. Eine Rechtsunwirksamkeit einer solchen Rückzahlungsklausel könne sich auch unter Berücksichtigung des „Wie“ der Klausel ergeben. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn eine ratierliche Kürzung der Rückzahlungsschuld fehle. Darüber hinaus sei eine arbeitsvertragliche Klausel dann unangemessen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB, wenn sei bei einer Rückforderungssumme, die das Bruttomonatseinkommen des fortgebildeten Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigt, bei einer 3-jährigen Bindungsdauer nur eine grobe, jährlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungsverpflichtung vorsehe, ohne auf eine differenzierte, etwa monatliche Staffelung abzustellen, zuletzt LAG Hamm, 09.03.2012 – 7 Sa 1500/11 – juris, Rn. 43.

Zwar habe das BAG eine Rückzahlungsvereinbarung mit einer sich jährlich und nicht monatlich verringernden Rückzahlungspflicht im Rahmen der Vertragsfreiheit der Parteien anerkannt, zuletzt BAG, 23.04.1986 – 5 AZR 159/85 – Rn. 23, juris. Unter Geltung des § 307 BGB und der durchzuführenden Inhaltskontrolle sei einer solchen Rückzahlungsklausel heute jedoch die Wirksamkeit zu versagen.

Wenn Fortbildungskosten anfielen, die das Bruttomonatseinkommen des Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigen, berücksichtige eine nur jährliche Staffelung das grundgesetzlich über Art. 12 GG geschützte Interesse des Arbeitnehmers an einer möglichst unbeeinträchtigten Ausübung seiner Berufsfreiheit nicht ausreichend. Eine solche Klausel sei unangemessen benachteiligend und damit unwirksam. Ein schützenswertes Interesse der Arbeitgeberin daran, bei Rückzahlungsvereinbarung durch eine Drittelung der Rückzahlungsschuld den Bleibedruck auf den Arbeitnehmer angesichts der Höhe der Rückzahlungsforderung am Anfang eines jeden Jahres genauso hoch zu halten, wie am Ende eines Zeitabschnitts, sei jedenfalls bei Rückzahlungsforderung von erheblicher Größenordnung nicht erkennbar. Ein solches Interesse möge aus Gründen der Vereinfachung bei geringen Fortbildungskosten gegeben sein. Übersteige die Rückzahlungsschuld allerdings das monatliche Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers um ein Vielfaches, vermöge dies nicht mehr durchzuschlagen. Bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge sei nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Der Monatszeitraum sei eine im Arbeitsleben bekannte Größenordnung. Auf ihn werde ganz überwiegend für die Berechnung von Kündigungsfristen abgestellt, wie sich § 622 Abs. 2 BGB entnehmen lasse. Tarifvertragliche Ausschlussfristen orientieren sich regelmäßig an Monatsfristen. Die Arbeitsvergütung werde üblicherweise in Monatsabschnitten bemessen, zuletzt LAG Hamm, 09.03.2012 – 7 Sa 1500/11 – Rn. 44 ff., juris.

Soweit das Bundesarbeitsgericht in Bezug auf eine entsprechende tarifvertragliche Regelung festgestellt habe, dass jedenfalls die Tarifvertragsparteien mit der damaligen Regelung die Grenzen ihrer Gestaltungsfreiheit nicht überschritten hätten, habe dies im Rahmen der nach § 307 BGB durchzuführenden Inhaltskontrolle keine Relevanz. Wegen der Gleichgewichtigkeit der Tarifvertragsparteien sei zunächst davon auszugehen, dass bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelung die Arbeitnehmerinteressen angemessen berücksichtigt würden. Es bestehe insoweit eine materielle Richtigkeitsgewehr für die tarifvertraglichen Regelungen, BAG 06.09.2015 – 5 AZR 174/94 – juris, Rn. 38. Im Übrigen war durch das BAG bereits in dem tarifvertraglichen Zusammenhang festgestellt worden, dass es naheliegen würde, auf kürzere Zeiträume als nur auf volle Jahre abzustellen, zuletzt BAG, 06.09.2015 – 5 AZR 174/94 – juris, Rn. 46.

Eine ergänzende Vertragsauslegung scheide aus. Durch eine solche würde die Regelung des § 307 BGB unterlaufen, zuletzt BAG, Urteil vom 18.03.2014 – 9 AZR 545/12 – juris, Rn. 22. Eine ergänzende Vertragsauslegung setze zudem voraus, dass der Regelungsplan der Parteien in Folge der durch die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel entstandenen Lücke einer Vervollständigung bedürfe. Eine ergänzende Vertragsauslegung könne dann in Frage kommen, wenn sich das Festhalten am Vertrag für den Verwender als unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB darstellen würde. Grundsätzlich seien die Gerichte weder zu einer geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer Klauseln berechtigt noch dazu, durch ergänzende Vertragsauslegung an die Stelle einer unzulässigen Klausel die zulässige Klauselfassung zu setzen, die der Verwender der Bedingungen voraussichtlich gewählt haben würde, wenn ihm die Unzulässigkeit der beanstandeten Klausel bekannt gewesen wäre, zuletzt BAG, 11.04.2006 – 9 AZR 610/05 – juris, Rn. 35.

Eine ergänzende Auslegung der Rückzahlungsklausel dahingehend, dass eine Rückzahlungsverpflichtung sich monatlich verringere, würde der Arbeitgeberin das Risiko der unzulässig zu grob gefassten Klausel vollständig nehmen und eine Vertragshilfe alleine zu ihren Lasten darstellen. Die Unwirksamkeit der verwendeten Klausel führe nicht zu einer derart krassen Störung des Gleichgewichts, dass eine ergänzende Vertragsauslegung zu Gunsten des Klägers geboten sei. Es hätte an der Arbeitgeberin gelegen, sich gegen das Risiko durch eine wirksame Fassung der Rückzahlungsklausel abzusichern.

Die Arbeitgeberin könne ihre Zahlungsverpflichtung auch nicht mit Erfolg auf bereicherungsrechtliche Vorschriften stützen. Insbesondere habe sie keinen Anspruch auf Erstattung der Ausbildungskosten nach § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 2 BGB. Der Beklagte habe die Ausbildung nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Der rechtliche Grund bestehe in der – mit Ausnahme der Rückzahlungsklausel – wirksamen Ausbildungsvereinbarung, zuletzt BAG, 06.08.2013 – 9 AZR 442/12 – juris, Rn. 23.

Bewertung der Entscheidung:

Bei dem Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung für vom Arbeitgeber zu Gunsten des Arbeitnehmers aufgewendeter Fortbildungskosten ist im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses als Konsequenz aus der vorstehenden Entscheidung des LAG Rheinland Pfalz eine differenzierte, möglichst monatlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungsverpflichtung anzuraten, jedenfalls wenn die Rückforderungssumme das Bruttomonatseinkommen des fortgebildeten Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigt. In diesem Zusammenhang wäre auch überlegenswert, dass zusätzlich noch ein automatischer Wegfall eines Teils der Rückzahlungsverpflichtung bei entsprechender Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorgenommen wird. Unseres Erachtens wäre im Ausgangsfall die Klage der Arbeitgeberin dann wahrscheinlich erfolgreich gewesen, denn das LAG hat die übrigen Bestandteile der in Rede stehenden Rückzahlungsvereinbarung ebenfalls geprüft und durchgewunken. Da gegen die Entscheidung des LAG Revision zum Bundesarbeitsgericht (9 AZR 434/15) eingelegt worden ist, bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung des LAG Bestand haben wird.

 

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