Pferderecht / Tierärztliches Haftpflichtrecht

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Pferderecht / Tierärztliches Haftpflichtrecht

Tierhalterhaftung auch bei Reiten ohne Einverständnis des Halters

Der BGH hat entschieden (Urt. v. 30.04.2013, Az.: VI ZR 13/12), dass die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB auch dann dem Grunde nach gegeben ist, wenn der Geschädigte ohne Einverständnis das Pferd des Halters geritten hat und hierbei zu Schaden gekommen ist.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin war bei dem Versuch, das Pferd der Beklagten zu besteigen, zu Fall gekommen und hatte sich hierbei Verletzungen an Oberschenkel und Kopf zugezogen. Im Streit stand unter anderem, wer als Halter des Pferdes anzusehen und ob ein Einverständnis zur Nutzung des Pferdes vom Halter erteilt worden ist.

 

Verfahrensgang:

In den Vorinstanzen (LG Dortmund, OLG Hamm) war der Anspruch der Klägerin noch abgelehnt worden.

 

Das LG Dortmund (Urt. v. 16.02.2011, Az.: 5 O 126/09) sah die Haftung des Tierhalters als unangemessen an, da der eingetretene Schaden hauptsächlich dem Verhalten der Klägerin zuzurechnen sei. Sie habe ohne Einverständnis des Tierhalters reiten wollen und dadurch bewusst und vorwiegend im eigenen Interesse die besonderen Gefahren des Pferdes übernommen. Daher sei sie aus dem Schutzbereich des § 833 BGB auszuschließen.

 

Das OLG Hamm (Urt. v. 25.11.2011, Az.: 9 U 38/11) bestätigte das erstinstanzliche Urteil, stützte seine Argumentation jedoch auf den Umstand, dass die Klägerin nicht habe beweisen können, dass sie das Pferd mit Erlaubnis des Tierhalters geritten habe. Die „freiwillige Überlassung“ des Tieres wurde folglich von der Berufungsinstanz als von der Geschädigten zu beweisendes Tatbestandsmerkmal angesehen. Hierdurch solle eine ausufernde Haftung des Tierhalters vermieden werden.

 

Entscheidung des BGH:

Seit jeher vertritt der BGH die Ansicht, dass die Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB auch dem Reiter gegenüber greife und eine Einschränkung des Schutzbereichs insofern nicht in Betracht komme. Lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen soll laut BGH ein Ausschluss der Tierhalterhaftung möglich sein: Dann nämlich, wenn der Reiter eine besondere, über das Normalmaß hinausgehende Gefahr übernehme. Dies sei jeweils im Einzelfall anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu bestimmen. Der BGH hat die Einschränkung des Schutzbereichs beispielsweise bei dem Ritt auf einem erkennbar bösen Pferd (BGH, VersR 1955, 116), einem noch nicht zugerittenen Pferd (BGH, NJW 1977, 2158) oder in dem Falle, in dem der Ritt als solcher einer besonderen Gefahr unterliegt (z.B. die Teilnahme an einer Fuchsjagd, vgl. BGH, NJW 1992, 371), bejaht. Eine solche besondere Gefahr sah der BGH im vorliegenden Fall nicht als gegeben an, so dass er die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB dem Grunde nach bejahte.

 

Dass die Klägerin vorliegend ohne Einverständnis des Halters ritt, hatte auf dieses Ergebnis keinen Einfluss. In diesem Zusammenhang betonte der BGH, dass die Tierhalterhaftung grundsätzlich auch demjenigen zugutekomme, der sich dem Tier unbefugt nähert.

 

Bewertung:

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Der Wortlaut des § 833 BGB gibt keine Anhaltspunkte dafür, den Schutzbereich der Norm einzuschränken. Der Wortlaut ist – offensichtlich vom Gesetzgeber gewollt – weit gefasst. Trotz der in der Vergangenheit laut gewordenen Kritik insbesondere in Hinblick auf die Tierhalterhaftung gegenüber dem Reiter eines Pferdes hat der Gesetzgeber bis heute nicht reagiert und den § 833 BGB in seiner ursprünglichen Form bestehen lassen.

 

Im Ergebnis führt sie auch zu sachgerechten Ergebnissen. Ist dem Reiter ein Mitverschuldensvorwurf bezüglich der Entstehung des Schadens zu machen, so kann dieses Mitverschulden auf Rechtsfolgenebene Berücksichtigung finden und zu einer – unter Umständen vollständigen – Kürzung des Anspruchs führen. Diese Lösung bietet die Möglichkeit, flexible und sachgerechte Ergebnisse zu erzielen.

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